Die Religionsstifter. Walter Vogel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Walter Vogel
Издательство: Bookwire
Серия: marixwissen
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783843802406
Скачать книгу
2,2–10

      Bereits Romulus und Remus wurden der Legende nach in einer Zinkwanne bzw. laut einer anderen Überlieferung in einem Korb auf einem Fluss (Tiber) ausgesetzt, ehe sie gerettet wurden. Auch Sargon von Akkad, ein bedeutender Herrscher, der um 2300 v. Chr. lebte, soll in einem Schilfkörbchen auf einem Fluss (Euphrat) ausgesetzt und gerettet worden sein:

       Sargon, der mächtige König von Akkad bin ich, meine Mutter war eine Vestalin, meinen Vater kannte ich nicht … im Verborgenen gebar sie mich. Sie legte mich in ein Gefäß von Schilfrohr, verschloss mit Erdpech meine Türe und ließ mich nieder in den Strom, welcher mich nicht ertränkte. Der Strom führte mich zu Akki, dem Wasserschöpfer. Akki, der Wasserschöpfer, als seinen eigenen Sohn zog er mich auf …

      Lehmann, S. 26.

      Des Weiteren findet sich das Motiv des Ausgesetzt-Werdens – wenn auch nicht immer mit einem Fluss verbunden – bei Gilgamesch, bei Ödipus, beim Perserkönig Kyros usw.

      Was ist nun der wahre Kern der Erzählung von der Errettung des Mose? Vergleicht man die biblische Errettungsgeschichte mit ähnlichen außerbiblischen Schilderungen, so fällt eine Gemeinsamkeit auf: In der Regel handelte es sich um bedeutende Personen, von denen nur ihr Lebenswerk überliefert ist, über deren Herkunft oder Kindheit aber wenige bis keine Angaben tradiert wurden. Um die Biografie dieser Personen zu vervollständigen bzw. um deren Werke schon durch deren Herkunft oder Erwählung zu legitimieren, sind in späteren Jahren diese legendenhaften Kindheitsgeschichten entstanden.

      Es ist nicht anzunehmen, dass Mose als Kind wirklich auf dem Nil ausgesetzt worden war. Tatsache scheint jedoch zu sein, dass der Mann, der die Israeliten aus Ägypten herausführte, im Hause des Pharao oder zumindest in einem vornehmen, ägyptischen Haus aufwuchs. Ob er, wie der biblische Bericht aussagt, hebräische Wurzeln hatte, ist nicht gesichert.

       Kindheit und Berufung

      Die Familie des Mose findet im Pentateuch mehrfache Erwähnung. Amran aus dem Stamm Levi war sein Vater, welcher seine Tante Jochebed ehelichte (Ex 6,20). Diese war eine Tochter Levis und wurde in Ägypten geboren (Num 26,59). Mose hatte zwei Geschwister: Den um drei Jahre älteren Aaron (Ex 7,7) sowie eine ebenfalls mehrere Jahre ältere Schwester namens Mirjam (Ex 2,4; Ex 15,20 u. a.).

      Über seine Kindheit berichtet die Bibel – abgesehen von der Errettungsgeschichte – nichts. Über die Zeit als junger Erwachsener ist nachfolgendes Ereignis überliefert:

      Mose sah, wie ein Ägypter einen Hebräer schlug, einen seiner Stammesbrüder. Mose sah sich nach allen Seiten um, und als er sah, dass sonst niemand da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand.

      Ex 2,11 f.

      Auf diese Bluttat stand die Todesstrafe, weswegen Mose zur Flucht gezwungen war. Auch zu dieser Geschichte finden sich auffallende Parallelen in der antiken Literatur: Die bekannteste dieser Erzählungen ist lange vor Mose Lebenszeit zu datieren und handelt vom ägyptischen Hofbeamten Sinuhe. Dieser floh nach einem Attentat auf den ägyptischen König Amenemhet I. (20. Jh. v. Chr.) nach Palästina, da man ihn für den Tod des Königs verantwortlich gemacht hatte und ihn deshalb auch anklagen wollte. In Palästina lebte er viele Jahre, gründete eine Familie, war aber voller Sehnsucht nach seiner Heimat. Viele Jahre später, nachdem seine Unschuld erwiesen war, kehrte er schließlich wieder nach Ägypten an den Hof zurück.

