»Und du meinst, daß dies nur den Frauen zukommt?« fragte er mit einem Lächeln, das sie reizte.
»Erlaube mal, ich habe nie schlechte Laune!«
»Dann kannst du mir ja die Kleine beruhigt lassen.«
»Detlef, du bist...«
»Abscheulich, das weiß ich nun bereits.«
Da sprang sie auf, warf die Serviette in die Gegend und lief hinaus, die Tür hinter sich zuknallend. Nun sagte Rasmus verlegen:
»Ich schäme mich, Detlef.«
»Warum denn, Vater?«
»Weil ich mein Kind nicht besser erzog.«
»Nun, nicht jeder Mensch ist ein guter Erzieher. Liebe macht eben schwach. – Und nun laß die Sorgenmiene«, setzte er lachend hinzu. »Wir müssen unsere ›Wilde Rose‹ nehmen, wie sie nun einmal ist.«
Sie gingen ins Wohnzimmer, machten es sich gemütlich und rauchten.
Detlef wandte sich an den Vater und fragte:
»Was machen eigentlich unsere Nachbarn? Kommst du oft mit ihnen zusammen?«
»Nicht sehr oft, mein Junge, denn es hat sich manches geändert, seitdem du fort warst. Die beiden alten Brunbachs sind tot, der Sohn hat geheiratet.«
»Das klingt ja wie bedauernd, Vater.«
»Ist es auch, Detlef. Denn die Frau ist unmöglich.«
»Aber wie konnte Manfred so eine Wahl treffen?«
»Sie hat Geld, und das besagt wohl alles. Du weißt ja, daß es um den Lerchenhof schon immer wackelig stand. Und jetzt ist er ein Mustergut.«
»Hm, ich verstehe. Und Grandts?«
»Die brannten ab. Da sie nicht genügend versichert waren, konnten sie nicht wieder aufbauen und verkauften das noch Gebliebene. Jetzt leben sie in der Stadt, wo sie sich kreuzunglücklich fühlen, wenigstens die Alten. Denn die Tochter hat einen Schweden geheiratet und wohnt mit Kind und Mann auf dessen Besitz. Schlecht geht es den Alten nicht, weil der Schwiegersohn sie reichlich unterstützt. Aber sie sehnen sich aus der Stadt aufs Land zurück. Sie sind schon an mich herangetreten, ob ich ihnen nicht das kleine Waldhaus hinter dem Park, das jetzt leer steht, vermieten möchte, doch dazu konnte ich mich bisher noch nicht entschließen.«
»Und wer sitzt jetzt auf Eiseln?«
»Ein Herr von Kyrt, der seine Offizierslaufbahn aufgeben mußte, weil er bei einem Dienstritt stürzte und sich dadurch ein Beinleiden zuzog. Man zahlte ihn anständig aus, und er scheint nebenbei noch vermögend zu sein, manche bezeichnen ihn sogar als reich. Er hat gut aufgebaut und seinen Besitz wunderbar in Schuß, zumal der Sohn Landwirt ist.«
»Wie lange sind sie schon auf Eiseln?«
»Seit dem Frühjahr vorigen Jahres. Sie haben hier Besuch gemacht, wir ihn erwidert, aber dabei blieb es fürs erste. Vornehme, feine Menschen. Die Tochter sehr hübsch, ein wenig herb und zurückhaltend, der Sohn das, was man einen schneidigen Kerl nennt, so was ungefähr wie Manfred Brunbach. Wir wollten sie zu Rositas neunzehntem Geburtstag mit den anderen zusammen einladen, doch da kam meine Krankheit dazwischen.«
»Nun, das läßt sich ja nachholen, Vater. Und die andern, mit denen wir nachbarlichen Verkehr pflegten?«
»Die alten Telks sind auch tot, die Tochter verheiratet, der jüngere Sohn lebt als Ingenieur weiter von hier, und der ältere, der das Gut übernahm, führt mit einer lustigen Witwe zusammen einen lockeren Lebenswandel, so daß sich die Nachbarn von ihm zurückzogen.«
»Und warum heiratet er die Frau nicht?«
»Keine Ahnung. Man munkelt so allerlei, aber auf Gerede kann man nichts geben. Jedenfalls ist er auch für uns erledigt.«
»Und wie geht es den Heinboldts?«
»Das sind immer noch die alten, gemütlich und fidel. Die Elke ist ein blitzsauberes Marjellchen, ist nach Absolvierung einer landwirtschaftlichen Frauenschule jetzt wieder zu Hause, und die beiden Jungens gehen ja noch zur Schule. Prächtige Menschen, die Heinboldts, ich bin gern mit ihnen zusammen, aber auch die Kyrts sind mir äußerst sympathisch. Hast du mich jetzt genug examiniert, mein Sohn?«
»Jawohl«, lachte dieser. »Wie wäre es, Vater, wenn du die Erwähnten, außer Telk natürlich, zu einer kleinen nachträglichen Hochzeitsfeier einladen würdest? Es tut immer gut, nachbarlichen Verkehr zu pflegen.«
»Mir schon recht, mein Junge.«
*
Am Neujahrstag fand sich. dann auf Brandungen eine fröhliche Gesellschaft zasammen. Auch das Ehepaar Grandt war aus der Stadt gekommen und hatte eine Nichte mitgebracht, die seit kurzem bei ihnen lebte. Sie war eine Waise, die sich bisher bei Fremden ihr Brot verdiente. Da sah der Onkel gar nicht ein, warum er seinem Bruderkind in seinem Hause nicht eine Heimat geben sollte. So war man nicht allein, hatte etwas Junges, Fröhliches um sich als Ersatz für die ferne Tochter.
