»Für mich auch«, meldete sich Matthew zu Wort.
»Du hast die Herren gehört!«, brüllte Shawcombe seinen unglücklichen Onkel an. »Geh und hol Bier! Das Beste, das wir haben! Beweg deinen Arsch, hab ich gesagt!« Er machte zwei drohende Schritte auf den Alten zu, hob seinen Krug Rum, als wollte er ihn Abner auf den Schädel stellen, und verschüttete dabei etwas der übel riechenden Flüssigkeit über seine Gäste. Matthew warf Woodward einen finsteren Blick zu, aber der schüttelte angesichts der Komödie, die sich vor ihnen abspielte, nur den Kopf. Abners durchnässte Widerstandskraft kapitulierte vor dem Zorn seines Neffen, und er huschte in die Speisekammer, aber nicht, bevor er einen üblen, fast geschluchzten Fluch von sich gegeben hatte.
»Manche Leute verstehen nicht, wer in diesem Haus das Sagen hat!« Shawcombe zog einen Stuhl heran und setzte sich uneingeladen zu ihnen an den Tisch. »Ihr solltet mich bedauern, meine Herren! Wo ich auch hinsehe, fällt mein Blick nur auf Idioten!«
Und seine Augen sind auch die eines Idioten, dachte Matthew.
Woodward rutschte auf seinem Stuhl umher. »Ich bin mir sicher, dass es nicht einfach ist, ein Wirtshaus zu führen.«
»Jawohl, so wahr mir Gott helfe! Ein paar Reisende kommen hier durch, aber nicht viele. Ein bisschen Handel kann ich mit Trappern und den Rothäuten betreiben. Wobei ich auch erst seit drei, vier Monaten hier bin.«
»Habt Ihr das alles selbst gebaut?«, fragte Matthew. Ihm fielen ein halbes Dutzend Stellen auf, an denen Wasser aus dem schiefen Dach tropfte.
»Ja. Jeden einzelnen Stamm, jedes Brett. Alles.«
»Euer schlimmer Rücken hat Euch erlaubt, all die Baumstämme zu fällen und hierher zu ziehen?«
»Mein schlimmer Rücken?« Shawcombe runzelte die Stirn. »Wovon redet Ihr?«
»Von Eurem schlimmen Rücken, den Ihr Euch beim Heben von schweren Strohballen verletzt habt. Sagtet Ihr nicht, dass Ihr an der Thames gearbeitet habt? Ich dachte, aufgrund dieser Verletzung könnt Ihr nichts tragen, wie zum Beispiel … oh, einen oder zwei Koffer.«
Shawcombes Gesicht gefror. Mehrere Sekunden vergingen, dann schnellte seine Zunge aus dem Mund hervor und leckte über seine Unterlippe. Er lächelte, doch es war ein hartes Lächeln. »Ach ja«, sagte er langsam. »Mein Rücken. Na … ich habe einen Geschäftspartner gehabt. Der hat gesägt und geschleppt. Wir haben auch ein paar Rothäute angeheuert, sie mit Glasperlen bezahlt. Was ich gemeint hatte, war … dass mein Rücken mehr weh tut, wenn es regnet. An anderen Tagen hab ich keine Schmerzen.«
»Was ist aus Eurem Geschäftspartner geworden?«, fragte Woodward.
»Der ist krank geworden«, kam die schnelle Antwort. Sein Blick war noch immer auf Matthew gerichtet. »Hatte Fieber. Der arme Kerl musste aufgeben und nach Charles Town zurück.«
»Er ist nicht nach Fount Royal gegangen?«, hakte Matthew nach. Sein Bluthundinstinkt hatte ihn wachsam gemacht: Hier roch es eindeutig nach Hinterlistigkeit. »In Fount Royal gibt es doch einen Arzt, oder?«
»Davon weiß ich nichts. Ihr habt gefragt, ich antworte. Er ist nach Charles Town zurückgegangen.«
»Hier! Trinkt, bis Euch die Bäuche platzen!« Zwei bis obenhin gefüllte Holzkrüge wurden in der Mitte des Tisches niedergeknallt, und dann zog sich Abner, der noch immer vor sich hin brummte und fluchte, zum Trocknen ans Feuer zurück.
»Es ist ein hartes Land«, sagte Woodward, um die Spannung zwischen den beiden anderen Männern zu brechen. Er nahm sich einen Krug und entdeckte zu seinem Kummer, dass auf der Oberfläche des Getränks ein öliger Film schwamm.
»Es ist eine harte Welt«, korrigierte Shawcombe und löste erst jetzt seinen Blick von Matthew. »Trinkt, meine Herren«, sagte er und ließ sich den Rum in die Kehle rinnen.
