Indes wußte er auch, daß Markus Bruckner nicht lockerlassen würde in seinen Bemühungen, und immer wieder versuchte, das eine oder andere Projekt, auch am Gemeinderat vorbei, auf die Beine zu stellen.
Der Geistliche deutete auf zwei Flaschen Rotwein.
»Die nehmen wir«, sagte er. »Und zur Vorspeise den Grauburgunder.«
Sie stellten die Flaschen in den Tragekorb. Inzwischen war es schon früher Abend. Nicht mehr lange, und die beiden anderen Gäste würden vor der Tür stehen. Sebastian bat seinen Bruder, den Rotwein schon zu öffnen, damit er Sauerstoff bekäme. Er selber ging in sein Arbeitszimmer und wählte die Privatnummer des Bürgermeisters. Der nahm recht schnell ab.
»Hochwürden?«
Seine Stimme klang erstaunt.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Eine Auskunft hätt’ ich gern von dir«, sagte Sebastian. »Gestern nachmittag hat mein Amtsbruder, der Pfarrer Eggensteiner, dich besucht. Worum ging es denn da?«
Einen Moment herrschte Stille. Sebastian konnte sich lebhaft vorstellen, wie Markus Bruckner nach Luft schnappte.
»Das… das war ein reiner Antrittsbesuch«, redete sich der Bürgermeister heraus. »Pfarrer Eggensteiner wollt’ sich mir vorstellen.«
»Merkwürdig«, bemerkte der Geistliche. »Davon hat er gar nix gesagt, als er bei mir war…«
Markus Bruckner lachte.
»Also, bei allem Respekt, Hochwürden, aber warum sollte er auch? Sie sind doch net sein Vorgesetzter.«
Das stimmte natürlich. Außerdem hatte Blasius Eggensteiner das Recht zu gehen, wohin er wollte. Doch wenn er ausgerechnet mit dem Bürgermeister von St. Johann zusammentraf, dann schrillten bei Sebastian Trenker sämtliche Alarmglocken.
Und die Stimme des Bruckner-Markus klang wie die eines Menschen, der bei etwas Verbotenem ertappt worden war. Seine Verlegenheit war deutlich zu hören.
»Das siehst du ganz richtig«, sagte der Seelsorger. »Allerdings nehm’ ich mir schon das Recht heraus, danach zu fragen, wenn es um die Belange uns’res Dorfes geht, Bürgermeister. Solltest du also wieder mal irgendwas planen, um aus St. Johann einen Ort für den Massentourismus zu machen, so laß dir jetzt schon gesagt sein, daß ich alles unternehmen werd’, um das zu verhindern.
Und jetzt wünsch’ ich dir noch einen schönen Abend.«
*
Eva und Ulli kamen in freudiger Erwartung ins Pfarrhaus. Sebastian begrüßte die beiden sehr herzlich. Daß sie sich inzwischen nähergekommen waren, hatten sie dem Geistlichen schon an dem Abend erzählt, als er die junge Frau zu diesem Fest eingeladen hatte.
Vor dem Essen machte Sebastian das junge Paar mit Claudia und Max bekannt. Sophie Tappert hatten sie bereits kennengelernt. Beim Aperitif wurde geplaudert, und man freute sich auf die kommenden Genüsse.
Schließlich bat die Haushälterin zu Tisch.
Als Vorspeise gab es einen bunten Salatteller mit einem leckeren Dressing aus Himbeeressig und Olivenöl, der ausgezeichnet zu den gebratenen Hähnchenbruststreifen paßte, die den Salat zierten.
»Heut’ abend sitzt ihr natürlich mit an uns’rem Tisch«, sagte Max. »Freut euch schon mal auf die Stimmung im Löwen.«
»Ich war noch nie auf solch einem Tanzvergnügen«, meinte Ulli.
»Na, dann mach’ dich mal auf was gefaßt«, schmunzelte Claudia.
Eva lachte.
