Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sven Elvestad
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027212743
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der Detektiv.

      »Das ist der Monteur der elektrischen Firma, die ich Ihnen gegenüber erwähnte, ein außerordentlich tüchtiger Mann,« fügte der Chef hinzu.

      Im selben Augenblick trat Ingenieur Barra einen Schritt vor und begrüßte den Polizisten. Ein Lächeln des Wiedererkennens schien über sein Antlitz zu huschen.

      »Nein, sind Sie es?« sagte er. »Das ist doch nett, Sie wiederzusehen.«

      Asbjörn Krag stutzte. Was meinte, was wollte er jetzt?

      »Soweit mir bekannt ist, haben wir noch nicht miteinander gesprochen,« bemerkte Krag. »Aber ich möchte schon gerne mit Ihnen reden,« fügte er mit einem ironischen Lächeln und einer Verbeugung hinzu.

      »Ja gewiß, ja gewiß, mit dem größten Vergnügen,« rief der kleine Ingenieur geschäftig. »Aber kommen Sie nur zuerst her, Herr Polizist, dann will ich Ihnen die Ursache zeigen, nach der Sie jetzt suchen.«

      Barra trat rasch an eine der Leitungen und Krag kam unwillkürlich mit. Er bemerkte, daß Barra Gummihandschuhe anhatte, wie alle Arbeiter, wenn sie sich in hochgespannten Räumen bewegen.

      Plötzlich dreht Barra sich um und ergreift beide Hände Asbjörn Krags. »Nehmen Sie sich in acht,« ruft er, »kommen Sie nicht zu nahe – an mich heran,« fügte er dann leise zischend hinzu, so daß nur Krag die letzten Worte auffassen konnte.

       Im selben Augenblick hatte Asbjörn Krag das Gefühl, als müßte er in tausend Stücke zersplittern. Er stürzte auf dem Boden zusammen und wand sich in den grauenvollsten Schmerzen.

      Der Aufseher beugte sich über ihn. »Ungefähr tausend Volt. Ein bedauerlicher Unglücksfall! Aber er lebt doch, Gott sei Dank!«

      Holst, der mit hereingekommen war, fixierte Barra scharf. Irrte er sich – oder huschte nicht ein triumphierendes Leuchten über das Antlitz des rotbärtigen Erfinders?

      Holst trat knapp auf ihn zu.

      »Können Sie das verstehen?« sagte er scharf.

      Barra erwiderte nichts, sondern sah ihn nur mit ein Paar Augen an, die nichts Gutes verhießen.

      »Sie haben ihn doch zu den Leitungen hingebracht,« fuhr der Telegrapheningenieur fort. Der Betriebsdirektor sah bei diesen Worten aufmerksam den flinken Monteur an – wer war er eigentlich?

      »Sie verlieren Ihre Zeit, meine Herren,« sagte der Rotbärtige. Seine Stimme war trocken und kalt.

      »Verlieren die Zeit – Sie meinen?«

      »So holen Sie doch einen Arzt! Einen Arzt natürlich,« erklärte Barra.

      Es geschah. Gleichzeitig kam Asbjörn Krag wieder zu sich, er richtete sich halb auf den Ellbogen auf und versuchte, einige Worte zu stammeln. Seine Augen ruhten unverwandt auf Ingenieur Barra. Holst beugte sich über ihn, um aufzufangen, was er sagen wollte.

      »Die Gummihandschuhe,« brachte der Detektiv kaum hörbar heraus, »passen Sie auf die Gummihandschuhe auf!«

      »Er meint, daß die Gummihandschuhe die Schuld haben,« rief Holst heftig und deutete auf Barras Hände.

      Barra stutzte, warf dem Detektiv einen raschen Blick zu, zuckte dann höhnisch die Achseln, streifte rasch die Handschuhe von den Händen und reichte sie dem Chef des Werks.

      »Er phantasiert natürlich,« sagte er. »Bitte, hier sind die Handschuhe.«

      Der Chef sah verständnislos vom einen zum andern, aber nahm doch die Handschuhe und untersuchte sie.

      »Es ist nichts Besonderes an diesen Handschuhen,« sagte er dann. »Es sind ebensolche, wie wir sie alle tragen, wenn wir in hochgespannten Räumen zu tun haben.«

      Als der Arzt kam, war Krag wieder bewußtlos. Nach einer gründlichen Untersuchung erklärte er, daß der Detektiv dieser ernsten Katastrophe mit heiler Haut entgangen sei. Von einer Lebensgefahr konnte nicht mehr die Rede sein, aber immerhin würde es noch einige Zeit dauern, bis er wieder auf den Beinen war.

