Nachdem der Kaffee getrunken war, sagte Graf Veit mit einer Harmlosigkeit, bei der die andern, außer Almut, kaum ein Lachen unterdrücken konnten: »Sagen Sie mal, meine kleine Gnädige, haben Sie denn nie mehr Lust auszureiten?«
»Hätte ich schon, Herr Graf. Doch allein zu reiten wage ich nicht, da mir die Gegend noch zu unbekannt ist.«
»Na höre, Marbod, da zögerst du wohl noch, deine Begleitung anzubieten?«
»Gewiß nicht, Vater. Gnädiges Fräulein, es wird mir ein Vergnügen sein –«
Da sie ja nun alle im Bilde waren, bemerkten sie mit Rührung den erschrockenen Blick, der zu Adele hinging. Doch nur einen Atemzug lang, dann hatte das Mädchen Augen und Mienenspiel wieder in Gewalt.
»Mein Vergnügen ist nicht geringer, wenn ich mich auch noch einmal umziehen muß.«
»Dann nicht gesäumt, kleine Amazone«, ermunterte der Hausherr. »Wenn die Abendglocken das Osterfest einläuten, muß Ihr Lachen hier dazwischenklingen.«
*
Als Marbod an Almuts Seite dahinritt, bewunderte er die Selbstbeherrschung des Mädchens, das mit keinem Blick, keinem Wort sein Herz verriet. Es plauderte lustig wie stets, neckte sich mit ihm – und blieb doch wie eine Mimose.
Nur als sie vor der Jagdhütte hielten, wechselten Röte und Blässe auf dem feinen Mädchengesicht in rascher Folge.
»Wollen wir hier etwas rasten, Herr Graf?«
»Ja.«
»Werden wir dann auch pünktlich zum Abendessen zurück sein?«
»Werden wir. Haben Sie etwa Angst, daß ich Sie in der Hütte einsperre?«
»Das wäre –!« ruckte ihr Kopf nach hinten. Ehe er ihr behilflich sein konnte, war sie bereits aus dem Sattel geglitten und sah nun zu, wie er die Pferde an einen Baum band. Das Herz schlug hart wie ein Hammer, Hände und Füße waren eiskalt vor innerer Erregung. All ihren Stolz und Trotz rief sie zu Hilfe, damit sie ihr beistehen sollten.
Sie hatte keine Ahnung, daß Marbod, den sie mit den Pferden beschäftigt sah, sie verstohlen beobachtete. Zuckte heftig zusammen, als er sich ihr unerwartet zuwandte und sie mit einem Blick ansah, den sie nicht zu deuten wußte. Dann schloß er die Hütte auf.
»Gestatten Sie, daß ich vorgehe, gnädiges Fräulein, damit ich die Laden öffnen kann –«
Als es im Raum hell geworden war, betrat Almut ihn zögernd, schloß die Tür – und schaute dann zu Tode erschrocken auf Marbod, der mitten in der Stube stand und weit die Arme ausbreitete. In seinen Augen lag ein glückliches Lachen.
»Nun komm schon her. Lege dein Köpfchen an meine Brust, damit du hören kannst, wie laut mein Herz jubelt vor Glück. Ach, du willst nicht –?«
Zwei Schritte vor, dann umschlang er die zitternde Gestalt so fest, daß sie sich nicht rühren konnte.
»Herr Graf, wenn Sie mich nicht sofort loslassen, dann –«
»Was dann?«
»Dann beiße ich –!«
»Werde ich gleich verhindern –«
Und schon drückte er seine Lippen auf ihren Mund, immer und immer wieder. Dann lockerte er seine feste Umschlingung und schob das Mädchen von sich, soweit seine Arme reichten. Sah in ein todblasses Gesicht, in dem die Augen sprühten vor leidenschaftlichem Zürnen.
Blutrot brannte der Mund, der nun die Worte formte: »Ich verachte Sie, Herr Graf.«
»Almut, sprich jetzt nicht weiter«, bat er eindringlich. »Ich weiß genau, daß ich mich unfair benommen habe –«
»Viel wert, daß Sie das wenigstens einsehen, Herr Graf. Jedenfalls hat es noch kein Mann wagen dürfen, sich mir so – unverschämt zu nähern.«
»Wohl dir und mir, mein stolzes Kind. Denn es hat dich auch noch kein Mann so geliebt wie ich dich –«
»Herr Graf – Ihre Frau?«
»Ist tot –«
»Wie herzlos Sie das sagen!«
»Herzlos war nur diese Frau, die sich meinen armen Bruder als Werkzeug erkor, um in meine Nähe zu kommen. Und die dann dem Sterbenden die Worte eingab, die er bereits in halber Bewußtlosigkeit sprach. Sie ist nie meine Frau im wahren Sinne gewesen, weil ich sie – verabscheute.