»Hoffentlich weißt du, worauf du dich da eingelassen hast.«
Ulli verzog das Gesicht.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete er und griff nach ihrer Hand. »Aber mit dir an meiner Seite kann mir eigentlich nichts passieren.«
Nach dem Salat folgte eine leichte Bouillon, in der Markklößchen, Eierstich und viele bunte Gemüse schwammen. Die köstliche Suppe fand allgemeinen Beifall, besonders, als Sebastian herausstellte, daß seine Haushälterin alle Zutaten selbst hergestellt hatte.
Der Hauptgang bestand aus einem saftig gebratenen Rinderfilet, das, aufgeschnitten, auf einer silbernen Platte lag. Umkränzt war das rosa schimmernde Fleisch von gebratenen Eierschwammerln. Dazu gab es eine köstliche Rotweinsauce, meisterhaft aus dem Bratenfond gekocht, und ›Bäckerinnen-Kartoffeln‹, die in Scheiben geschnitten und in einer irdenen Form geschichtet im Rohr gebacken worden waren.
»Das ist das Leckerste, was ich jemals gegessen habe«, konnte sich Eva nicht enthalten zu schwärmen.
Ulli nickte beifällig.
Alles in allem war es ein zauberhafter Abend in angenehmer Unterhaltung. Man sprach über dieses und jenes, Max erzählte so manche Geschichte, die er in seinem Dienstalltag erlebt hatte, und Claudia steuerte ihrerseits etwas aus ihrem Berufsleben bei.
Das junge Paar schaute sich zwischendurch verliebt an, und es war sich einig, daß im Pfarrhaus von St. Johann eine einzigartige Atmosphäre herrschte; geprägt vom liebevollen Umgang miteinander und gegenseitigem Respekt.
»Kommst du eigentlich auch mit?« wandte sich die Journalistin an Sebastian Trenker.
Die Frage, ob der Geistliche sie in den Löwen begleiten würde, war an sich nicht ungewöhnlich. Es wäre nicht das erste Mal, daß der gute Hirte von St. Johann seine Schäfchen überraschte, indem er auf dem Saal des Hotels das Tanzbein schwang.
Doch heute hatte Sebastian noch zu arbeiten und schüttelte den Kopf.
»Vielleicht am nächsten Wochenend’«, antwortete er. »Ich hab’ noch einiges vorzuarbeiten, damit ich in der nächsten Woche noch einmal mit der Eva zum Kogler aufsteigen kann, wenn der Ulli wieder fort ist.«
Der junge Bursche sah die traurige Miene, die sich bei diesen Worten in Evas Gesicht stahl. Er faßte einen spontanen Entschluß.
»Ich denke schon geraume Zeit darüber nach«, sagte er. »Und jetzt habe ich mich entschlossen, noch ein paar Tage dranzuhängen.«
Eva sah überrascht auf.
»Ist das wirklich wahr?«
Ulli nickte.
»Ja, ich werde erst am Mittwoch zurück nach Aachen fahren.«
»Geht das denn so einfach?« fragte Sebastian. »Werden S’ net in der Firma erwartet?«
Ulli Vogler zuckte die Schultern.
»Ich rufe morgen zu Hause an und frage meinen Vater, ob das in Ordnung geht. Er wird nichts dagegen haben. Ursprünglich hatte er mir geraten, länger als nur eine Woche zu fahren.«
Eva hatte seine Hand ergriffen und drückte sie.
»Ich freue mich«, sagte sie.
Ulli nickte und gab ihr einen Kuß.
Claudia und Sophie Tappert hatten inzwischen den Tisch abgeräumt und brachten das Dessert herein.
Ein zartrosa Traum aus Himbeeren, Sahne und Zucker lag, in Nockerln geformt, auf Glastellern, die mit Vanillesoße und Himbeermark verziert waren. Schokoladenspäne und Sahnetupfer rundeten das Bild ab.
»Liebe Frau Tappert«, wandte sich Ulli an die Haushälterin, »herzlichen Dank für diese lukullischen Genüsse. Am liebsten würde ich Sie vom Fleck weg für zu Hause engagieren. Aber wahrscheinlich werde ich da keine Chancen haben, was?«
Sophie Tappert schmunzelte.
»Bestimmt net, Herr Vogler«, antwortete sie. »Net nur, daß ich Hochwürden net im Stich lassen kann, ich könnt’s auch net verantworten, daß der Max verhungert, würd’ ich Ihr