Manche Handwerke, die von Hausirern auf offener Strasse getrieben werden, sind den Chinesen eigenthümlich. So werden zerbrochene Gläser auf folgende Weise geflickt: Nachdem die Scherben aneinandergefügt sind, bohrt man zu beiden Seiten des Sprunges paarweis feine Löcher, dann wird ein feiner weicher Draht von der konvexen Seite durch ein Löcherpaar gesteckt, an der anderen Seite fest angezogen und so abgeschnitten, dass nur zwei kurze Enden hervorragen. Diese werden mit einem Hämmerchen platt geschlagen, so dass dadurch zwei Nieten entstehen. Manche alte Lampenglocken sind wohl mit 20 solcher kleinen Anker zusammengeflickt. Man kann daraus auf den hohen Werth des Glases im Innern Chinas schliessen. In Singapore verschwindet dieser Industriezweig immer mehr, da hier das Glas fast so billig als in Europa ist.
Die interessanteste Strassen-Industrie ist das Flicken eiserner Pfannen; diese Pfannen sind von sehr sprödem, dünnem Gusseisen und springen leicht. Der chinesische Pfannenschmied schlägt erst zu beiden Seiten des Sprunges einen dünnen Streifen Eisens ab, um die Oeffnung zu erweitern und frischen Bruch zu erhalten, dann zündet er einen kleinen tragbaren Kohlenofen aus feuerfestem Thon, 10 Zoll hoch, 6 Zoll Durchmesser, an, stellt einen Schmelztiegel hinein, der einige Stückchen Eisen enthält, und bläst an. Das Gebläse ist das Miniaturmodell eines Cylindergebläses; jedoch noch einfacher in seiner Einrichtung, indem der Windbehälter nicht zwei, sondern nur ein Ventil hat. Auch steht es nicht aufrecht, sondern wird bei dem Gebrauche auf den Boden gelegt. In einem fusslangem Bambusrohr von etwa 11/2 Zoll innerem Durchmesser bewegt sich als Kolben eine am Rande mit Baumwollenwatte umgebene, an einem Stäbchen befestigte Scheibe. In jeder Endfläche des Bambuscylinders ist eine sich nach innen öffnende Klappe zum Eintritt der Luft angebracht. Während durch die Bewegung des Kolbens die eine Klappe Luft einlässt, schliesst sich die andere und umgekehrt. Die zusammengepresste Luft strömt abwechselnd durch eins von zwei in der Wand des Bambus nahe den Endflächen befindlichen Löchern in den Windkasten, einen hölzernen Trog von vierseitigem Querschnitt, der mit seiner offenen Seite an dem Bambusrohre luftdicht befestigt ist. Aus diesem Behälter entweicht die Luft durch ein in der Mitte der dem Cylinder gegenüberliegenden Seite befindliches Loch. An diesem nun ist ein trichterförmiges Blechrohr befestigt, dessen Spitze in eine unter der Feuerung befindliche Oeffnung gesteckt wird. Damit aber der Luftstrom ununterbrochen sei, was zum Schmelzen des Eisens durchaus erforderlich ist, hängt in der Mitte des Windkastens an der Bambuswand der Austrittsöffnung gerade gegenüber eine zungenförmige, in den Trichter hineinragende Klappe, welche, durch den komprimirten Luftstrom abwechselnd nach rechts oder links gestossen, diesem den Ausgang öffnet und zugleich die Verbindung mit dem Raume schliesst, in welchem die Luft verdünnt ist. Ist das Eisen in Fluss, so schöpft der Arbeiter ein wenig davon auf einen mit Thon beschmierten, mit Kohlenpulver bestäubten Lappen und drückt damit das Metall von unten in die Spalte, indem er gleichzeitig mit der Basis eines walzenförmigen Stückes Holzkohle auf die oben herausquellende Masse drückt, welche sich fest anlegt, einen Theil der Spalte ausfüllt und oben und unten eine dünne Ausbreitung bildet. Bei grösseren Sprüngen wird dann dasselbe Verfahren so lange wiederholt und werden so viele eiserne Flicken aneinander gereiht, bis der ganze Riss ausgefüllt ist.