      »Gott sei Dank,« dachte Holst, »dann wird er aber auch den kleinen Schurken dort zu treffen wissen.« Und er warf Barra einen Blick zu, den dieser mit einem spöttischen Lächeln erwiderte. Holst zweifelte nicht mehr an dem Zusammenhang der Dinge und schwor sich selbst zu, alle seine Kräfte dafür einzusetzen, um mit Krag zusammen diesen Schurken zu entlarven.

      »Wie lange glauben Sie, daß es dauern wird?« fragte Holst den Arzt.

      »Ach – mindestens fünf, sechs Tage, vielleicht länger, das hängt von der Konstitution ab,« erwiderte der Arzt.

      »Ich«, begann Barra mit seiner trockenen scharfen Stimme, »habe einen ähnlichen Fall gesehen, da wurde der Mann nie wieder der Alte. Und durch eine zweite Unvorsichtigkeit wurde er getötet – wie vom Blitz erschlagen,« fügte er hinzu und bohrte seine Augen in die Holsts.

      »Ja, vor so etwas ist wohl nur der Mann im Monde sicher,« erwiderte Holst, ohne zu blinzeln.

      Barra verbeugte sich ironisch, während die anderen verständnislose Gesichter zu der Bemerkung machten.

      »Hat man einen Wagen geholt?« fragte der Arzt nun.

      »Ja.«

      Einige Augenblicke später wurde Krag in den Wagen getragen und nach Hause geführt. Holst kam mit und blieb dann an dem Bett des noch bewußtlosen Kranken sitzen, während der Arzt, nachdem er seine Anordnungen getroffen hatte, ging, um später wiederzukommen.

      Nach einigen Stunden qualvollen Wartens sah der Telegrapheningenieur zu seiner Freude, daß Krag die Augen ganz aufschlug. Er versuchte, sich auch im Bett aufzurichten, aber vermochte es nicht. Dann blieb er ruhig liegen und starrte ernst vor sich hin, ganz als sammelte er alle seine Gedanken. Holst unterbrach ihn darum mit Absicht nicht.

      »Ich bin zu Hause, wie ich sehe,« begann Krag endlich.

      »Ja, und in ausgesprochener Besserung,« stimmte Holst zu.

      »Der Stoß war also wirklich nicht tödlich. Das wird er noch bereuen.«

      »Wer? Was?« fragte Holst.

      »Nur Geduld,« erwiderte Asbjörn Krag mit einem Anflug seines alten verschmitzten Lächelns. »Wie lange muß ich nach Ansicht des Arztes hier liegenbleiben?« Und er sah seinen neuen Freund gespannt an.

      »Der Arzt meint, so fünf bis sechs Tage,« erwiderte dieser.

      »Wann hat er das gesagt?«

      »Als Sie bewußtlos im Elektrizitätswerk lagen.«

      »Wer hat es gehört?«

      »Wir alle, die wir rings herumstanden.«

      »Also der Rotbärtige auch?«

      »Ja, der auch.«

      »Schien es ihn besonders zu interessieren?«

      »Ja,« rief der Telegrapheningenieur eifrig, »das ist mir eben aufgefallen!«

      »Fünf bis sechs Tage« – Krag schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nein, das ist zu viel. Ich muß in drei wieder auf den Beinen sein. Oder sagen wir allerhöchstens in vier. Können wir uns auf den Arzt verlassen?«

      »Absolut. Ich kenne ihn persönlich.«

       »Gut. Hören Sie, Holst, Sie müssen mir einen Gefallen erweisen.«

      »Mit tausend Freuden.«

      »Es muß das Gerücht verbreitet werden, daß mein hilfloser Zustand mindestens zehn Tage dauern wird. Sorgen Sie nur ja dafür, daß Barra dies erfährt.«

      »Es wird geschehen, aber welchen Zweck soll das eigentlich haben?«

      »Ich will diesen rotbärtigen Teufel hinters Licht führen. Bisher habe ich ihn unterschätzt, aber jetzt wird er diesen Fehler begehen. Während er mich hier krank und elend glaubt, bin ich in vollster Tätigkeit, ihn zu durchschauen und alle Karten in die Hand zu bekommen.«

      »Was