      Ebenso wie Sinuhe floh auch Mose Richtung Osten. Die Bibel berichtet von einem langen Aufenthalt in Midian am Ostufer des Golfes von Eilat, also im heutigen Grenzgebiet zwischen Jordanien und Saudi-Arabien bzw. im Nordwesten Saudi-Arabiens. Möglicherweise führte Mose seine Flucht auch in das Gebiet des heutigen Sinai, denn in Ex 3,1 wird berichtet, wie ihm Gott beim Berg Horeb (Ex 3,1) erschien.

      In Midian heiratete Mose Zippora (Ex 2,21), eine der sieben Töchter des Priesters von Midian. Mosis Schwiegervater ist in den biblischen Berichten mit mehreren Namen überliefert: Jitro (Ex 3,1), Reguel (Ex 2,18) und Hobab (Ri 4,11). Zippora gebar Mose zwei Söhne: Gerschom und Eliëser (Ex 18,3 f.).

      Num 12,1 erzählt, wie Mirjam und Aaron mit Mose über dessen kuschitische Frau sprechen. Diese sonst in der Bibel nirgends erwähnte Kuschitin kann unmöglich Zippora sein, denn das Land Kusch bzw. Nubien (Kusch ist das ägyptische Wort für Nubien) lag südlich von Ägypten, annähernd im heutigen Bereich des Assuanstaudammes. Schenkt man der Aussage im Buch Numeri Glauben, war Mose mit „einer Angehörigen aus einem ursprünglich äthiopiden, heute stark mit Sudannegern vermischten Stamm“ (Lehmann, S. 36) verheiratet. Ob bzw. wie diese beiden Berichte zusammenpassen, kann heute nicht mehr geklärt werden. Es spricht einiges für die These, Mose hätte tatsächlich eine Kuschitin geehelicht.

      Mosis Söhne spielen ebenso wie seine Eltern und seine Frau in der Bibel keine weitere Rolle. Auch gibt es keine Berichte über weitere Nachkommen.

      Nach biblischem Bericht lebte Mose viele Jahre als Schaf- und Ziegenhirte in Midian. Laut der Angabe in Ex 7,7, war er bei seiner Berufung bereits 80 Jahre alt. Diese Zahl bedarf im Sinne der biblischen Symbolsprache allerdings einer Interpretation. 80 steht für zweimal 40, also zweimal die vollkommene Zahl: 40 Tage dauerte die Sintflut; Isaak nahm im Alter von 40 Jahren Rebekka zur Frau; ebenso alt war Esau bei der Hochzeit mit Jehudit; 40 Jahre zog das Volk der Israeliten durch die Wüste; Mose war 40 Tage lang auf dem Berg Horeb; Kaleb war 40 Jahre alt, als ihn Mose aussandte, das Land zu erkunden; unter Otniël, dem Bruder Kalebs, war 40 Jahre lang Friede, 40 Jahre lang war David König über Israel; ebenso lang regierte König Joasch usw.

      Wenn man davon ausgeht, dass Menschen damals maximal 80 Jahre alt geworden sind (Ps 90,10 spricht davon) und man von diesem Alter 30 bis 40 Jahre abzieht, in denen Mose mit den Israeliten durch die Wüste zog, dann dürfte er bei seiner Berufung zwischen 40 und 50 Jahre alt gewesen sein:

       Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?

      Ex 3,2 f.

      Mose war anscheinend nicht allein unterwegs, als er den brennenden Dornbusch sah. Sonst hätte er nicht sagen können, dass er dorthin gehen und nachschauen werde. Der Bericht im Koran weicht von der biblischen Erzählung ab: Mose sprach hier zu seinen Angehörigen, er werde hingehen und ihnen ein Stück Glut von dem Feuer mitbringen, damit sie sich daran wärmen könnten (Sure 27,7).

      Im Pentateuchbericht folgt jetzt das erste Gespräch zwischen Mose und Gott:

       Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen. Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. … Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!

      Ex 3,4–10

      In weiterer Folge nennt Gott auf Moses Frage hin seinen Namen:

      Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der „Ich-bin-da“. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der „Ich-bin-da“ hat mich zu euch gesandt. Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so