Friedrich Jaennicke
Handbuch der Aquarellmalerei
Nach dem heutigen Standpunkte und mit vorzüglicher Anwendung auf Landschaft und Architektur nebst einem Anhange über Holzmalerei
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
EAN 4064066112103
Inhaltsverzeichnis
1. Ueber die Aquarellmalerei im Allgemeinen.
I. Bemerkungen über Licht und verschiedene Manipulationen.
III. Die technische Behandlung durchgeführter Bilder.
3. Plan und Anlage der Zeichnung .
Einleitung.
1. Ueber die Aquarellmalerei im Allgemeinen.
In den letzten Decennien ist kein Zweig der bildenden Kunst in so ausgiebiger Weise gefördert worden, wie die Aquarellmalerei. Die neueste Ausbildung derselben ist vorwiegend den Künstlern Englands, in zweiter Linie denen Belgiens und Frankreichs zu verdanken, wobei zu bemerken ist, daß das Aquarell seit langer Zeit schon in England sich besonderer Pflege erfreut und es dort zum guten Ton gehört, in diesem Kunstzweige einige Kenntniß, beziehungsweise Fertigkeit, sich anzueignen. Erheblichen Antheil an dieser Förderung beansprucht indessen die dortige Produktion werthvoller neuer, und was besonders zu betonen ist, sehr haltbarer Farben, wie nicht minder die stets fortgeschrittene Herstellung der sonstigen Materialien, wie vorzugsweise die des Papiers.
Die Bilder, welche noch vor nicht sehr langer Zeit in Deutschland Aquarelle genannt wurden, hatten wenig Anspruch darauf, als Malereien im eigentlichen Sinne des Wortes zu gelten. In den meisten Fällen waren es in den Schatten getuschte oder mit Neutraltinte behandelte, mit leichten Farbentönen angelegte Zeichnungen. Die Zeichnung war Haupt-, die Farbenwirkung Nebensache, und selbst wo kräftigere Farbenwirkung angestrebt wurde, scheiterte das Bild an den Veränderungen, welche die früheren, theilweise wenig haltbaren Farbenstoffe, die meist Anwendung fanden, oft schon nach sehr kurzer Zeit erlitten. Daher das heutige matte, verfärbte Aussehen dieser Classe von Gemälden.
Ganz verschieden verhalten sich die heutigen englischen, beziehungsweise nach englischer Art gemalten Aquarelle, Gemälde, welche lediglich durch die Farbe wirken und in Bezug auf glanzvolle Darstellung der Luft und Tiefe der Farben nicht selten den Oelmalereien ebenbürtig zur Seite stehen, dabei in der Farbe dauerhaft sind.
Die Technik des Aquarells ist in hohem Grade für die Darstellung der verschiedensten Stimmungen der Atmosphäre nach Wetter, Beleuchtung, Tages- oder Jahreszeit geeignet und kann nach dieser Seite hin sich ohne Ueberhebung mit der Oelmalerei messen, indem die sanftesten Stimmungen wie die großartigsten und drohendsten Effekte in Licht und Luft wirkungsvoll zum Ausdruck gebracht werden können.
In großem Maaße hierdurch bedingt ist die Aquarellmalerei daher ganz vorzüglich für die Darstellung der Landschaft und Architektur geeignet. In zweiter Linie leistet sie auch im Genre und Stillleben Erfreuliches und in bescheideneren Dimensionen läßt sie sich auch auf das Portrait anwenden. Sehr empfehlenswerth ist sie schließlich für Thier- und Blumenstücke.
Die Vortheile, welche die Aquarellmalerei vor anderen Malweisen voraus hat, sind folgende:
1. Das Aquarell verändert seine Farbe nicht, vorausgesetzt, daß es nach neueren Prinzipien und mit den in diesem Buche besprochenen Farben gemalt worden ist.
2. Luft- und Lichteffekte lassen sich weit naturwahrer darstellen wie in der Oelmalerei, indem das gekörnte Papier durch die transparenten Farbentöne durchshimmert, wodurch man eher in die Luft oder Ferne, als auf dieselbe zu blicken vermeint. In diesem Punkte hat das Aquarell sogar einen bestimmten Vorzug, indem bei dem Oelbilde die hellsten Lichter in Luft und Ferne stets impastirt, d. h. mit dicker, undurchsichtiger Farbe aufgetragen sind. Wo im Aquarell Luft und Ferne nicht getreu der Natur wiederspiegeln, da liegt die Schuld durchaus nicht an unzulänglichen Mitteln der Darstellung, sondern vielmehr an der Ungeschicklichkeit des Darstellers.
3. Die Schnelligkeit der Arbeit, da man nur kurze Pausen zu machen nöthig hat, indem das nasse Papier in den Fällen, wo man nicht weiter arbeiten kann, sehr rasch trocknet.
4. Unterbrechungen der Arbeit können mit unerheblichen Ausnahmen jederzeit eintreten.
5. Mit dem Aquarellpinsel läßt sich weit leichter und sicherer zeichnen, als es die Oelfarbe ermöglicht.
6. Das Malen nach der Natur ist bei der leichten Tragbarkeit der Materialien ungemein erleichtert.
7. Zu warme Farbentöne können durch Lasuren sehr leicht herabgestimmt und zu kalte erhöht werden.
Den aufgezählten Vortheilen stehen jedoch einige manchmal recht fühlbare Nachtheile entgegen, welche sich indessen durch Geschicklichkeit und namentlich durch reifliche Ueberlegung vor Beginn der Arbeit überwinden lassen.
In erster Linie ist hier die schwierige Behandlung einer an Farben und Wolkenbildungen reichen Atmosphäre zu nennen. Große Veränderungen,