Carberry begab sich aufs Vorschiff, beugte sich über die Reling, sah ins Wasser und ließ die Flasche dann langsam an der Bordwand entlanggleiten. Er verfolgte sie mit den Blicken, wie sie am Schiff verbeiglitt, in etwas Dunkles geriet, das er nicht identifizieren konnte, und dann verschwand.
Da hörte das seltsame Kratzen auf. Triumphierend sah der Profos sich um.
„Na, was habe ich gesagt, was, wie! Da staunt ihr. He! Eben reckte sich ein dunkler Arm aus dem Wasser und zog die Flasche zu sich herunter. Ich wette, die Meermänner sind jetzt mit der Flasche beschäftigt.“
Sie lauschten angestrengt, aber das Schaben und Kratzen wiederholte sich nicht. Der Profos ging stolzgeschwellt zum Achterdeck, um Hasard sein Gegenmittel anzupreisen. Er kam von der Backbordseite an der Five Rail vorbei, und wollte einen Schritt weiter nach achtern tun, als ihn fast der Schlag traf.
Er glaubte, jeden Moment verrückt werden zu müssen. Seine Zähne klapperten, er zitterte leicht und wurde aschgrau im Gesicht. Er stand nur da, starrte und brachte keinen Ton heraus.
Auf der Reling des Achterdecks hockte der Riesenvogel! Unbemerkt hatte er sich hinter dem Ruderhaus niedergelassen.
„Du Höllenvieh!“ brach es gequält über des Profos zuckende Lippen. „Du verdammter Satansbraten. Verschwinde, du Mißgeburt, du bringst uns allen den Tod!“
„Was ist denn jetzt schon wieder los, Prof ...“
Das Wort blieb Hasard im Hals stecken, als er den fluchenden und leichenblassen Profos sah und vor ihm den dunklen Riesenvogel, dessen linkes Auge Carberry höhnisch zu fixieren schien. Hasard war total verblüfft. Niemand hatte bemerkt, wie sich der schwere Albatros hier niedergelassen hatte.
Die ganze Meute stürzte über die Kuhl. Stenmark und Matt Davies, der Mann mit der Hakenprothese, stürmten allen voran aufs Achterkastell. Der Kutscher hatte sich einen Belegnagel geschnappt und schwang ihn wie ein Wilder seine Keule.
„An Deck kann man ihn erschlagen, hast du gesagt“, schnaufte der Kutscher, „da kann nichts passie ...“
In dem Moment breitete der Albatros seine Schwingen aus, furchterregend und drohend, sie überspannten fast das halbe Deck. Die Männer wichen zurück, als der große Schnabel sich öffnete, die Schwingen einmal die Luft peitschten und der Riesenvogel in den Beinen einknickte, um sich dann fallen zu lassen. Noch im Fall schlugen die Schwingen weiter und hoben den großen Körper schwerfällig in die Luft. Danach begann er elegant zu segeln, beschrieb eine Kurve, schraubte sich in den greifbar nahen Himmel und verschwand darin.
Hasard sah seine Leute an, der Reihe nach. Er musterte die blassen, bleichen und grauen Gesichter, dann lachte er plötzlich los, daß man seine weißen Zähne blitzen sah.
„Der Vogel ruht sich doch nur aus“, erklärte er, „der ist doch völlig harmlos. Wahrscheinlich ist er nur vor einem Sturm geflüchtet, der uns noch einholen wird. Ob ihr in tötet oder nicht, hat auf das Wetter nicht den geringsten Einfluß. Außerdem hätte ich es nicht zugelassen.“
„Und die Meermänner, die vorhin am Schiff gekratzt haben?“ hielt Carberry dagegen. „Jetzt hat das Kratzen aufgehört, weil ich eine Flasche über Bord geworfen habe, mit der sie spielen können. Ich sage euch, der Vogel bringt noch mehr Unglück über uns, schon weil er sich auf dem Schiff niedergelassen hat.“
Diesmal sollte der Profos allerdings recht behalten, auch wenn Hasard ihm das auszureden versuchte. Und damit fand der alte Aberglaube wieder neue und reichliche Nahrung.
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