Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Hoxter
Издательство: Bookwire
Серия: Judaika
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843800242
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      »Gajus Julius, Praetor und Konsul der Römer, an den Magistrat, den Senat und das Volk von Paros. Die Juden in Delos und einige der jüdischen Mietwohner sind in Gegenwart eurer Gesandten bei mir vorstellig geworden und haben angezeigt, dass ihr sie durch Verordnungen hindert, ihre althergebrachten Gebräuche und ihren Gottesdienst zu vollziehen. Es hat mein Missfallen erregt, dass ihr solche Bestimmungen gegen unsere Freunde und Bundesgenossen erlasst und ihnen verbietet, nach ihren Gesetzen zu leben und Geld zu gemeinsamen Mahlen wie zum Gottesdienste beizutragen, besonders da ihnen dies noch nicht einmal in Rom untersagt ist. Denn unser Praetor und Konsul Gajus Caesar hat, als er die Verordnung erließ, durch welche alle Versammlungen in der Stadt Rom verboten wurden, jene Zusammenkünfte, Geldsammlungen und Veranstaltungen von Gastmahlen ausdrücklich von dem Verbote ausgenommen. Ebenso gestatte auch ich, obgleich ich alle sonstigen Versammlungen verbiete, den Juden allein, sich nach den Sitten und Gebräuchen ihrer Väter zu versammeln und dabei zu verbleiben. Es ist daher erforderlich, dass ihr alle gegen unsere Freunde und Bundesgenossen erlassenen Verordnungen wegen ihrer Verdienste um uns und ihrer Treue sogleich aufhebt.«

      (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XVI, 5.)

      Man muss sich nun wohl darüber wundern, dass bei Herodes so verschiedene Eigenschaften in einem und demselben Charakter vereinigt waren. Wenn man nämlich die Freigebigkeit und Wohltätigkeit in Erwägung zieht, die er allen Menschen gegenüber bewies, so kann auch selbst der, welcher nicht besonders auf ihn zu sprechen ist, nicht leugnen, dass er von Natur überaus gutherzig war. Betrachtet man dann aber die Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit, womit er seine Untergebenen und seine nächsten Verwandten behandelte, und bedenkt man die Härte und Unbeugsamkeit seines Gemütes, so muss man allerdings gestehen, dass er ein allem menschlichen Empfinden abgeneigtes Ungeheuer war. Daher sind die meisten der Ansicht, er habe mit sich selbst in Widerspruch und Zwiespalt gelebt. Ich dagegen glaube, dass die beiden so grundverschiedenen Richtungen seines Charakters auf eine und dieselbe Ursache zurückzuführen sind. Da er nämlich sehr ehrgeizig und dieser Leidenschaft ganz ergeben war, neigte er zu prunksüchtiger Freigebigkeit, sobald er hoffen konnte, augenblickliche Anerkennung oder besonderen Nachruhm zu finden. Weil aber seine Ausgaben ihm schließlich über den Kopf wuchsen, war er genötigt, gegen seine Untertanen hart und grausam aufzutreten. Denn was er den einen mit vollen Händen zuteilte, musste er von anderen wieder erpressen. Da er nun wohl einsah, dass er sich um seiner Ungerechtigkeit willen den Hass seiner Untertanen zugezogen hatte und nicht imstande war, seine Fehler abzulegen, ohne seine Einkünfte zu vermindern, so suchte er eben diese üble Gesinnung des Volkes zur Vermehrung seines Vermögens zu benutzen. Und was seine Angehörigen betrifft, so war sein Benehmen gegen sie nicht minder ungerecht. Sprach einmal einer von diesen nicht so, wie er es gern hörte, oder wollte jemand sich ihm nicht sklavisch unterordnen, oder geriet einer in den Verdacht, etwas gegen ihn ins Werk setzen zu wollen, so verfolgte er mit der Zügellosigkeit seiner Leidenschaft Freunde und Verwandte nicht anders, als man Todfeinde zu verfolgen pflegt, und zwar aus dem Grunde, weil er allein geehrt sein wollte. Wie heftig diese Leidenschaft war, kann man aus den Ehren ersehen, die er dem Caesar, dem Agrippa und seinen anderen hohen Freunden erwies. Wie er nämlich Mächtigere ehrte, so wollte er auch selbst geehrt sein, und seine eigenen großen Aufwendungen in diesem Punkte bewiesen klar, dass er auf gleiche Behandlung von anderer Seite rechnete. Das jüdische Volk aber war seinen Gesetzen zuliebe allen derartigen Veranstaltungen abhold und gewöhnt, Recht und Gerechtigkeit höher als eitlen Ruhm zu schätzen. Daher kam es, dass die Juden vor ihm keine Gnade fanden; sie verstanden es eben nicht, durch Errichtung von Bildsäulen, Tempeln und ähnlichen Bauwerken dem Ehrgeiz ihres Königs zu schmeicheln. Darin scheint mir der Grund zu liegen, weshalb Herodes seine Angehörigen und Freunde so schlecht behandelte, während er die Auswärtigen und Fremden mit Wohltaten zu überhäufen suchte.

      (Talm. Babl. Trakt. Sabbat 30 b und 31 a. – Aussprüche vgl. XII, e.)

