Die königliche Weise dieses Tiers,
Auf nichts zu fallen, was als tot erscheint.
Dies sehend, naht' Orlando sich dem Mann
Und fand, sein Bruder war's, sein ältster Bruder.
Celia.
Oh, von dem Bruder hört ich wohl ihn sprechen,
Und als den unnatürlichsten, der lebte,
Stellt' er ihn vor.
Oliver.
Und konnt es auch mit Recht;
Denn gar wohl weiß ich, er war unnatürlich.
Rosalinde.
Orlando aber? – Ließ er ihn zum Raub
Der hungrigen und ausgesognen Löwin?
Oliver.
Zweimal wandt er den Rücken und gedacht es;
Doch Milde, edler als die Rache stets,
Und die Natur, der Lockung überlegen,
Vermochten ihn, die Löwin zu bekämpfen,
Die baldigst vor ihm fiel. Bei diesem Strauß
Erwacht ich von dem unglückselgen Schlummer.
Celia.
Seid Ihr sein Bruder?
Rosalinde.
Hat er Euch gerettet?
Celia.
Ihr wart es, der so oft ihn töten wollte?
Oliver.
Ich war's, doch bin ich's nicht; ich scheue nicht
Zu sagen, wer ich war; da die Bekehrung
So süß mich dünkt, seit ich ein andrer bin.
Rosalinde.
Allein das blutge Tuch?
Oliver.
Im Augenblick,
Da zwischen uns, vom ersten bis zum letzten,
Nun Tränen die Berichte mild gebadet,
Wie ich gelangt an jenen wüsten Platz –
Geleitet' er mich zu dem edlen Herzog,
Der frische Kleidung mir und Speise gab,
Der Liebe meines Bruders mich empfehlend,
Der mich sogleich in seine Höhle führte.
Er zog sich aus, da hatt ihm hier am Arm
Die Löwin etwas Fleisch hinweggerissen,
Das unterdes geblutet; er fiel in Ohnmacht
Und rief nach Rosalinden, wie er fiel.
Ich bracht ihn zu sich selbst, verband die Wunde,
Und da er bald darauf sich stärker fühlte,
Hat er mich hergesandt, fremd, wie ich bin,
Dies zu berichten, daß Ihr ihm den Bruch
Des Wortes mögt verzeihn; und dann dies Tuch,
Mit seinem Blut gefärbt, dem jungen Schäfer
Zu bringen, den er seine Rosalinde
Im Scherz zu nennen pflegt.
Celia.
Was gibt es, Ganymed? mein Ganymed?
(Rosalinde fällt in Ohnmacht.)
Oliver.
Wenn manche Blut sehn, fallen sie in Ohnmacht.
Celia.
Ach, dies bedeutet mehr! Mein Ganymed!
Oliver.
Seht, er kommt wieder zu sich.
Rosalinde.
Ich wollt, ich wär zu Haus.
Celia.
Wir führen dich dahin. –
Ich bitt Euch, wollt Ihr unterm Arm ihn fassen?
Oliver.
Faßt nur Mut, junger Mensch! – Ihr ein Mann? – Euch fehlt ein männlich Herz.
Rosalinde.
Das tut es, ich gesteh's. Ach, Herr, jemand könnte denken, das hieße sich recht verstellen. Ich bitte Euch, sagt Eurem Bruder, wie gut ich mich verstellt habe. – Ah! ha!
Oliver.
Das war keine Verstellung; Eure Farbe legt ein zu starkes Zeugnis ab, daß es eine ernstliche Gemütsbewegung war.
Rosalinde.
Verstellung, ich versichre Euch.
Oliver.
Gut also, faßt ein Herz und stellt Euch wie ein Mann.
Rosalinde.
Das tu ich, aber von Rechts wegen hätte ich ein Weib werden sollen.
Celia.
Kommt – Ihr seht immer blässer und blässer – ich bitte Euch, nach Hause. Lieber Herr, geht mit uns.
Oliver.
Gern, denn ich muß ja meinem Bruder melden, wie weit Ihr ihn entschuldigt, Rosalinde.
Rosalinde.
Ich will etwas ausdenken; aber ich bitte Euch, rühmt ihm meine Verstellung. – Wollt Ihr gehn.
(Alle ab)
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SZENE
Der Wald
Probstein und Käthchen kommen
Probstein.
Wir werden die Zeit schon finden, Käthchen. Geduld, liebes Käthchen!
Käthchen.
Wahrhaftig, der Pfarrer war gut genug, was auch der alte Herr sagen mochte.
Probstein.
Ein abscheulicher Ehrn Olivarius, Käthchen, ein entsetzlicher Textdreher. Aber, Käthchen, da ist ein junger Mensch hier im Walde, der Anspruch auf dich macht.
Käthchen.
Ja, ich weiß, wer es ist; er hat in der Welt nichts an mich zu fordern. Da kommt der Mensch, den Ihr meint.
Wilhelm kommt.
Probstein.
Es ist mir ein rechtes Labsal, so einen Tölpel zu sehen. Meiner Treu, wir, die mit Witz gesegnet sind, haben viel zu verantworten. Wir müssen necken, wir können's nicht lassen.
Wilhelm.
Guten Abend, Käthchen.
Käthchen.
Schönen guten Abend, Wilhelm.
Wilhelm.
Und Euch, Herr, einen guten Abend.
Probstein.
Guten Abend, lieber Freund. Bedeck den Kopf! bedeck den Kopf! Nun, sei so gut, bedecke dich! Wie alt seid Ihr, Freund?
Wilhelm.
Fünfundzwanzig, Herr.
Probstein.
Ein reifes Alter. Ist dein Name Wilhelm?
Wilhelm.