Der Löwe von Flandern. Hendrik Conscience. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hendrik Conscience
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066117603
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von Flandern auf der Brust? Was bedeutet das?“

      Châtillon ritt heran und antwortete:

      „Es ist die Tochter des Herrn van Bethune, sie heißt Machteld.“

      Dabei legte er seinen Finger auf den Mund, um der Königin Verstellung und Schweigen anzuraten. Sie verstand und gab ihre Zustimmung durch ein Lächeln zu erkennen, ein Lächeln voll grausamer Falschheit und häßlicher Rachsucht.

      Wer in diesem Augenblick den Vorsteher der Weber beobachtete, der konnte sehen, wie starr sein einziges Auge auf die Königin gerichtet war; kein Fältchen war auf ihrer Stirn erschienen und verschwunden, das De Coninck nicht bemerkt hätte. In ihren wechselnden Zügen hatte er ihren Zorn, ihre Absichten und Pläne gelesen. Schon wußte er, daß Châtillon der Vollstrecker ihrer Befehle sein sollte, und sann sofort auf Mittel, der List und Gewalt dieser Feindin zu begegnen.

      Bald darauf stieg das Fürstenpaar ab und nahm auf dem Schaugerüst Platz. Die Edelknaben und Hofdamen stellten sich in zwei Reihen auf die Stufen, die edlen Ritter scharten sich hoch zu Roß um das Gerüst. Als alle die bestimmten Plätze eingenommen hatten, traten die Herren vom Magistrat mit den Jungfrauen als den Vertreterinnen der Stadt Brügge vor und überreichten auf einem kostbaren Sammetkissen die Schlüssel der Stadt. Gleichzeitig stießen die Engel wieder in ihre Posaunen, und die Leliaerts riefen abermals: „Es lebe der König! Es lebe die Königin!“

      Totenstille herrschte unter den Bürgern; sie schienen sich absichtlich so ruhig zu verhalten, um ihre Unzufriedenheit um so deutlicher zu zeigen, und erreichten auch vollkommen ihren Zweck; denn Johanna bedachte schon in ihrem beleidigten Herzen, wie sie am besten diese unehrerbietigen Untertanen bestrafen und ducken könnte.

      König Philipp der Schöne empfing in seiner Sanftmut den Magistrat mit größtem Wohlwollen und gelobte, für die Wohlfahrt Flanderns nach Möglichkeit zu sorgen. Dieses Versprechen war aufrichtig gemeint. Er war ja ein edelmütiger Fürst und ehrenhafter Ritter und hätte vielleicht in Frankreich wie in Flandern seine Untertanen glücklich gemacht, wenn nicht zwei Ursachen die Ausführung seiner guten Vorsätze verhindert haben würden. Die erste und schlimmste war die Herrschaft seiner stolzen Frau Johanna. Hatte Philipp der Schöne etwas Gutes im Sinn, so lenkte sie ihn wie ein böser Geist zum Schlechten und zwang ihn, all ihre verderblichen Pläne gutzuheißen. Dazu kam die Verschwendung, die ihn zu allen Mitteln, guten wie schlechten, greifen ließ, um das vergeudete Geld zu ersetzen. Wohl meinte er es jetzt aufrichtig gut mit Flandern, aber was nützte das, da doch Johanna darüber schon anders beschlossen hatte?

      Nachdem die Schlüssel überreicht waren, lieh der König noch einige Zeit der Ansprache des Magistrats ein gnädiges Ohr und verließ dann den Thron. Alles stieg zu Pferde, und langsam ritt der Zug durch die übrigen Straßen der Stadt, bis zum Prinzenhof, wo sie einkehrten, um hier mit den vornehmsten Herren und Leliaerts das Mittagmahl einzunehmen.

      Derweile kehrten die Zunftgenossen heim, und das Fest nahm sein Ende.

      Abends, als die Gäste längst fort waren, saß die Königin Johanna allein mit ihrer Kammerfrau in ihrem Schlafgemach. Schon hatte sie einen großen Teil der lästigen Prachtgewänder abgelegt und war noch damit beschäftigt, sich ihrer Schmuckstücke zu entledigen. Ihre Hast und der unzufriedene Ausdruck ihrer Züge verrieten die größte Ungeduld. Die Kammerfrau mußte heftige Worte hören und alles, was sie tat, trug ihr scharfen Tadel ein. Halsband und Ohrgehänge flogen wie wertloses Zeug umher.