      Die Rabbanan lehrten: Stets sei der Mensch sanftmütig wie Hillel und nicht jähzornig wie Schammai. Es ereignete sich einst, dass zwei Männer eine Wette eingingen; sie sprachen nämlich, wer da hingeht und den Hillel erzürnt, der erhält vierhundert Sus. Da sprach der eine: »Ich bringe ihn in Zorn.« Es war gerade am Vorabend des Sabbats, und Hillel reinigte den Kopf. Er ging alsdann hin, trat vor seine Türe und fragte: »Ist Hillel da? ist Hillel da?« Dieser hüllte sich in seinen Mantel, trat ihm entgegen und sprach zu ihm: »Mein Sohn, was ist dein Begehr?« Jener erwiderte: »Ich habe eine Frage an dich zu richten.« Dieser sprach: »Frage, mein Sohn.« Da fragte jener: »Weshalb sind die Köpfe der Babylonier rund?« Dieser erwiderte: »Mein Sohn, du hast eine wichtige Frage gestellt; – weil sie keine klugen Hebammen haben.« Er ging fort und wartete eine Zeit, dann kam er wieder und fragte: »Ist Hillel da? ist Hillel da?« Dieser hüllte sich in seinen Mantel, trat ihm entgegen und sprach zu ihm: »Mein Sohn, was ist dein Begehr?« Jener erwiderte: »Ich habe eine Frage an dich zu richten.« Dieser sprach: »Frage, mein Sohn.« Da fragte jener: »Weshalb haben die Tadmorenser trübe Augen?« Dieser erwiderte: »Mein Sohn, du hast eine wichtige Frage gestellt; – weil sie in sandiger Gegend wohnen.« Er ging fort und wartete eine Zeit, dann kam er wieder und fragte: »Ist Hillel da? ist Hillel da?« Dieser hüllte sich in seinen Mantel, ging ihm entgegen und fragte: »Mein Sohn, was ist dein Begehr?« Jener erwiderte: »Ich habe eine Frage an dich zu richten.« Dieser sprach: »Frage, mein Sohn.« Da fragte er: »Weshalb sind die Füße der Afrikaner platt?« Dieser erwiderte: »Mein Sohn, du hast eine wichtige Frage gestellt; – weil sie in sumpfiger Gegend wohnen.« Darauf sprach jener: »Ich habe noch viele Fragen zu richten, allein ich fürchte, du könntest zornig werden.« Hillel setzte sich nieder und sprach zu ihm: »Alle Fragen, die du noch hast, kannst du vorbringen.« Da sprach jener: »Bist du der Hillel, den man Fürst Israels nennt?« Dieser erwiderte: »Jawohl.« »Wenn du es bist, so möge es in Israel nicht viele deinesgleichen geben!« »Warum nicht, mein Sohn?« »Weil ich durch dich vierhundert Sus verloren habe.« Da sprach Hillel: »Sei vorsichtig, Hillel ist imstande, dass du durch ihn vierhundert Sus und noch vierhundert Sus verlierst, Hillel aber ist nicht in Zorn zu bringen.«

      Die Rabbanan lehrten: Einst trat ein Heide vor Schammai und sprach zu ihm: »Wieviel Gesetzeslehren habt ihr?« Dieser erwiderte: »Zwei, eine schriftliche und eine mündliche.« Da sprach jener: »Die schriftliche Gesetzeslehre glaube ich dir, die mündliche glaube ich dir nicht; nimm mich in das Judentum auf unter der Bedingung, dass du mich nur die schriftliche Gesetzeslehre lehrst.« Schammai schrie ihn an und entließ ihn mit einem Verweis. Darauf trat er vor Hillel, und dieser nahm ihn auf. Am ersten Tag lehrte er ihn Aleph, Bet, Gimel, Dalet; am folgenden Tag aber lehrte er ihn umgekehrt. Da sprach jener: »Gestern hast du mich ja nicht so gelehrt!« Dieser erwiderte: »Wenn du dich auf mich verlassen musst, so verlasse dich auf mich auch bezüglich der mündlichen Gesetzeslehre.«

      Wiederum ereignete es sich, dass ein Heide vor Schammai trat und zu ihm sprach: »Nimm mich in das Judentum auf unter der Bedingung, dass du mich die ganze Gesetzeslehre lehrst, während ich auf einem Fuß stehe.« Da stieß er ihn mit der Elle, die er in der Hand hatte, fort. Darauf kam er zu Hillel. Dieser nahm ihn auf und sprach zu ihm: »Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht; das ist die ganze Gesetzeslehre, alles andere ist nur die Erläuterung, gehe und lerne (sie).«

      Eines Tages ging ein Heide an einem Lehrhaus vorüber und hörte einen Bibellehrer folgende Stelle vorlesen: »Dies sind die Kleider, die sie anfertigen sollen: Brustschild, Schultergewand.« Da fragte er: »Für wen sind diese?« Man erwiderte ihm: »Für den Hohenpriester.« Da dachte der Heide bei sich: Ich gehe und lasse mich in das Judentum aufnehmen, auf dass man mich zum Hohenpriester einsetze. Darauf kam er vor Schammai und sprach: »Nimm mich in das Judentum auf unter der Bedingung, dass du mich zum Hohenpriester einsetzest.« Da stieß er ihn mit der Elle, die er in der Hand hatte, fort. Er kam darauf zu Hillel, und der nahm ihn auf. Alsdann sprach er zu ihm: »Setzt man etwa einen König ein, bevor er die Regierungsordnung kennt? Gehe und lerne die Regierungsordnung.« Er ging und