Doch meine trostlose Ehe begann mich erst so richtig zu quälen, als ich dich kennenlernte, Almut – dich vom ersten Augenblick an heiß liebte. Ich durfte mich dir nicht nähern, weil das unglückselige Wort mich an die Bestie von einer Frau band. Kannst du dir nun vorstellen, was ich ausgehalten habe?«
»Ja –«, bekannte sie leise. »Auch ich liebte dich ja schon – als du noch den Ehering trugst –«
»Endlich –!« jubelte er. »War es sehr schwer, mein stolzes Kind, das Geständnis über die Lippen zu bekommen?«
Zart drückte er seine Lippen auf ihren zuckenden Mund. Nahm dann ebenso zart das Antlitz zwischen seine Hände und schaute in die Augen hinein, die das heiße Gefühl ihres Herzens widerspiegelten.
»Mädchen, Mädchen –«, sagte er dann. »Was hat dein unbändiger Stolz uns beiden nur für Herzweh bereitet, hinter dem du deine Liebe verschanztest. Nicht ein Wort, nicht ein Blick hat mich ermuntert, dir meine Liebe zu gestehen. Es war nicht ganz einfach für mich, du grausame kleine Person. Wirst du verwöhntes Stadtkind es nun auch auf die Dauer aushalten auf der einsamen Wettersburg?«
»Dummer Kerl«, lachte sie nun unter Tränen. »Du hast anscheinend keine Ahnung, wie sehr ich dich liebe – dich, die Wettersburg mit allem, was darin lebt. Was wird nun aber bloß unser Möpschen sagen –?«
»Wahrscheinlich: Somit wäre alles in bester Ordnung«, lachte er übermütig. »Denn sie war es ja, die meiner Mutter, die ihr das Herz ausschüttete, reinen Wein einschenkte. Daher konnte ich dich siegessicher hierher locken und dich wie ein Raubritter überfallen. Wie lieb du in die Falle gegangen bist, du sonst so kluges Kind.«
»Gutes Möpschen –«, sagte sie. »Nun wird mir alles klar.«
Doch dann lachte sie auf, so herzbetörend frisch und froh, daß er sie überwältigt vor Glück in seine Arme schloß.
»Almut, du süßes, holdes Kind. Närrisch könnte ich werden vor Freude –!«
»Dann bitte nicht hier, wo ich keine Zwangsjacke zur Hand habe«, blitzte sie ihn mutwillig an. »Laß uns nach Hause reiten–. Nach Hause –«, wiederholte sie glücklich. »Nun wird die Wettersburg mein Zuhause. Lieber Gott, ich danke dir, daß du ein Wunder geschehen ließest –«
Er nahm ihre Hände, die sie über der Brust verschlungen hielt, und drückte sie an seine Augen, die naß wurden unter dem heißen Gefühl, das ihm fast die Brust sprengte.
»Komm jetzt, du, mein Liebstes. Vater hat gewünscht, daß dein goldiges Lachen in die Feiertagsglocken klingen möge.« –
So war es auch. Gerade, als Almut an Marbods Arm die Terrasse betrat, wo ihnen drei Augenpaare gerührt entgegensahen, tönten die Glocken von der Burgkapelle – in sie hinein klang das glückliche Lachen, das die Augen feucht werden ließ allen denen, die es hörten.
Auch die Stephans, der in der Terrassentür stand.
An den wandte sich Almut zuerst: »Stephan, sind Sie zufrieden mit der Wahl des Herrn Grafen?«
Eine Träne stahl sich unter der Wimper hervor, das sonst so unbewegliche Antlitz zuckte, die Stimme bebte.
»Wir sind nicht nur zufrieden – wir sind glücklich über die schönste Herrin der Wettersburg.«
Nachdem er sich noch ehrerbietig über die Mädchenhand geneigt hatte, ging er