      Dann schritt sie in weißem Nachtgewand, tief in Gedanken im Zimmer auf und ab. Sie hatte nicht die mindeste Lust zu schlafen, und ihre flammenden Augen irrten wild umher. Die Kammerjungfer näherte sich der Fürstin mit liebenswürdiger Ehrerbietung und fragte:

      „Beliebt es Eurer Majestät noch länger zu wachen, und soll ich einen größern Leuchter mit mehr Wachslichtern herbeiholen?“

      Ungestüm erwiderte die Königin:

      „Es ist hell genug. Quält mich nicht mit Euren lästigen Fragen und laßt mich allein. Wartet im Vorsaal auf meinen Oheim de Châtillon – er soll gleich kommen! Geht!“

      Während die Kammerjungfer dem groben Befehl Folge leistete, setzte sich Johanna an einen Tisch und ließ den Kopf auf die Hand niedersinken. In dieser Stellung verharrte sie einige Augenblicke: sie gedachte, wie man ihrer gespottet hatte. Dann stand sie auf, schritt hastig mit heftigen Gebärden im Zimmer auf und ab. Endlich sprach sie mit gedämpfter Stimme:

      „Wie! Ein kleines erbärmliches Volk sollte mich, die Königin der Franzosen, verhöhnen dürfen? Ein trotziges Mädchen wagt es, meinen Blick zu erwidern? Das ist Hohn!“ Tränen des Zornes rollten über ihre glutroten Wangen.

      Plötzlich warf sie den Kopf zurück und lachte tückisch wie ein böser Geist. Dann fuhr sie fort:

      „Wartet nur, ihr aufgeblasenen Vlaemen, ihr kennt Johanna von Navarra noch schlecht; ihr wißt nicht, wie schrecklich ihre Rache euch treffen kann. Ruht und schlaft nur ohne Bangen in eurer Vermessenheit; ich weiß euch zu foltern! Tränen sollt ihr vergießen, schmerzhaft sollt ihr meine Hand fühlen! Ja, ihr sollt meine Macht kennen lernen! Kriechen sollst du und winseln, vermessenes Volk! Und ich werde euerm Flehen taub sein. Mit Wonne werde ich eure stolzen Häupter mit Füßen treten. Vergebens sollt ihr weinen und jammern, Johanna von Navarra ist unerbittlich – das wißt ihr noch nicht.“

      Jetzt vernahm sie die Schritte der Kammerjungfer im Vorzimmer. Aufgeregt eilte die Fürstin zum Spiegel und änderte ihre ganze Haltung; sie glättete ihre Züge, alle Erregung schien geschwunden. In der Kunst der Verstellung, der größten Untugend der Frauen, war Johanna von Navarra Meisterin.

      Alsbald trat Châtillon in das Zimmer und beugte ein Knie vor der Königin.

      „Herr von Châtillon,“ sprach sie, und hob ihn mit der Hand empor, „Ihr scheint auf meine Wünsche nicht viel Wert zu legen. Habe ich Euch nicht vor zehn Uhr hierher beschieden?“

      „Es ist wahr, Madame, aber der König, mein Herr, hielt mich wider meinen Willen zurück. Seid versichert, durchlauchtigste Nichte, daß ich auf glühenden Kohlen gestanden habe; ich brannte, Eurem königlichen Befehl Folge zu leisten.“

      „Eure Ergebenheit freut mich; ich beabsichtige auch, Euch heute für Eure treuen Dienste zu belohnen.“

      „Gnädige Fürstin, es ist schon eine hohe Gnade für mich, Eurer Majestät folgen und dienen zu dürfen. Laßt mich Euch überall begleiten. Ein anderer Untertan mag höheren Ämtern nachjagen; für mich ist Eure huldreiche Gegenwart das größte Glück; weiter verlange ich nichts.“

      Die Königin lächelte und sah mißbilligend auf den Schmeichler; denn sie durchschaute, wie sehr sein Herz seine Worte Lügen strafte. Dann sagte sie mit Nachdruck zu ihm: „Und wenn ich Euch das Land Flandern zu Lehen geben wollte?“

      Châtillon, der solches Anerbieten nicht erwartet hatte, bereute sofort seine Worte; er wußte im ersten Augenblick nicht, was er antworten sollte. Doch sammelte er sich schnell und sprach:

      „Falls Eure Majestät mich gnädigst mit soviel Vertrauen beehren wollte, wie dürfte ich es da wagen, mich Eurem königlichen Willen eigensinnig zu widersetzen. In dankbarer Ergebenheit würde ich diese hohe Gunst hinnehmen und Eure großmütige Hand mit ehrerbietiger Liebe küssen.“

      „Hört, Herr von Châtillon,“ rief die Königin ungeduldig, „ich beabsichtige nicht, Eure Höflichkeit auf die Probe zu stellen; deshalb wäre es mir lieber, wenn Ihr Eure Redensarten ließet und offen reden würdet! Denn Ihr könnt mir doch nichts sagen, was ich nicht besser wüßte. Was dünkt Euch von meinem Einzug hier? Hat Brügge nicht die Königin von Navarra über die Maßen herrlich empfangen?“

      „Ich bitte Euch, durchlauchtige Nichte, laßt diese bittern Scherze. Mir ist der Hohn, der Euch zuteil ward, furchtbar nahe gegangen; ein schlechtes, verächtliches Volk hat Euch offen getrotzt und Eure Würde mit Füßen getreten. Doch bekümmert Euch nicht darüber. Es fehlt uns ja nicht an Mitteln, die vermessenen Untertanen zu bändigen und zu zähmen.“

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