Sie war nicht gerade hübsch, die dreiundzwanzigjährige Marlene, aber es ging etwas Liebes von ihr aus, was ihr die Sympathie der Menschen gewann. Dazu war sie nett gekleidet, worauf sie selbst und auch die Anverwandten Wert legten.
Auch die anderen Damen machten einen sehr eleganten Eindruck, die Baronin von Brunbach sogar einen mondänen, nur die junge Gräfin Trutzger hatte keine Zeit mehr gehabt, sorgfältig Toilette zu machen, weil es auf dem Hof noch etwas Dringendes für sie zu erledigen gab. So blieben ihr noch fünf Minuten Zeit zum Umkleiden, da gongte auch schon die Kaffeetafel. Rasch warf sie den Reitdreß ab, griff nach irgendeinem Kleid, streifte rasch ein Paar Sandaletten über und während sie davonlief, glättete sie mit den Fingern das Haar.
So erschien sie denn auch alles andere als elegant, zumal sie in der Eile eines der neuen Kleider erwischt hatte, das ihr nicht paßte, es war zu lang und zu weit. Familie Kyrt, noch Neulinge hier, sahen die junge Gräfin verdutzt an, die Baronin Brunbach maliziös und Marlene Grandt erschrocken.
Nanu, die beiden Grafen wirkten doch so distinguiert, die ganze Umgebung direkt feudal, und nun dazu dieses Landpomeränzchen.
Zu weiteren Betrachtungen kam sie nicht, weil Rosita mit Hallo begrüßt wurde. Man gratulierte noch persönlich zur Hochzeit; denn schriftlich hatte man es bereits getan. Rosita lachte und strahlte, man stellte ihr Marlene Grandt vor.
»Willkommen bei uns«, streckte sich ihr eine nicht ganz saubere Hand entgegen, und da war Marlene von dem Charme des »Pomeränzchens« besiegt. Wo hatte sie zuerst nur ihre Augen gehabt? Diese kindliche Gräfin war ja direkt schön, von einer Schönheit, die bezauberte. Man schien sie allgemein sehr gern zu haben, sie als etwas wie einen Verzug zu betrachten. Jedenfalls beherrschte sie mit ihrer herzbezwingenden Natürlichkeit den ganzen Kreis.
»Potztausend, Komteßchen, jetzt muß man ja Frau Gräfin sagen«, schmunzelte Herr von Heinboldt, ein blonder Hüne, gutmütig und gemütlich. »Schwer, umzulernen, wenn man so etwas Niedliches schon von den Windeln her kennt.«
Man stimmte ihm lachend zu, und Rosita setzte ihr graziles Figürchen in Positur, die Augen blitzten.
»Da bitte ich mir den nötigen Respekt aus, Onkel Heinboldt.«
Die anderen hörten dieses lustige Geplänkel amüsiert mit an, nur die Baronin Brunbach lächelte mokant. Mondän und entschieden gelangweilt saß sie da, die Schöne mit dem tizianroten Haar, das bestimmt nicht echt war. Grell leuchtete der sehr auffallend geschminkte Mund aus dem gepuderten Gesicht, die schon fahlblauen Augen dadurch noch verblichener erscheinen lassend.
Zu ihrem Leidwesen neigte die extravagante Dame zur vollschlanken Linie, was sie auch dauernd trainieren ließ. Sie trieb viel Sport, aß sich nie satt, und ein leerer Magen macht wirklich übellaunig.
Davon wußte der Gatte ein Liedchen zu singen, der diese Frau wahrscheinlich nur geheiratet hatte, weil sein Besitz, an dem er mit jeder Faser seines Herzens hing, das Geld brauchte,