Die Träger des deutschen Idealismus. Rudolf Eucken. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Eucken
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066113780
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sich innerhalb des Erdenlebens unmöglich erfüllen läßt, ein schlechthin Unmögliches aber nie die volle Kraft der Seele gewinnen könnte; der dritte die Idee Gottes, als des Trägers einer naturüberlegenen Ordnung, die das Glück zur Glückswürdigkeit in das rechte Verhältnis bringt. Von diesen Ideen ist aber die erste als die grundlegende die weitaus wichtigste, die anderen dienen mehr zur Ausführung und zur Hilfe. Im Grunde ist es der Glaube an das in uns gegenwärtige Wirken einer Welt der Freiheit gegenüber aller bloßen Natur, der Kant eine volle Gewißheit und freudigen Lebensmut gibt. »Die Idee der Freiheit ist die einzige unter allen Ideen der reinen Vernunft, deren Gegenstand Tatsache ist.«

      Das moralische Gesetz in uns

      Wie sich ihm mit dem allen unser Verhältnis zu den großen Lebensfragen darstellt, darüber spricht er sich an einer Stelle der Praktischen Vernunft aus, die für das Ganze seiner Denkart zu bedeutend und zu bezeichnend ist, als daß wir auf eine Anführung verzichten möchten. Er sucht zu zeigen, daß eine nähere Einsicht in die tiefsten Gründe der Wirklichkeit unserem moralischen Handeln leicht gefährlich werden könnte. »Statt des Streits, den jetzt die moralische Gesinnung mit den Neigungen zu führen hat, in welchem nach einigen Niederlagen doch allmählich moralische Stärke der Seele zu erwerben ist, würden Gott und Ewigkeit mit ihrer furchtbaren Majestät uns unablässig vor Augen liegen. – Die Übertretung des Gesetzes würde freilich vermieden, das Gebotene getan werden; weil aber die Gesinnung, aus welcher Handlungen geschehen sollen, durch kein Gebot mit eingeflößt werden kann, der Stachel der Tätigkeit hier aber sogleich bei Hand und äußerlich ist, die Vernunft also sich nicht allererst emporarbeiten darf, um Kraft zum Widerstande gegen Neigung durch lebendige Vorstellung der Würde des Gesetzes zu sammeln, so würden die mehrsten gesetzmäßigen Handlungen aus Furcht, nur wenige aus Hoffnung und gar keine aus Pflicht geschehen, ein moralischer Wert der Handlungen aber, worauf doch allein der Wert der Person und selbst der der Welt in den Augen der höchsten Weisheit ankommt, würde gar nicht existieren.

      Nun, da es mit uns ganz anders beschaffen ist, da wir, mit aller Anstrengung unserer Vernunft, nur eine sehr dunkle und zweideutige Aussicht in die Zukunft haben, der Weltregierer uns sein Dasein und seine Herrlichkeit nur mutmaßen, nicht erblicken oder klar beweisen läßt, dagegen das moralische Gesetz in uns, ohne uns etwas mit Sicherheit zu verheißen oder zu drohen, von uns uneigennützige Achtung fordert, übrigens aber, wenn diese Achtung tätig und herrschend geworden, allererst alsdann und nur dadurch Aussichten ins Reich des Übersinnlichen, aber auch nur mit schwachen Blicken erlaubt; so kann wahrhafte sittliche, dem Gesetze unmittelbar geweihte Gesinnung stattfinden und das vernünftige Geschöpf des Anteils am höchsten Gute würdig werden, das dem moralischen Werte seiner Person und nicht bloß seiner Handlungen angemessen ist. Also möchte es auch hier wohl damit seine Richtigkeit haben, was uns das Studium der Natur und des Menschen sonst hinreichend lehrt, daß die unerforschliche Weisheit, durch die wir existieren, nicht minder verehrungswürdig ist in dem, was sie uns versagte, als in dem, was sie uns zuteil werden ließ.«

      Zeigt diese Stelle einmal, wie tief eine religiöse Überzeugung in Kants Gemüte wurzelt, so bekundet sie nicht minder die eigentümliche Art des von ihm entwickelten Idealismus. Bisher suchte die Philosophie aus dem Ganzen der Weltanschauung dem Leben seine Richtung zu geben, es hatte seine Ziele und Güter aus der mit dem All befaßten Wissenschaft zu empfangen. Darin vollzieht nun Kant eine völlige Umkehrung. Ein spekulatives Eindringen in die letzten Gründe ist nach seiner Überzeugung dem Menschen schlechterdings versagt, aber deshalb brauchen wir nicht auf allen Sinn der Wirklichkeit zu verzichten, wir finden ihn und zugleich die Richtung des Lebens vom Handeln her, von einem Handeln, das sich selbst zu einer Welt erweitert, aus seiner Tätigkeit eine Welt der Freiheit hervorbringt.

      Ein Idealismus, der daraus hervorgeht, scheint unserem Denker weit kräftiger und lebensvoller als einer, der einer verwickelten Weltanschauung entspringt; auch hat er den Vorteil, sich auf etwas zu gründen, was jedem Menschen nahe und gegenwärtig ist, was daher jeder ohne viel gelehrtes Wissen bei sich beleben kann. Es ist der Mensch als Mensch, den diese Denkweise aufruft.

