Der Teufel: Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum. Max Henning. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Max Henning
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религиозные тексты
Год издания: 0
isbn: 9788027206292
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Pfeilern der natürlichen und sittlichen Ordnung der Welt.

      Nach diesem Schema etwa vollzog sich bei fast allen aufsteigenden Kulturvölkern die Entwicklung der religiösen Vorstellungswelt, bis sich das Prinzip des Guten sowie des Bösen in je einer überragenden Götter- und Dämonengestalt in der von Zarathustra auf Grund älterer, mehr naturhafter Vorstellungen gestifteten persischen Mazdayasnareligion verdichtete.

      Die Mazdayasnareligion.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Feuerpriester Zarathustra, der von der heiligen Sage umsponnene Stifter der Mazdayasnareligion, nach der Legende um 600 v. Chr. geboren, als Religionsstifter im Alter von vierzig Jahren auftretend und 522 gestorben, verkündete in Ormuzd (Ahuramazda) den von Licht umflossenen, selbst lichten, reinen, allwissenden, allgütigen, wahren und einigen Gott, unter dem der heilige Geist (Spenta Mainyu) alles Gute, Ahriman (Angro mainyu) als Prinzip des Bösen alles Böse erschaffen hat. Beide bekämpfen einander mit ihren dienenden Geistern. In den späteren heiligen Schriften tritt uns jedoch ein ausgesprochener Dualismus scharf entgegen. Hier stehen sich Ormuzd selbst mit seinen zahllosen Engelscharen und Ahriman mit seinen ebenso zahlreichen Scharen böser Dews von Anfang an in ewigem Kampfe gegenüber. Das gesamte Welt- und Geschichtsdrama ist die Entfaltung dieses Gegensatzes, der sich auf Erden nicht nur im Gegensatz von Kulturland und Wüste, Ackerbau und Nomadentum, nützlichen und schädlichen Pflanzen und Tieren, sondern auch in der Brust des Menschen im Kampf zwischen gut und böse, Wahrheit und Lüge abspielt, bis Ahriman von Ormuzd endgültig besiegt ist und die ganze Schöpfung, selbst Ahriman, im Feuer des Weltbrands geläutert und alles zu Licht wird.

      Ganz durchsichtig erscheint jedoch auch in der spätern Entwicklung der Religion das Verhältnis zwischen beiden noch nicht. Jedenfalls darf von einem ethischen Dualismus zwischen Geist und Materie – der Geist als Prinzip des Guten, die Materie als Prinzip des Bösen – nicht gesprochen werden, da die Welt, von Ormuzd erschaffen, uranfänglich gut ist und Ahriman nur als ihr Verderber, als Herr der Lüge, des Trugs und Frevels, der Unreinheit und des Todes, sowie als Schöpfer der verderblichen Tiere, alles Ungeziefers und der schädlichen Pflanzen erscheint. Zarathustras Religion, die »Religion der Reinheit« mit dem Moralprinzip »gut denken, gut reden, gut handeln«, ursprünglich eine religiös-philosophische Lehre, eine »Religion der Wissenden«, konnte erst nach Mythologisierung durch die volkstümlichen Göttergestalten, insonders Mithra, Volksreligion werden, als die sie sich mit Unterbrechung bis zur Vernichtung des Sassanidenreiches durch den Islam erhalten hat. Als »Hochburg der Ethik«, insonders aber in ihrem kampf- und lebensfreudigen Optimismus, erscheint sie als eine der erhabensten religiösen Schöpfungen des Altertums, die durch den Umstand, daß ganz Vorderasien vom Indus bis zum Nil jahrhundertelang unter persischer Oberhoheit stand, auf die Religionen Vorderasiens von tiefgreifender Wirkung gewesen ist. Dieser Einfluß zeigt sich besonders im späteren nachexilischen Judentum und dem aus ihm hervorgegangenen Christentum, wie selbst noch im Islam. Allerdings wurde Ahriman auch neben einem beträchtlichen babylonischen Einschlag der Stammvater Satans, des jüdischen und christlichen Teufels.

      Der Satan im Alten Testament.

