Kurfürstenklinik Staffel 6 – Arztroman. Nina Kayser-Darius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Kayser-Darius
Издательство: Bookwire
Серия: Kurfürstenklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740934842
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nicht allzu schlimm – der Garten allerdings, hatte man ihnen berichtet, war komplett verwüstet.

      »Finde ich auch«, stimmte Bernd zu. »Gerade an solchen Tagen wie heute, wenn Adrian frei hat, fällt es besonders auf, daß wir jetzt Verstärkung bekommen haben.«

      Sie unterhielten sich über Dr. Marc Weyrich, einen jungen Unfallchirurgen aus Heidelberg, der für ein paar Monate nach Berlin gekommen war, um andere Behandlungsmethoden kennenzulernen und mit seinen Berliner Kollegen Erfahrungen auszutauschen. Dieses Projekt hatte der Verwaltungsdirektor der Kurfürstenklinik, Thomas Laufenberg, angeregt. Im Gegenzug war eine junge Internistin nach Heidelberg gegangen. Man erhoffte sich eine Menge von diesem Austausch.

      »Wie lange bleibt er eigentlich hier?« erkundigte sich Bernd.

      »Ein paar Monate, höchstens ein halbes Jahr«, antwortete Julia und richtete sich auf. »So, der Patient kann nach oben in den OP – ein Wunder, daß er sich nicht mehr gebrochen hat als das Schlüsselbein.«

      »Ich bring’ ihn hoch«, erbot sich Bernd.

      Er war gerade mit dem Patienten im Aufzug verschwunden, als Marc Weyrich neben Julia auftauchte. Er war Anfang dreißig, dunkelhaarig und gut aussehend – der Traum jeder Schwester und jeder jüngeren Kollegin. Doch der junge Heidelberger war erstaunlich zurückhaltend, flirtete zwar ein bißchen, ließ sich jedoch ansonsten auf nichts ein. Julia vermutete, daß er entweder frisch verliebt war oder aber ein ganz gerissener Frauenheld. Sie fand ihn sympathisch, und fachlich war an ihm ebenfalls nichts auszusetzen.

      »Nun, schöne Kollegin«, sagte er charmant, »was kann ich nun tun? Das Wartezimmer ist leer – könnte es sein, daß wir eine kleine Ruhepause haben?«

      »Wenn es so wäre, hätte ich nichts dagegen«, erwiderte Julia müde. »Es kommt selten genug vor, und der Morgen war ja bis jetzt nicht ohne.«

      Er unterdrückte ein Gähnen. »Allerdings«, gab er zu. »Ich muß Ihnen sagen, Frau Martensen, daß die Notaufnahme der Kurfürstenklinik mit unserer in Heidelberg überhaupt nicht zu vergleichen ist. Es ist ja ungeheuerlich, wie viele Menschen Sie hier mit so wenig Personal versorgen müssen.«

      »Wir beschweren uns ständig, aber eine weitere Planstelle bekommen wir nicht bewilligt. Immerhin geht es uns besser, seit der Verwaltungsdirektor gewechselt hat«, sagte Julia. »Er sorgt dafür, daß wir öfter Ärzte im Praktikum hier haben – oder jetzt Sie. Es ist sicher kein Zufall, daß bei dem Ärzte-Austausch zwischen den beiden Krankenhäusern auch ein Notfallmediziner war. Herr Laufenberg versucht schon, uns zu helfen. Aber die Anforderungen steigen ständig, und wir haben außerdem das Gefühl, daß immer mehr Menschen zu uns kommen.«

      »Das ist allerdings eine Entwicklung, die wir in Heidelberg auch beobachtet haben«, bemerkte Marc.

      Die Türen der Notaufnahme öffneten sich, und Julia seufzte, als sie die Sanitäter hereinstürmen sah. »Die Verschnaufpause ist vorüber, Herr Weyrich«, sagte sie. »An die Arbeit!«

      *

      »Er ist nicht da, Janine, du brauchst dich gar nicht so unauffällig umzusehen!« stellte Andrea Reddemann seelenruhig fest und begann die Speisekarte des Krankenhaus-Restaurants zu studieren.

      Ihre Freundin seufzte. Janine Gerold und Andrea Reddemann waren Ärztinnen im Praktikum an der Kurfürstenklinik – Andrea arbeitete auf der Chirurgischen Station, Janine auf der Inneren. Sie hatten sich erst hier in Berlin kennengelernt und sich auf Anhieb gut verstanden. Seit kurzem bewohnten sie sogar eine kleine Wohnung zusammen, was ihre Ausgaben zum Glück erheblich reduzierte, denn Berlin war ein teures Pflaster, das hatten sie beide bald festgestellt.

      »Er arbeitet schließlich in der Notaufnahme«, fuhr Andrea fort, »die haben immer völlig unregelmäßige Pausen, das weißt du doch.« Andrea war eine hübsche, pummelige Blondine, die sich durch nichts die Laune verderben ließ. Die Patienten liebten sie, weil sie immer fröhlich war, und auch mit ihren Kolleginnen kam sie gut klar.