Die chinesischen Einwanderer kommen fast ausschliesslich aus den beiden südlichen Küsten-Provinzen Quang-tong und Fuh-kien und bestehen grösstentheils aus dem elendesten Proletariat, auch sollen sich die dortigen Behörden der Auswanderer-Schiffe bedienen, um ihre Krüppel und Taugenichtse loszuwerden. Die Schiffe setzen sich während des NO.-Monsun in Bewegung und treffen in Singapore frühestens um Neujahr ein. Bei der Ankunft schuldet der Einwanderer fast immer die Ueberfahrt und vermiethet sich auf ein Jahr ohne Lohn gegen Beköstigung und eine kleine Geldunterstützung an einen schon ansässigen Chinesen. Dieser bezahlt dafür die Ueberfahrt, deren Betrag mit dem Bedürfniss nach Arbeitskräften steigt oder fällt. Ein solcher Einwanderer heisst Sinkay, der freie Arbeiter dagegen Kuli. Nicht alle, die hier ankommen, bleiben in Singapore, mehrere tausend landen hier jährlich auf ihrer Durchreise nach anderen Ländern des Archipels. Die meisten kommen mit der Absicht, nachdem sie ein kleines Kapital erübrigt, in ihre Heimath zurückzukehren. Es scheint aber, dass dies nur der Minderzahl gelingt. Sehr Viele ergeben sich dem Opiumgenuss und Spiel und gehen daran zu Grunde. Einige bleiben auch im Archipel und verheirathen sich mit eingebornen Frauen. Es giebt Familien hier, die schon seit Generationen in europäischen Kolonien leben, grosses Ansehen und bedeutende Reichthümer besitzen und im Verkehr mit den Europäern viele gute Eigenschaften von diesen angenommen haben. Die Zahl der jährlich hier ankommenden Chinesen beträgt jetzt schon weit über 10,000. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Auswanderung aus dem übervölkerten China sehr zunehmen wird, da immer mehr die künstlichen Schranken fallen, welche ihr einerseits von den chinesischen Behörden, andererseits von den europäischen Kolonial-Regierungen entgegengestellt sind. Auch war von China aus das Auswandern der Frauen streng verboten, wodurch die Mehrzahl der Männer bewogen wurde, wieder in ihre Heimath zurückzukehren. In neuester Zeit gehen aber viele Frauen sowohl nach Kalifornien als nach dem Archipel, und wenn sie auch nicht zu den respektabelsten gehören, so ist es doch immerhin ein Anfang. Die inneren Unruhen in ihrem Vaterlande veranlassen seit Kurzem auch viele im Archipel als Handwerker oder Kaufleute etablirte Chinesen, ihre Familien nachkommen zu lassen. Noch zahlreicher sind die Einwanderungen unabhängiger Frauen, die hier ein grosses Feld für ihre Thätigkeit finden. Viele von ihnen werden auf Kosten der geheimen Gesellschaften hergebracht, die den Einfluss derselben auf die Männer für ihre Zwecke ausbeuten (im November 1863 kamen 72 in einem Schiffe an).
In den holländischen und spanischen Kolonien legt man den Chinesen allerlei Hindernisse in den Weg, indem man ihre Anwesenheit nur an einzelnen Lokalitäten gestattet, ihre Thätigkeit auf gewisse Gewerbe beschränkt, sie hohen Steuern und einer lästigen Polizeiaufsicht unterwirft: alles in der ausgesprochenen Absicht, die Eingebornen gegen die Habsucht, Schlauheit, Gewissenlosigkeit der Chinesen zu schützen. Trotz aller gesetzlichen Beschränkungen hat aber die Einwanderung der Chinesen stetig zugenommen; in den Philippinen soll sie eine beträchtliche Einnahmequelle derjenigen Beamten sein, von deren Ermessen die Erlaubniss zum Verbleib im Lande abhängig ist. Jetzt scheinen beide Regierungen zu einer freisinnigeren Politik übergehen zu wollen und es ist daher zu erwarten, dass sich bald ein stets wachsender Strom von Arbeitskräften aus China über die Inseln ergiessen und die grossen Hülfsquellen erschliessen wird, die jetzt in den spanischen Kolonien fast ganz schlummern und in den holländischen nur sehr unvollkommen ausgebeutet werden. Für das chinesische Proletariat wird der Archipel daher wohl bald eine noch grössere Bedeutung erhalten, als Amerika für das europäische. Die Länder der einheimischen Fürsten kommen immer mehr und mehr unter den Einfluss der europäischen Regierungen, wodurch die Sicherheit für Person und Eigenthum zunimmt, deren Mangel bisher auch ein grosses Hinderniss für die Ausbreitung der Chinesen war. Bis jetzt werden noch viele im Gebiet malayischer Fürsten liegende Zinngruben von Malacca aus betrieben.
In den englischen Niederlassungen der Meerenge ist die Einwanderung der Chinesen immer begünstigt worden. Sie geniessen dort Ansehen und Freiheit und Sicherheit gegen Erpressungen, wie wohl in keinem anderen Lande der Welt. Dass aus dieser unbeschränkten Freiheit der Kolonie ernste Gefahren erwachsen könnten, ist kaum zu befürchten, da in einem solchen Falle sich Alles gegen die Chinesen verbinden würde. Bedeutende Störungen haben sie freilich schon oft veranlasst; sie bilden einen Staat im Staate; fast Alle gehören geheimen Gesellschaften an, gegen deren Thätigkeit die Regierung nichts vermag. In Bezug auf diese Gesellschaften sagt der Guvernör in seinem amtlichen Berichte 1858–59: „Ein anderes grosses Hinderniss bei Entdeckung schwerer Verbrechen sind die chinesischen Hoeys, oder geheimen Gesellschaften.... Es ist kein Zweifel, dass diese Gesellschaften sich dazu hergeben, den Gang der Gerechtigkeit zu hemmen. Man nimmt allgemein an, dass sie den Ehrgeiz haben, alle Kriminalfälle unter ihren Landsleuten vor ihr eigenes Tribunal zu ziehen. In Civilsachen wird ihre Schlichtung von Streitigkeiten eher günstig als anders aufgenommen, und nach ihrer Auffassung sind ihre Ansprüche, Kriminalfälle zu entscheiden, ebenso wohl begründet. Dass dergleichen Tribunale bestehen, unterliegt keinem Zweifel, und es ist zu befürchten; dass, um dieselben aufrecht zu erhalten und zu verhindern, dass man sich an unsere Gerichtshöfe wende, sowie auch, um die Wirksamkeit der letzteren zu lähmen, die Chinesen kein Bedenken tragen, zu den gewaltsamsten Maassregeln zu greifen. Mord und Menschenraub sollen häufig vorkommen, um lästige Zeugen zu beseitigen, vielleicht aber ist einige Uebertreibung