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Johnny strich Molly mal wieder ziemlich aufdringlich um die Beine. Er rieb seinen Kopf daran und lehnte sich liebesbedürftig dagegen.
Molly drehte sich vorsichtig um, damit sie dem Kater nicht aus Versehen auf die Pfoten trat, und ging zu dem Tisch, auf den sie das Päckchen gelegt hatte.
Wer mochte ihr das Buch geschickt haben? Harry Baxter? Sie nahm das Päckchen in die Hand und drehte es hin und her. Um es öffnen zu können, musste sie zwei Klebestreifen durchschneiden.
Sie ging in die Küche, öffnete eine Lade, nahm ein scharfes Keramikmesser heraus und machte damit vier rasche Schnitte.
Nachdem sie das Messer an seinen Platz zurückgelegt und die Lade geschlossen hatte, zog sie die beiden Kartonlaschen aus den seitlichen Schlitzen und hielt wenig später das Buch in ihren Händen. Schätzungsweise dreihundert Seiten. Hardcover. Pechschwarz mit Silberprägung. Der Name des Autors fehlte. Nur der Titel stand auf dem Umschlag. Ein Titel, der Molly verwirrte und mit dem sie nichts anzufangen wusste: ERBEN MÜSSEN STERBEN.
Ein Kriminalroman? Wer hatte ihn geschrieben? Molly hoffte, dies im Inneren des Buches zu erfahren. Sie schlug es auf und fing an zu blättern.
Verblüfft stellte sie fest, dass ihr so ein Werk noch nie untergekommen war. Es stand nämlich überhaupt nichts drin. Alle dreihundert Seiten waren jungfräulich weiß. Das Buch bestand aus lauter leeren Seiten.
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Wer hat sich die Mühe gemacht, so ein bescheuertes Werk binden zu lassen?, fragte sich Molly. Was soll dieser Schwachsinn? Das kann doch nur diesem Geistesgestörten eingefallen sein? Was bezweckt er damit? Was wird er noch alles aushecken? Wie lange wird er mich noch mit seinen irren Ideen bombardieren? Wie soll man diesem Kranken das Handwerk legen? Besteht eine solche Möglichkeit überhaupt? Wo ist er? Wo versteckt er sich? Kenne ich ihn?
Das Telefon schrillte plötzlich so laut, dass Molly beinahe das unbrauchbare Buch hätte fallen lassen. Sie zuckte heftig zusammen, drehte sich um und starrte den Apparat wie einen Feind an.
Doch dann entspannte sie sich. Vielleicht wollte Hetty Page noch etwas loswerden. Oder der Anrufer war gar … Harry Baxter. Darüber hätte sie sich ehrlich gefreut. Sie legte das wertlose Werk weg und ging zum Telefon.
»Stone.«
Der Anrufer sagte nichts.
»Hallo?«
Schweigen.
Molly fröstelte leicht. »Wer ist da?« Eine Ahnung stieg in ihr hoch.
Der Anrufer legte auf. Hatte er sich verwählt? Dann hätte er sich wenigstens entschuldigen können. Aber nichts zu sagen und die Verbindung einfach zu unterbrechen, zeugte von keinen guten Manieren.
Er unternahm einen zweiten Anlauf – und diesmal blieb er nicht stumm. Hatte er sie vorhin nicht gehört, nicht richtig verstanden? Ab und zu kam es bei Telefonen zu solchen Fehlleistungen. Hatte er deshalb aufgelegt und es noch mal versucht?
»Miss Stone?«
»Ja.«
»Miss Molly Stone?«
»Ja. Und wer sind Sie?«, fragte Molly spröde.
»Oh …« Hatte sie ihn mit ihrer Frage überrascht? »Äh … Ich bin … Ein Freund … Ein guter Freund.«
»Von wem?«, wollte Molly wissen.
»Ich bin Ihr guter Freund, Molly«, behauptete der Anrufer.
Sie hatte das Gefühl, Eiswasser würde durch ihre Adern fließen. »Amigo? Sind Sie Amigo?«
Der Mann lachte leise. »Ich hoffe, ich darf Ihr Amigo sein.«
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Molly abweisend.