      Janine fiel das nicht ganz so leicht. Sie war, mit ihren dunkelroten Haaren und den grünen Augen, eine ausgesprochen hübsche junge Frau – und das machte ihre Kolleginnen vielleicht mißtrauisch. Jedenfalls fand sie längst nicht so leicht Anschluß wie Andrea. Und die Tatsache, daß vor allem die männlichen Patienten ständig versuchten mit ihr zu flirten, machte Janine das Leben nicht eben leichter. Sie litt darunter, wußte aber nicht, was sie hätte tun sollen, um etwas zu ändern.«

      Andrea sah das ganz nüchtern. »Du bist zu schön, um dich leicht mit Frauen zu befreunden«, hatte sie Janine einmal erklärt. »Finde dich damit ab, dann fällt’s dir leichter, es zu ertragen. Und ab und zu taucht dann mal eine wie ich auf, der deine Schönheit egal ist, Janine.«

      Sie hatten beide lachen müssen nach dieser kurzen »Predigt«, wie Andrea sie selbstironisch genannt hatte – und danach das Thema nicht wieder angeschnitten.

      »Wieso verliebst du dich aber auch sofort in den nächstbesten Arzt?« fragte Andrea nun, nachdem sie sich ausgesucht hatte, was sie essen wollte.

      »Er ist nicht der nächstbeste!« widersprach Janine. »Außerdem kann ich nichts dafür, Andrea. Ich hab’ mich doch nicht freiwillig in ihn verliebt. Es ist einfach so passiert.«

      Sie gaben ihre Bestellung auf, dann setzten sie das Gespräch fort. »Das glaubst du doch selbst nicht«, meinte Andrea nachdenklich. »Wenn ich mich nicht verlieben will, dann tue ich es auch nicht. Und wenn die Sache so aussichtslos ist wie in diesem Fall…« Sie ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.

      »Ja, ich weiß«, sagte Janine niedergeschlagen. »Er reagiert einfach nicht. Auf keine Frau reagiert er. Ich bin sicher, daß er mich noch nicht einmal richtig wahrgenommen hat.«

      »Dr. Marc Weyrich«, sagte Andrea nachdenklich. »Doch, er sieht gut aus, und er scheint nett zu sein. Außerdem soll er als Arzt auch nicht schlecht sein. Aber trotzdem, Janine: Einen wie ihn findest du überall. Warum muß es ausgerechnet dieser Mann sein, der sich überhaupt nicht für dich interessiert? Alle anderen, schätze ich mal, könntest du haben.«

      »Alle nicht«, sagte Janine.

      »Aber viele! Also, warum bist du so verbohrt?«

      Janine sah sie an und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Andrea. Aber es ist einfach so. Ich bin total verliebt in Dr. Weyrich. Ihn oder keinen.«

      »Du spinnst ja«, sagte Andrea voller Überzeugung. »Heute abend gehen wir ins Kino und ziehen uns einen Liebesfilm rein. Da kannst du einen von diesen Hollywood-Helden anschmachten – vielleicht hilft das.«

      Janine erwiderte nichts, und Andrea betrachtete sie prüfend. »Nein«, sagte sie dann ergeben. »Es wird auch nichts helfen.«

      Zum Glück wurde ihr Essen gebracht, und sie mußten das traurige Thema um Janines aussichtslose Liebe zumindest im Augenblick nicht weiter vertiefen.

      *

      Stefanie sah auf ihre Uhr und stieß einen kleinen Laut des Erschreckens aus. »Über eine Stunde sitze ich jetzt schon hier mit Ihnen, Herr Winter – die Zeit ist wie im Flug vergangen, ich habe gar nicht gemerkt, daß es schon so spät ist.«

      »Dann haben Sie sich offenbar nicht gelangweilt mit mir«, sagte er lächelnd, »das nehme ich als Kompliment, Frau Wagner.«

      Sie wollte gerade etwas erwidern, als im Raum hinter ihnen Unruhe entstand. Adrian drehte sich um und sah im selben Augenblick eine Frau, die zusammengesunken in seiner Nähe saß. Ihr Gesicht war auf den vor ihr stehenden Tisch gefallen, beide Arme hingen schlaff nach unten. Er sprang auf, wobei er die Umstehenden, die ratlos und bestürzt auf die Frau sahen, energisch beiseite schob.

      »Bitte, lassen Sie mich durch, ich bin Arzt«, sagte er. Als er die Frau erreicht hatte, richtete er sie vorsichtig auf und griff nach ihrem Herzen, dann nach ihrem Puls. Gleich darauf stand Stefanie mit besorgtem Gesicht neben ihm.

      »Einen Rettungswagen, schnell, Frau Wagner. Und benachrichtigen Sie meine Notaufnahme.«

      Ja, er sagte wirklich »meine« – so sehr identifizierte