»Ganz ruhig, Mann. Ich hab etwas, das Sie wollen; vielleicht haben Sie was, das ich will. Ich bitte Sie nur um ein Gespräch.«
»Ich habe nichts, das Ihnen gehört.«
Sarah sah über Daniels Schulter. Eine Gruppe Männer kam über den Weg auf sie zu. Drei unangeleinte Hunde begleiteten sie. »Wir haben Gesellschaft.«
Ehe sich Daniel umdrehen konnte, sagte einer der Männer etwas zu einem Hund, der bellend auf den Truck zurannte. Er stürzte sich auf Daniel und biss ihm in den Knöchel. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es eine schlimme Attacke. Der Hund sprang nach oben, schnappte mit dem Maul, und ein zweiter Hund fiel ein. Daniel schwang eine Tasche nach ihnen. »Rufen Sie sie verdammt noch mal zurück!«
Einer der Männer, ein kleiner, stämmiger Kerl mit raspelkurzen Haaren und einer schwarzen Panoramasonnenbrille, schnippte mit den Fingern und die Hunde flitzten davon. »Was ist hier los?«
Der Kachina-Schnitzer zeigte auf Daniel. »Dieser Mann hat einen heiligen Hopi-Gegenstand in seinem Besitz.«
Der kräftige Kerl näherte sich. »Diese Kachina ist sehr selten. Einzigartig. In unserem Stamm gilt es als ernstes Verbrechen, etwas von solchem Wert an sich zu nehmen.«
»Hören Sie, ich hab sie nicht genommen, okay?« Daniel hob die Stimme ein wenig. »Ich hab sie hundert Meilen die Straße rauf gefunden, in der Nähe des Zimmers eines Mädchens, das verschwunden ist. Ich will wissen, wie sie da hingekommen ist.«
»Hundert Meilen die Straße rauf ist kein Hopi-Land mehr. Das verhandeln Sie besser mit einem anderen Stammesrat.« Der Mann rückte seine Sonnenbrille zurecht. »Ich interessiere mich nur für Hopi-Besitz. Ich empfehle ihnen, den zurückzugeben.«
Sarah bemerkte, dass sich ein Schweißfilm auf Daniels Stirn bildete. Er war in die Ecke gedrängt worden. Man hatte sie reingelegt.
»Ich gebe sie zurück. Aber nicht, bevor ich nicht mit ihrem rechtmäßigen Besitzer gesprochen habe.«
»Ich wiederhole: Zu wissen, dass etwas gestohlen wurde, und es nicht zurückzugeben, ist ein schweres Vergehen. Ich werde Sie festnehmen müssen.« Er winkte den anderen beiden Männern zu.
Ein Aufnäher am Ärmel eines marineblauen Hemds identifizierte einen der Männer als Hopi-Polizist. Sein Bauch war so rund, dass sich die Knöpfe spannten, um das Hemd zusammenzuhalten. Er näherte sich Daniel und streckte eine Hand aus. »Folgen Sie mir, Sir.«
»Er hat nichts Unrechtes getan«, sagte Sarah. »Dazu haben Sie kein Recht.«
Daniel hielt eine Hand in die Höhe. »Nein, Sarah. Ich gehe mit. Ich hab nichts zu verbergen.«
»Danny …«
»Lass ihn gehen, Martin.«
Alle drehten sich in die Richtung der Stimme. Ein junger Mann stand am Ende des Wegs, die Hände in den Taschen. Sein langes schwarzes Haar wehte im Wind.
»Ich kenne diese Leute«, sagte er. »Sie wollen nichts Böses.«
Der Polizeibeamte warf seinem Boss einen Blick zu, der mit einem Nicken seine Zustimmung signalisierte, Daniel loszulassen.
»Wie du meinst, Tocho.« Der Boss wandte sich an Daniel. »Den Sohn des Chiefs zu kennen hat Ihnen dieses Mal aus der Klemme geholfen. Aber wir behalten Sie im Auge.«
Die drei Männer gingen davon und der Schnitzer zog sich ins Innere des Betonsteinhauses zurück. Daniel und Sarah näherten sich Tocho.
»Danke, Mann«, sagte Daniel. »Warum hast du das getan?«
»Ich hab zufällig gehört, wie Sie sagten, dass das Mädchen vermisst wird. Das sind schlechte Neuigkeiten.«
»Was meinst du?«, fragte Sarah.