Der Anrufer sagte mit leichtem Vorwurf: »Sie klingen so unfreundlich – um nicht zu sagen … feindselig.«
»Wundert Sie das?«, gab Molly steif zurück. »Warum belästigen Sie mich?«
»Es tut mir aufrichtig leid, wenn Sie sich durch mich belästigt fühlen, Molly. Es liegt eigentlich nicht in meiner Absicht, Sie zu inkommodieren.«
Was für eine geschraubte Formulierung, dachte Molly. »Ach, tatsächlich?«, sagte sie spitz. »Und warum tun Sie’s dann? Wie ist Ihr richtiger Name?«
»Gefällt Ihnen Amigo nicht?«
»Ihre Powerpoint-Präsentation war eine Meisterleistung«, sagte Molly harsch.
»Vielen Dank.«
»Haben Sie das allein hingekriegt oder hat Ihnen jemand geholfen?«
»Oh, ich bin in diesen Dingen sehr geschickt«, sagte der Anrufer. »Ich benötige für so etwas keine Hilfe.«
»Sie sind auch als Dokumentenfälscher sehr gut.«
»Wenn Sie das sagen.« Er schien sich geschmeichelt zu fühlen.
»Und wozu der ganze Aufwand?«, wollte Molly wissen. »Haben Sie eine vernünftige Begründung für all den Nonsens, den Sie bisher inszeniert haben?«
»Ich könnte Ihnen eine plausible Erklärung geben …«
»Tun Sie’s!«, verlangte Molly.
»Die Zeit ist noch nicht reif dafür«, behauptete Amigo. »Sie sind noch nicht soweit, Molly.«
»Wie weit? Was haben Sie vor? Warum haben Sie diesen Keil zwischen Harry Baxter und mich getrieben? Wieso stehen Sie im Dunkeln vor unserem Haus, klopfen an die Tür, graben im Garten? Wollen Sie mich – wie diese armen jungen Frauen in den Schauerfilmen, die spätnachts im Fernsehen laufen – psychisch zerrütten, meine nervliche Widerstandskraft untergraben und mich sukzessive in den Irrsinn treiben? Das wird Ihnen nicht gelingen. Wenn Sie Ihr krankes Treiben nicht einstellen, werde ich …«
»Was, Molly!«, schnitt Amigo ihr scharf das Wort ab. »Was werden Sie?«
»Ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen das Handwerk legt!«, rief Molly zornig.
»Darf ich fragen, wie Sie das anstellen wollen?«, erkundigte sich Amigo unbeeindruckt.
»Schon mal von Polizei gehört?«, schnappte Molly.
»Polizei.« Amigo lachte überheblich. »Meine Güte. Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht so sehr auf deren Hilfe verlassen. Sehen wir’s doch mal pragmatisch. Wer geht denn schon zur Polizei? Doch nur der, der in der Privatwirtschaft mit fliegenden Fahnen untergehen würde. Faule Säcke. Nichtskönner. Versager. Einfaltspinsel. Weicheier. Menschen mit unterdurchschnittlichem IQ. Die werden Polizisten. Weil sie für sonst nichts taugen. Im Dienst, wenn sie ihre schicke Uniform tragen, können sie die großen Herren spielen, den gestrengen Despoten raushängen lassen, Verkehrssünder erbarmungslos zur Schnecke machen, Parksünder hart bestrafen, Radfahrer unerbittlich schikanieren, Fußgänger drakonisch abmahnen … Diese Leute können Ihnen nicht helfen, Molly. Sie können es ja mal versuchen, aber ich sage ihnen jetzt schon, dass man Sie schwer enttäuschen wird.«
Eine Menge Adrenalin raste durch Mollys Adern. »Ich nehme an, das … Buch ist von Ihnen.«
»Ja. Gefällt es Ihnen?«
»Es ist eine stilistische Meisterleistung«, antwortete Molly Stone zynisch. »Literatur auf höchstem Niveau. Einfach genial, wie Sie mit banalen Floskeln, schalen Formulierungen und platten Worten auf leeren Seiten umzugehen verstehen.«
»Was sagen Sie zum Titel?«
Molly geriet ins Schwärmen. »Grandios. Intelligent. Aus kaufmännischer Sicht betrachtet ein strategischer Knaller. Einmalig auf dem internationalen Buchmarkt. ›Erben müssen sterben‹. Das macht extrem neugierig, weckt ungeheures Interesse, ist ein Kaufanreiz allererster Güte. Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Ich habe ihn aus dem Leben gegriffen.«
»Wird