Die Vampirschwestern 2 – Das Buch zum Film
Schulhof-Boarding
Es war ein fast ganz normaler Tag auf einem fast ganz normalen Schulhof im Herzen von Bindburg. Die Sonne spiegelte sich in den weit geöffneten Fenstern und Laute drangen aus den Klassenzimmern. Lange Reden (von den Lehrern) und lange Seufzer (von den Schülern). Was man von außen nicht sehen konnte, waren die sehnsüchtigen Blicke der Schüler zur Uhr. Denn heute war eben nur ein fast ganz normaler Tag – es war der letzte Schultag vor den großen Ferien. Tick, tack, tick, tack … noch drei, zwei, eins. Drrrrrr! Endlich Schule aus! Aus allen Türen strömten jubelnde Schüler. Sie lachten, rannten, riefen und sprangen – wobei das Springen bei einer Schülerin ein bisschen so aussah, als würde sie fliegen. Sie hatte schwarze Haare, die nach allen Seiten abstanden, und ihre Klamotten (schwarze Lederjacke über einem rot-schwarz geringelten Pulli und zerrissene Jeans) waren so cool und wild wie ihr Sprung – oder Flug – die Treppe hinunter. Das Mädchen riss ihre Arme in die Höhe und rief laut: „Sommerferien! Endlich! Boi, boi, boi!“
Boi, boi, boi hieß so viel wie super, super, super und war vampwanisch. Denn das Mädchen trug nicht nur ungewöhnliche Klamotten, sie sprach auch eine ungewöhnliche Sprache und hatte einen nicht ganz normalen Namen. Das lag daran, dass sie nicht ganz normal war. Dakaria Tepes, genannt Daka, kam aus Transsilvanien und war ein Vampir. Genau genommen ein Halbvampir. Das erklärte auch, warum sie ungewöhnlich blass für diese Jahreszeit war.
Hinter ihr sprangen ihre beste Freundin Helene Steinbrück, ein fast normales Menschenmädchen, wenn man von ihrer Vorliebe für gruftige Orte und monstercoole Kugelschreiber-Tattoos absah, und Ludo Schwarzer, ein fast normaler Menschenjunge mit einem Skateboard unter dem Arm, wenn man ignorierte, dass er gelegentlich Dinge sehen konnte. Dinge, die in der Zukunft passierten. Er hatte Visionen. Düster und geheimnisvoll. Meistens zumindest. Heute aber nicht. Noch nicht. Im Moment war alles wundervoll, die Sommersonne schien und es waren Ferien.
Ludo ließ seinen Rucksack und sein Skateboard auf den Boden fallen und mit einem: „Ich darf doch mal …!“ schnappte sich Daka sein Board, Helene sprang übermütig mit auf und die beiden Mädchen fuhren kichernd und schlenkernd über den Schulhof.
„Uuaaa!“, rief Daka und Helene hielt sich an ihr fest. „Wackel doch nicht so!“, schrie sie.
Ludo sah seinen Freundinnen lachend nach. Hinter ihm kam Dakas Zwillingsschwester Silvania Tepes aus der Schule geschlendert. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war unverkennbar. Aber nicht, weil sie gleich aussahen, das taten sie nämlich überhaupt nicht, sondern weil Silvania genauso auffallend anders war wie ihre Schwester. Sie zog jedoch keine rockig-punkigen Klamotten an, sondern bevorzugte romantische Röcke und Kleider mit Rüschen und Blümchen und sie liebte Strohhüte in allen Farben. Sie trug ihre Haare auch nicht kurz und schwarz und spitz, sondern lang, rot-blond und weich gelockt. Silvania war ebenfalls sehr blass, wenn auch nicht ganz so blass wie ihre Zwillingsschwester. Das lag zum einen daran, dass Silvania etwas mehr Mensch in sich hatte und sich deswegen auch lieber als Halbmensch, als als Halbvampir beschrieb. Zum anderen lag es sicher auch an dem Jungen, der neben ihr lief und sie an der Hand hielt. Jacob Barton. Er hatte hellgraue Augen, honigblonde Haare und einen roten Mund, der nach einer Mischung aus Hackbällchen (lecker, fand Silvania) und Knoblauch (egal, fand Silvania) schmeckte. In Jacob war Silvania heiß verliebt – er war einfach zum Anbeißen. Bei einer ihrer ersten Verabredungen hätte Silvania ihn auch wirklich fast gebissen. Aber er wurde trotzdem ihr Freund und ließ ihr Herz schneller schlagen und ihre Wangen röter schimmern.