       Inhaltsverzeichnis

      Die alten Hebräer kannten in ihrer vorexilischen Zeit noch keinen Teufel, wiewohl sich Rudimente eines alten volkstümlichen Dämonenglaubens bei ihnen finden. So hören wir u.a. von dem Wüstendämon Azazel, dem am großen Sühnetage, dem Versöhnungsfest, ein Bock, mit der Sündenschuld des Volks beladen, in die Wüste hinaus entsandt wurde. Erst in dem nachexilischen Buche Hiob tritt uns der »Satan« als »Ankläger« oder »Widersacher« der Menschen entgegen. Nach althebräischer, auch von der Prophetie vertretener Anschauung gilt Jahve als der heilige und gerechte Gott, dem ein heiliges und gerechtes Leben in der Befolgung seiner Gebote zu weihen ist, um dafür als Lohn von ihm ein glückliches Leben auf Erden zu erlangen. Leiden und Übel werden als Strafe für die Übertretung der Gebote Jahves angesehen. Aber nur zu oft zeigte es sich, daß der Schuldige im Glück lebte, während der Gottesfürchtige vom Unglück betroffen ward. Wie stand dies mit der göttlichen Gerechtigkeit im Einklang? Aus dem schweren Konflikt des guten Gewissens mit der bisher herrschenden religiösen Auffassung wurde die Dichtung des Buches Hiob geboren, eine der bedeutsamsten Schöpfungen nicht nur der religiösen, sondern auch poetischen Weltliteratur. Die folgenschwere Lösung findet der Dichter auf dem Wege, daß er das Übel nicht mehr als Strafe für begangene Sünden, sondern als göttliche Prüfung, als Läuterungs- und Erziehungsmittel bewertet. Gott läßt im Sinne der Versuchung das Übel zu. Aber er ist nicht mehr wie bisher, wie z. B. in der Geschichte der Opferung Isaaks oder der Volkszählung Davids, selbst der Versucher. Dem vorgeschrittenen religiösen Bewußtsein erschien dies nicht mehr mit der Gottesvorstellung vereinbar. Vielmehr ist dies nunmehr das Amt des Satans, eines der Gottessöhne (d. i. Engel), der sich mit den andern Gottessöhnen zur Audienz bei Jahve einfinden darf, also durchaus noch nicht ein widergöttliches, sondern Gott dienendes Engelwesen ist, etwa mit der Funktion eines moralischen Aufsichtsrats der Menschen und Oberstaatsanwalts Jahves in einer Person. Seine Aufgabe ist es, auf der Erde umherzustreifen und nach dem Rechten zu sehen, Vergehen aber vor Gottes Thron zu bringen. Solch ein Beruf färbt natürlich ab, läßt überall Unrat wittern und verdirbt schließlich den Charakter. Als Jahve ihm Hiobs Frömmigkeit rühmt, zieht er sie zynisch als keine selbstlose in Zweifel und wird dadurch mit Jahves Zulassung der Veranlasser von Hiobs Heimsuchung, indem er zunächst sein Gut und Vaterglück vernichtet, und als dieses bei Hiobs unerschütterlicher Frömmigkeit fehlgeht, Hiob selbst mit Aussatz schlägt.

      Zum andern Male tritt uns der Satan bei dem nachexilischen Propheten Zacharia entgegen, der in der Zeit des Königs Darius wirkte. Der Prophet sieht in einer Vision den Hohenpriester Josua mit beschmutztem Gewand als Vertreter seines Volkes vor Jahve stehen und ihm zur Rechten als Ankläger den Satan. Jahve aber gebietet ihm, bevor er noch den Mund aufgetan, Schweigen und nimmt den Hohenpriester und sein Volk wieder in Gnaden an. Der Gegensatz zwischen ihm und Jahve hat dadurch, daß dieser ihn gar nicht zu Wort kommen läßt, eine größere Spannung als im Buche Hiob erhalten.

      Endlich finden wir den Satan noch im späten nachexilischen Buch der Chronik, wo das Wort ohne Artikel, also als Eigenname, gebraucht wird, und zwar in der bereits erwähnten Geschichte der Volkszählung Davids, im Gegensatz zum 2. Buch Samuelis Kap. 24, wo Jahve selbst David aus Zorn zur Volkszählung anstiftete.

      Das ist alles, was uns die kanonischen Schriften des Alten Testaments vom Satan zu berichten wissen. Bisher ist der parsistische Einfluß noch kaum wahrnehmbar. Viel eher ließe sich an ein Übergreifen der babylonischen Vorstellung vom Bel dabâbi denken, dem Anklägergeist, der jedem Menschen zur Seite steht. Einen außerordentlichen Fortschritt in der Ausbildung der Vorstellung vom Satan als einem widergöttlichen bösen Prinzip finden wir jedoch in dem apokryphen, außerkanonischen, griechisch geschriebenen, von der jüdisch-alexandrinischen Geisteswelt beeinflußten Buch der Weisheit Salomos aus der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts. Dort heißt es (2, 23–24), Gott habe den Menschen zur Unvergänglichkeit und zum Bilde seines eigenen Wesens erschaffen. Durch den Neid des Teufels (diabolos, das griechische Wort für Satan) sei jedoch der Tod in die Welt gekommen, den alle die erführen, die ihm, dem Teufel, angehörten. Hier also wird zum ersten Male in der jüdischen Literatur die Paradiesesschlange mit dem Teufel in eins gesetzt und als Beweggrund seiner Verführung wird der Neid angegeben. Der Einfluß des Parsismus ist in dem fortschreitenden Spannungsverhältnis zwischen Gott und dem Satan unverkennbar. Auch die Deutung der Schlange des Paradiesesmythos als Teufel scheint von dem parsistischen Paradiesesmythos angeregt zu sein, demzufolge die Ureltern der Menschen, das erste Menschenpaar Meschia und Meschiane, ebenfalls von Ormuzd zur Glückseligkeit erschaffen, von Ahriman verführt werden. Hier wie dort essen sie von einer Frucht. Diese alexandrinisch-parsistische Deutung des Paradiesesmythos wird nunmehr die herrschende, auch später in der christlichen Theologie. Daß man aber in Alexandria eine genaue Kenntnis der parsistischen Religion haben konnte, ergibt sich daraus, daß die herrschende Ptolemäerdynastie Alexandria zur weltbeherrschenden wissenschaftlichen