»Das kann ich jetzt nicht besprechen. Ich bin spät dran zur Feldarbeit.« Tocho nickte zum Rand des Tafelbergs und zum Tal darunter. »Wir treffen uns dort in einer halben Stunde. Dort kann ich offener sprechen.« Er stemmte sich in den auffrischenden Wind und folgte den Steinstufen hinunter ins Tal.
Tocho war unten im Trockenbett, wo er neben einer der jungen Pflanzen hockte. Er behandelte die Blätter mit einer Ehrfurcht, die nur jene verstehen konnten, die das Land bestellten und Leben aus der Erde lockten.
Sarah betrachtete das flache, dürre Land am Fuß des Tafelbergs. Mais und Bohnen waren in weit auseinanderstehenden Reihen angepflanzt, vermutlich, um jeder einzelnen wertvollen Pflanze die beste Überlebenschance unter den trockenen Umständen zu geben. Für jeden, der fruchtbares Ackerland gewohnt war, schien es unmöglich, dass nahrhafte Feldfrüchte aus dem Wüstenstaub wachsen konnten.
Sarah näherte sich ihm von hinten. »Sieht aus, als bekommt ihr eine gute Ernte«, sagte sie.
Er stand auf und wischte sich die Hände an der Rückseite eines karierten Hemds ab. »Wir werden sehen. Wir betrachten das nie als selbstverständlich.« Er bot Daniel die Hand an. »Ich bin Tocho. Vom Raven-Clan.«
»Daniel Madigan. Ich glaube, du hast meine Partnerin, Sarah Weston, schon kennengelernt.«
Tocho wandte sich an Sarah. »Ist das Mädchen Ihre Tochter?«
»Nein«, sagte sie. »Wir kümmern uns nur für eine Weile um sie.«
»Sie ist voller Sorgen.« Tocho sah zur Sonne. Seine straffe Haut hatte die Farbe und den Glanz von neuem Kupfer.
»Ja. Und jetzt ist sie verschwunden.«
»Und Sie glauben, dass sie hier ist? Sind Sie deshalb hergekommen?«
Daniel trat einen Schritt vor. »Ein Zeuge sagte, dass sie in einen Truck eingestiegen ist, der jemandem aus dem Stamm der Hopi gehört. Und dann war da das hier.« Er hielt die Roadrunner-Kachina in die Höhe.
»Lassen Sie mich raten.« Er warf Sarah einen Blick zu. »Der Navajo-Kerl, mit dem Sie im Canyon geritten sind.«
Sarah blieb stumm.
»Sie sollten nicht jedem glauben. Die Menschen hier haben Geheimnisse. Absichten.« Tocho starrte den Gegenstand in Daniels Hand an. »Die wurde meinem Volk vor Jahren gestohlen. Wir fanden nie heraus, wer sie genommen hat. Und jetzt taucht sie dort auf, wo ein Kind verschwindet. Wer immer sie dort hingelegt hatte, wollte uns entweder darin verwickeln …«
»Oder uns von der richtigen Spur abbringen«, sagte Daniel.
»Hören Sie, ich bin kein Detektiv. Ich bin ein einfacher Farmer.« Er bückte sich, um eine Hacke aufzuheben. »Wenn Sie jetzt nichts dagegen haben …«
Sarah unterbrach ihn. »Ich denke, du weißt mehr, als du verrätst. Ich weiß, dass du und dein Volk uns nicht vertraut, aber das Leben eines Mädchens ist in Gefahr. Hilfe anzubieten liegt doch bestimmt innerhalb eures Sittenkodex.«
Er grub die Hacke in den Boden. »Sie sollten gehen.«
Sarah beugte sich nahe zu seinem Gesicht und sprach leise. »Was ist an jenem Tag im Blue Canyon passiert, Tocho?«
Er presste die Lippen zusammen. »Sie wurde auserwählt. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Auserwählt wozu?«
»Das würden Sie nicht …«
»Verstehen? Gib mir eine Chance.«
»Sie erhielt eine Nachricht aus der Geisterwelt.«
»Hat sie dir erzählt, welche das war?«
»Sie hat vieles gesagt, aber nichts davon verstanden. Ich habe sie gewarnt, den Vorfall für sich zu behalten. So ist es sicherer für sie.«
Phoebe hatte das Geheimnis mit Nakai geteilt. Das hatte gereicht, um sie in Gefahr zu bringen. »Ich weiß, dass diese Legenden etwas sehr Persönliches für dein Volk sind, aber kannst du uns irgendwas verraten, das uns hilft, sie zu finden?«
»Unser