„QqqqqqqqqqqqqqqqqqQQQQQQQQQQ!“, quietschte van Kombast. Sein Schrei war hoch, schrill und klang am Ende noch lauter und verzerrter als eine Geige im Stimmbruch. Oder eben wie ein Mensch, der von einem Vampir gebissen wird. Oder wie ein Vampirjäger, der mit seinem Gesicht im Trichter seines Spezialsaugers gelandet ist.
Das war zu viel für den armen Poldi. Nicht nur, dass er mit seinem einzigen Verbündeten mitgelitten hatte, als der in diesem furchtbaren Trichter gesteckt hatte, jetzt durchdrang dessen Kreischen auch noch jede seiner hundischen Zellen und schmerzte von der Schnauze bis zu seinem Schwanzstummel. Poldi winselte, bellte und drehte sich wild um sich selbst.
„Poldi, Poldi, Poldilein!“, versuchte sein Frauchen ihn verzweifelt zu beruhigen und einzufangen.
Doch Poldi war nicht zu bändigen. Er fühlte nur noch Schmerz.
Bat Church Club
Während Dirk van Kombast wieder einmal einen Angriff auf seine vampirischen Nachbarn vermasselt hatte (was er sich niemals eingestehen würde), hatten Daka und Silvania ihren Anflug auf Schattenwalde ohne Zwischenfälle hinter sich gebracht. Wenn man von Silvanias kleinen Flugunfällen absah. Silvania flog weder besonders gern noch besonders gut und plumpste immer wieder eine Luftschicht tiefer, als sie eigentlich wollte. Dabei stieß sie mal hier an einen Ast, mal schrappte sie dort an einem Hausdach entlang (was sie alles freimütig zugeben würde). Dennoch kreisten die Vampirschwestern pünktlich kurz vor Mitternacht über der verlassenen Kirche und mit ihnen einige andere Gestalten der Nacht.
Daka und Silvania landeten vor dem Eingang des Bat Church Club und gingen gespannt hinein. Daka saugte alle Eindrücke in sich auf wie Blutsuppe. Statt eines Altars stand hinten im Kirchenschiff eine riesige Bühne, an der Bühnenarbeiter gerade noch die letzten Handgriffe tätigten. Nirgends hingen Kreuze, stattdessen brannten Fackeln und an ein paar Säulen waren Schilder angebracht mit der Aufschrift: Fliegen und flopsen während des Konzerts verboten. Alles war in rotes Licht getaucht und es gab sogar eine Bar, an der allerhand blutrote Getränke ausgeschenkt wurden. Es war oberschauriggrottencool! Auch Silvania sah sich beeindruckt und ein wenig verängstigt um, wurde dann aber von Daka mitgezogen.
„Komm, schnell. Ich will ganz vorne an die Bühne!“, drängte sie ungeduldig.
Den Vampirschwestern gelang es, sich durch die bereits wartenden Fans bis ganz vor die Bühne zu quetschen. Die Bühnenarbeiter beendeten den Aufbau der Instrumente und es wurde dunkel.
Daka hüpfte vor Aufregung herum und umarmte Silvania stürmisch. „Danke, Schwesterherz!“
In diesem Moment schnitten Lichtkegel durch die Dunkelheit und weißer Nebel waberte über die Bühne. Im Dunst erschienen vier Gestalten. Es waren niemand anders als Raff, der Schlagzeuger, Bato mit der Knochpete und Onko, der Bassist von Krypton Krax. Und er. Murdo, der Sänger. Er war blass und dünn und seine schwarzen Haare mit der roten Strähne standen nach allen Seiten ab. Daka bewunderte seine dunklen Lippen, an die er jetzt das Mikro hielt und rief: „Datiboi, Deutschland! Hallo, Schattenwalde! Sollen wir den Club rocken?“
„YEAH!“, schrien alle Fans begeistert.
Murdo lachte heiser und seine Augen funkelten herausfordernd. „Wir werden den Club nicht rocken, wir werden ihn zerfetzen!“
Wieder johlte und klatschte das Publikum wie wild und Raff begann, auf sein Schlagzeug einzudreschen. Krypton Krax legten los!
Gefährliche Notaufnahme
Zu Hause im Lindenweg beobachtete Elvira eine ganz andere Vorstellung. Ihr Nachbar Dirk van Kombast wurde auf einer Trage in einen Krankenwagen geschoben. Elvira war von einem merkwürdigen Schrei, gefolgt von einem wilden Bellen, aufgewacht und hatte nach einem kurzen Blick aus ihrem Fenster den Notarzt verständigt. Jetzt wollte Elvira so schnell es ging zurück ins Bett.
„Schsch, ist ja gut, ist alles gut“, versuchte Frau Hase, ihren Dackel zu beruhigen. „Es ist ja gut, der böse Mann ist weg. Schsch. Frauchen ist da, mein Hase.“
Hase oder Hund Poldi knurrte und kläffte weiter.
„Okay, wir ham’s dann. Gute Nacht.“ Der Sanitäter winkte Elvira zu. Elvira kannte ihn aus dem Krankenhaus, in dem Mihai arbeitete.
Der Krankenwagen fuhr ab. Elvira und Frau Hase wünschten sich eine gute Nacht und gingen in ihre Häuser zurück.
Für den Vampirjäger war die Nacht noch lange nicht vorbei. Der Sanitäter hatte ihm auf der Fahrt sein Bein geschient und ein riesiges Pflaster auf seine geschundene Stirn geklebt. Im Krankenhaus angekommen, wurde er unsanft in einen Rollstuhl verfrachtet, durch die Gänge der Notaufnahme geschoben und im Wartebereich abgestellt.
Mit einem „Kommt gleich wer“ verabschiedete sich der Sanitäter und ließ Dirk van Kombast allein. Der Vampirjäger schloss ein wenig die Augen. Er musste sich von seinem anstrengenden Einsatz erholen …
Plötzlich schreckte er auf. Er musste wohl etwas eingenickt sein, denn er hatte den Mann mit dem Rollwagen voller Laborutensilien gar nicht kommen hören. Und es war nicht irgendein Mann, der da immer näher kam. Genau genommen war es überhaupt kein Mann, sondern ein Vampir. Es war niemand anders als Mihai Tepes. Sein Erzfeind. Und er war ihm wehrlos ausgeliefert. Dirk van Kombast wurde weiß vor Schreck, doch Herr Tepes grinste ihn freundlich an.
„Na, wenn das nicht der liebe Herr Kompost ist“, grüßte Mihai und wollte ihm gerade auf gute alte transsilvanische Art eine Kopfnuss verpassen. Doch dann zuckte er entzückt zusammen.
„Boi searo, Herr Nachbar! Was haben Sie denn angestellt? Das blutet ja!“
Bei dem Wort bluten zuckte van Kombast erschrocken zusammen, denn er sah das Blitzen in Herrn Tepes Augen. Auch die nachfolgenden Worte Mihais konnten den Vampirjäger nicht wirklich beruhigen. „Wollen Sie etwa zu mir in mein unterirdisches Labor?“
Dirk van Kombast schüttelte entsetzt den Kopf. „Nein, nein, nein. Ich bin hier bloß … ich hab doch bloß …“, stammelte er.
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