      Nachdem so die Weltmacht der Moral völlig gesichert ist, darf sie ihr Maß an das vorgefundene Dasein legen, darf sie den ganzen Umkreis des Lebens an sich zu ziehen und von sich aus zu gestalten suchen. Sie wird dabei vor allem eine völlige Unabhängigkeit vom Stande der Menschen wahren, nicht ihre Vorschriften danach einrichten und darauf herabstimmen, was im Durchschnitt getan wird; für »höchst verwerflich« wird es erklärt, »die Gesetze über das, was ich tun soll, von demjenigen herzunehmen oder dadurch einschränken zu wollen, was getan wird«. Die Moral hat ihr Gesetz und ihr Gericht in sich selbst, das Tun und Treiben der Menschen ändert daran nicht das mindeste. »Wenn ein jeder löge, wäre deswegen das Wahrreden eine bloße Grille?«

      Das radikale Böse

      Bei solcher Unabhängigkeit der Moral kann es in keiner Weise erschrecken und niederdrücken, wenn der Mensch sich in weitem Abstande von ihr befindet. Das aber ist nach Kants Überzeugung in der Tat der Fall. Sein Urteil über den moralischen Stand der Menschheit ist wenig günstig. Er beklagt vor allem die Unlauterkeit des Menschen, seinen Mangel an Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, er findet in ihm einen Hang zum Bösen, der nicht zu vertilgen, sondern nur zu überwiegen ist, er meint, daß das Böse nicht bloß in den Neigungen, sondern im Willen liege, indem man jenen nicht widerstehen wolle. So hat Kant die Lehre von einem »radikalen« Bösen, und er spricht wohl von einer Bösartigkeit der menschlichen Natur; auch seine näheren Ausführungen zeigen ein starkes Mißtrauen gegen die moralische Haltung des Menschen. »Aus so krummem Holz, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.«

      Da dies aber seine Hochschätzung des Menschenwesens als eines Trägers sittlicher Freiheit in keiner Weise vermindert, so entsteht eine starke Spannung, und es erklärt sich auch, wie Kant weniger darauf bedacht ist, eine Verständigung zwischen der sittlichen Forderung und dem Menschen der Erfahrung herbeizuführen, als das sittliche Gesetz in seiner vollen Reinheit und Strenge aufrechtzuhalten; alle Laxheit, alle Neigung zu Kompromissen findet bei ihm entschiedenste Ablehnung.

      Es bringt ihm daher echte Moral einen fortwährenden Kampf mit sich, einen Kampf zwischen Neigung und Pflicht, zugleich aber eine hohe Schätzung der Tapferkeit, wie er denn die Tugend geradezu als moralische Tapferkeit bezeichnet, deren Fahne es hochzuhalten gilt. So ist das Leben, das hier entsteht, wahrlich nicht leicht und bequem, es verlangt unaufhörliche Anspannung aller Kraft, es verlangt fortwährende Selbstüberwindung, aber es erlangt in dem allen auch eine unvergleichliche Größe und Freude, es hat seinen Lohn in sich selbst, braucht ihn nicht von draußen her zu empfangen, es hebt über das gewöhnliche Glück hinaus und trägt in sich selbst eine hohe Befriedigung.

      Wenn Kant von der Moral als der herrschenden Macht alle Lebensgebiete gestaltet, so mag das eine große Gefahr für die Entfaltung der Eigentümlichkeit dieser dünken. In Wahrheit ist eine Verengung nicht zu leugnen, da Kant die Moral lediglich auf das Verhältnis zu Menschen beschränkt, nur Pflichten des Menschen gegen Menschen kennt. Andererseits verhindert die hohe Fassung der Moral als eines Reiches der Freiheit und Selbsttätigkeit mit Sicherheit ein Sinken zu einem bloßen Moralismus, der alles nur daraufhin ansieht, wie weit es der Besserung der Individuen nütze; die Moral greift hier weniger in den näheren Bestand der Gebiete ein, als sie ihrem Ganzen die Richtung auf höchste Zwecke, auf jenes Reich der Freiheit gibt; so wirkt sie konzentrierend, klärend und kräftigend auf den ganzen Umfang des Lebens.

      Kant und die Religion

      Am wenigsten erlangt wohl ihr volles Recht die Religion, wenn sie als »die Erkenntnis aller unsrer Pflichten als göttlicher Gebote« verstanden wird. Denn streng genommen würde sie damit ein bloßes Mittel zur Verstärkung der Moral, und es wäre dabei nicht einmal gewiß, ob das bloß eine Hilfe für menschliche Schwäche wäre, die ein Starker wohl auch entbehren könnte, oder ob sie eine Wahrheit aus eigenem Rechte besitzt. Was aber den Inhalt betrifft, so liegt nach Kant in der Religion aller Wert am Tun. Dabei läßt sich vollauf anerkennen, daß der eigentümliche Charakter der Religion wenig zur Geltung kommt, und doch die Energie bewundern, mit der die moralische Seite der Religion hervorgekehrt, allem Scheinwesen in ihr widerstanden, ihr Leben vor allem in unmittelbare Gegenwart gestellt wird. Bezeichnend sind hier die Worte: »Alles was außer dem guten Lebenswandel der Mensch noch tun zu können