Sowohl Woodward als auch Matthew waren vorsichtig genug, zuerst nur an ihrem Gebräu zu nippen – und waren gleich darauf froh, nicht wagemutiger gewesen zu sein. Das Bier, das dem Geschmack nach wohl aus fermentierten sauren Äpfeln gebraut worden war, erwies sich als so stark, dass sich ihnen Mund und Kehle zusammenzogen. Matthew tränten die Augen und Woodward hätte schwören können, dass ihm Schweißtropfen durch die Perücke quollen. Dennoch brachten sie jeder einen Schluck herunter.
»Das Bier krieg ich von den Indianern.« Shawcombe wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Die haben ein Wort dafür, das Schlangenbiss bedeutet.«
»Ich fühle mich auch, als wäre ich gebissen worden«, sagte Woodward.
»Der zweite Schluck ist nicht mehr so schlimm. Wenn Ihr erst mal die Hälfte runter habt, werdet Ihr Euch entweder wie ein Löwe oder wie ein Lamm fühlen.« Shawcombe nahm einen weiteren Schluck und ließ den Alkohol in seinem Mund umherschwappen. Er legte die Füße auf den Tisch neben ihnen und lehnte sich im Stuhl zurück. »Wenn Euch die Frage nicht stört – was wollt Ihr denn in Fount Royal?«
»Es geht um eine rechtliche Angelegenheit«, antwortete Woodward. »Ich bin ein Richter.«
»Ahaaaa.« Shawcombe nickte, als verstünde er alles. »Tragt Ihr beide Richterroben?«
»Nein, Matthew ist mein Gerichtsdiener.«
»Es hat bestimmt was mit dem Ärger dort zu tun, hab ich recht?«
»Es handelt sich um eine ärgerliche Angelegenheit, ja«, sagte Woodward, ohne zu wissen, inwieweit dieser Mann über die Geschehnisse in Fount Royal informiert war, und unwillig, ihm Auskünfte zu geben, durch die Shawcombe für andere Reisende Tratsch erfinden konnte.
»Oh, ich weiß Bescheid«, meinte Shawcombe. »Ist ja kein Geheimnis. Die letzten zwei Monate sind die Postreiter hier durchgekommen, und die haben's mir erzählt. Sagt mir nur, werdet Ihr sie hängen, auf den Scheiterhaufen bringen oder ihr den Kopf abschlagen?«
»Erstens müssen die Beschuldigungen gegen sie bewiesen werden. Zweitens fällt das Hinrichten nicht in meine Zuständigkeit.«
»Aber Ihr werdet sie verurteilen, oder? Sagt schon! Wie wird das Urteil lauten?«
Woodward gelangte zu der Einsicht, dass er den Wirt nur von diesem Thema abbringen konnte, indem er zuerst weiter darüber redete. »Falls sie für schuldig befunden wird, steht darauf der Galgen.«
»Pah!« Shawcombe wedelte unzufrieden mit der Hand. »Wenn ich das entscheiden könnte, würde ich ihr den Kopf abschlagen und sie außerdem verbrennen! Dann würde ich die Asche nehmen und ins Meer werfen! Salzwasser können die nämlich nicht ab, wisst Ihr.« Er wandte den Kopf in Richtung Kamin und brüllte: »Ihr beiden da! Wir warten aufs Essen!«
Maude zischte ihm etwas zu. Er schrie: »Na, dann mach schon!« Ein weiterer Schluck Rum verschwand in seiner Kehle. »Also«, sagte er zu seinen schweigenden Gästen, »so seh ich das: Die sollten Fount Royal verlassen, alles in Brand setzen und wegziehen. Wenn der Teufel sich erst mal wo eingenistet hat, dann gibt's keine Hilfe außer dem Feuer. Ihr könnt sie hängen oder was auch immer, aber der Teufel hat jetzt seine Saat in Fount Royal gesät, und da gibt's nichts zu retten.«
»Das halte ich für eine extreme Sichtweise«, entgegnete Woodward. »In anderen Orten gab es ähnliche Schwierigkeiten, und nachdem das Ärgernis beseitigt wurde, konnten die Städte überleben und aufblühen.«
»Na, ich würde nicht in Fount Royal leben wollen, und auch sonst nirgends, wo der Teufel umherspaziert, als sei er da zuhause! Das Leben ist so schon hart genug. Ich will nicht verflucht werden, während ich im Bett liege und schlafe!« Er grunzte, um seine Meinung zu betonen. »Tja, Sir, Ihr redet zwar hübsch daher, aber ich wette, dass Ihr nicht in eine Gasse gehen wollt, wo nachts der Beelzebub wartet! Mein Rat an Euch, Sir, auch wenn ich nur ein einfacher Wirt bin: Hackt der Teufelshure den Kopf ab und befehlt, die ganze Stadt in Grund und Boden zu brennen.«
»Ich will nicht so tun, als könnte ich alle Mysterien durchschauen, seien es nun heilige oder gotteslästerliche, und wüsste Antwort