Gerade hatte er vorgeschlagen, ins Kino zu gehen. „Aber bitte keinen Gruselfilm“, meinte Silvania. Die beiden blieben bei Ludo stehen und warfen ihre Rucksäcke mit auf den Taschensalat von Ludo, Daka und Helene.
„Vielleicht was Lustiges?“, schlug Jacob vor.
Bevor Silvania antworten konnte, dass sie gern einen schaurig-schönen Liebesfilm sehen würde, kamen Daka und Helene auf Ludos Skateboard angerast.
„Weg da! Wir kommen!“, warnte Daka.
„Oioioioiooooh!“, kreischte Helene.
„Krawalleriiiiii!“, rief Daka. Das war vampwanisch und hieß Attackeeeee!.
Silvania, Jacob und Ludo sprangen zur Seite und Daka und Helene purzelten lachend in den Taschenhaufen.
Jacob grinste spöttisch. „Naturtalente, würde ich sagen …“
Ludo nickte. „Absolut.“
„Ich fand uns nicht schlecht!“, meinte Helene und rappelte sich auf.
Daka blieb einfach sitzen und lächelte breit. Dabei blitzten ihre Eckzähne in der Sonne auf. An ihrem letzten Schultag hatte es Daka mit der Dentiküre nicht so genau genommen. Wozu die Eckzähne wegfeilen, wenn sowieso Ferien sind und einen kaum einer mehr sieht? Und Helene und Ludo wussten, dass Silvania und sie Halbvampire waren. Anders als Jacob, aber der hatte ohnehin nur Augen für ihre Schwester. Und die hatte sich natürlich brav die Eckzähne gefeilt. Daka aber wollte nicht brav sein. Sie wollte etwas erleben! Schließlich waren Sommerferien. Ihre Augen funkelten: „Wir müssten was machen! Wir alle zusammen! Irgendwas zensatoi futzi Supertolles! Wie wäre es mit …“, nachdenklich sah Daka in die Runde. „… Zelten! Wir könnten zusammen zelten. Nur wir, ohne Eltern. Am Bindburger See.“
„Cool, da bin ich sofort dabei!“, freute sich Helene.
„Das klingt ja total romantisch.“ Silvania zog Jacob zu sich und küsste ihn schnell auf den Mund. Jacob wurde ein bisschen rot, schließlich schlug auch sein Herz in Silvanias Nähe höher und er gab ihr einen schnellen Kuss zurück.
„Bäh!“, machte Daka angewidert. „Da wurden jetzt doch mindestens 500 Bazillen übertragen.“
Jacob zuckte nur lässig mit den Schultern. „Gut fürs Immunsystem.“
Alle außer Daka kicherten. Küssen, verliebt sein und Händchen halten fand Daka einfach Gumox. Quatsch. Unnötig. Peinlich.
„Aber jetzt wegen Zelten. Wir können doch alle mal unser Campingzeug checken und treffen uns nachher auf dem Friedhof“, schlug Ludo vor.
Damit waren alle einverstanden. „Okay, super!“, riefen Daka und Helene.
Dann schnappten sich die Freunde ihre Taschen und zogen los. Weg von der Schule und hinein in die Sommerferien. Ohne Hausaufgaben, ohne Arbeiten, ohne frühes Aufstehen (für Halbvampire besonders angenehm, da sie tagsüber gar nicht gern wach sind) und mit jeder Menge Spaß, Abwechslung und Abenteuer … und Liebe natürlich. Vor lauter Vorfreude begann Silvania ein altes transsilvanisches Heimatlied zu summen: „Transsil…“
„…vaniaaaa!“, stimmte Daka sofort mit ein. Auch ihre Freunde kannten das Lied inzwischen und sangen lauthals mit:
Transsilvania
Wuzzpogoi, oista snips, flopso, flugo,
Milobom job, rodna fantazyca!
Job enzero inima naz, Transsilvania!
Wörtlich übersetzt hieß das Lied:
Transsilvanien,
herumtollen, verrückt sein, flopsen, fliegen!
Wir lieben dich, du schöne Heimat!
Du bist für immer in unserem Herzen, Transsilvanien!
Für den heutigen Tag hieß das Lied frei übersetzt:
Sommerferien,
herumtollen, verrückt sein, flopsen, fliegen!
Wir lieben dich, du schöne Zeit!
Wir freuen uns von Herzen, Sommerferien!
Der Vampirjäger
Die Sonne schien hoch über dem Lindenweg. Die Autos vor den Häusern waren blitzblank gewaschen, aus den gepflegten Beeten ragte kein einziger Löwenzahn und die kurz geschorenen Rasen der