MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1). Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия: Matthew Corbett
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351981
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      »Jawohl, Sir«, gab sie zurück und entfernte sich schweren Schrittes durch den Flur zu dem Zimmer, in dem Matthew untergebracht war.

      Woodward knöpfte das Hemd zu, das an den Armen etwas kurz und am Bauch sehr eng war. Es gehörte zu den Kleidungsstücken – Hemden, Hosen, Westen, Strümpfe und Schuhe –, die der Gastgeber für ihn und Matthew gesammelt hatte, nachdem Bidwell aus seiner Ohnmacht erwacht und darüber informiert worden war, was mit ihren Sachen geschehen war. Bidwell, der erkannte, dass Gottes Gnade ihn endlich ereilt hatte, stellte ihnen daraufhin wohlwollend zwei Zimmer in seinem Herrenhaus und Kleidungsstücke in annähernder Größe zur Verfügung. Auch Notwendigkeiten wie frisch geschärfte Rasiermesser und ein heißes Bad wurden organisiert. Woodward hatte befürchtet, dass er sich all den Dreck nie wieder von der Haut schrubben konnte, doch auch die letzten Krümel hatten unter einem rauen Schwamm und festem Rubbeln nachgegeben.

      Er hatte sich bereits eine schwarze Hose angezogen, die ebenfalls etwas eng ausfiel, sowie weiße Strümpfe und ein Paar schwarzer, kantiger Schuhe. Über das Hemd zog er eine grauseidene Weste, die Bidwell ihm aus seinem Kleiderschrank zur Verfügung gestellt hatte. Erneut musterte er sein Gesicht im Spiegel und bedauerte, dass er diesen Menschen kahlköpfig und mit Altersflecken übersät entgegentreten musste, denn eine Perücke war ein zu persönliches Stück, als dass er sich eine hätte leihen können. Aber gut, so war es eben – zumindest hatte er überlebt. Wenn er ganz ehrlich sein wollte, hätte er sich lieber schlafen gelegt, als Bidwells Ehrengast zu sein, denn er war noch immer erschöpft. Nach seinem Bad hatte er drei Stunden geschlafen, und das würde reichen müssen, bis er sich wieder auf der ausgezeichneten, mit Federn gefüllten Matratze des Betts ausstrecken konnte, das hinter ihm stand.

      Als letzte Vorbereitung sperrte er den Mund auf und betrachtete seine Zähne. Seine Kehle fühlte sich recht trocken an, doch das war nichts, was ein Schluck Rum nicht beheben konnte. Nach Sandelholzseife und dem Zitronenöl des Rasierwassers duftend öffnete er die Tür seines großzügig angelegten Zimmers und betrat den mit Kerzen beleuchteten Flur.

      Unten folgte er dem Klang von Stimmen in einen holzvertäfelten Raum, der sich gleich neben dem Haupteingangsbereich befand. Das Zimmer war für eine Versammlung vorbereitet worden. Die Stühle und anderen Möbelstücke waren zur Seite gerückt worden, um genügend Platz zu schaffen, und ein freundliches Feuer brannte in einem Kamin aus weißem Stein. Im Laufe des verregneten Abends war es kalt geworden. Ein aus Geweihen gefertigter Kerzenleuchter, zwischen dessen Geweihspitzen ein Dutzend Kerzen flackerten, hing von der Decke. Bidwell war bereits da, mit einer neuen opulenten Perücke und einem weinfarbenen Samtanzug bekleidet. Er stand neben zwei anderen Gentlemen, und als Woodward den Raum betrat, unterbrach er sein Gespräch. »Aha, hier kommt der Richter! Sir, konntet Ihr Euch etwas erholen?«

      »Ich befürchte, noch nicht genug«, gab Woodward zu. »Die Anstrengungen der letzten Nacht machen sich noch bemerkbar.«

      »Der Richter hat eine bemerkenswerte Geschichte zu erzählen!«, sagte Bidwell zu den anderen Gentlemen. »Anscheinend sind er und sein Gerichtsdiener auf ihrer Reise hierher in einem Wirtshaus fast ermordet worden! Der Schurke schien im Morden bereits recht geübt zu sein, nicht wahr, Sir?« Er hob die Augenbrauen, sodass Woodward mit seiner Geschichte fortfuhr.

      »Das war er. Mein Gerichtsdiener hat uns das Leben gerettet, auch wenn wir sonst nichts mehr retten konnten. Wir waren gezwungen, all unsere Habseligkeiten zurückzulassen. Ach, ich freue mich auf morgen, Mr. Bidwell.«

      »Der Richter hat mich gebeten, einige Milizsoldaten dorthin zu beordern, damit er seine weltlichen Güter zurückerhalten kann«, erklärte Bidwell. »Und auch, um den Mann zu verhaften und ins Gefängnis zu bringen.«

      »Und ich komme mit«, sagte Woodward. »Shawcombes Gesichtsausdruck, wenn ihm die Hände in Eisen gelegt werden, möchte ich um nichts in der Welt verpassen.«

      »Will Shawcombe?« Einer der Gentlemen – ein jüngerer Mann Anfang dreißig – runzelte die Stirn. »Ich habe einmal auf meinen Reisen nach Charles Town und zurück in seiner Herberge Halt gemacht! Sein Charakter kam mir durchaus zweifelhaft vor.«

      »Aus gutem Grund. Er hat auch den Richter ermordet, der sich vor zwei Wochen auf den Weg hierher gemacht hatte. Thymon Kingsbury war sein Name gewesen.«

      »Lasst mich Euch vorstellen«, sagte Bidwell. »Herr Richter Isaac Woodward, dies ist Nicholas Paine.« Er nickte dem jüngeren Mann zu, und Woodward schüttelte dessen ausgestreckte Hand. »Und Elias Garrick.« Woodward schüttelte auch Garrick die Hand. »Mr. Paine ist der Captain unserer Miliz. Er wird morgen früh den Feldzug leiten, mit dem wir Mr. Shawcombe dingfest machen werden. Nicht wahr, Nicholas?«

      »Es ist mir Pflicht und Vergnügen, Euch zu dienen, Herr Richter«, sagte Paine. Doch das Glitzern in seinen eisengrauen Augen schien zu verraten, wie sehr es ihm missfiel, dass die Pläne für die Festnahme ohne sein Beisein geschmiedet worden waren.

      »Mr. Garrick besitzt die größte Farm in Fount Royal«, fuhr Bidwell fort. »Und er war einer der Ersten, die mir hierher gefolgt sind.«

      »Jawohl, Sir«, sagte Garrick. »Schon im ersten Monat habe ich mein Haus gebaut.«

      »Aha!« Bidwell hatte einen Blick auf die offenstehende Tür geworfen. »Hier kommt der werte Gerichtsdiener!«

      Matthew war gerade hereingekommen. Er trug zu kleine Schuhe, die seine Zehen zwickten. »Guten Abend, meine Herren«, sagte er und brachte ein schwaches Lächeln zustande, obwohl er noch übermüdet war und keine Lust auf Geselligkeit hatte. »Entschuldigt bitte, dass ich auf mich habe warten lassen.«

      »Ihr müsst Euch nicht entschuldigen!« Bidwell winkte ihn heran. »Wir haben gerade Eure Abenteuer von gestern Abend erfahren.«

      »Das war eher ein Unglücksfall als ein Abenteuer gewesen«, entgegnete Matthew. »Derartiges möchte ich ganz bestimmt nicht noch einmal erleben.«

      »Gentlemen, dies ist der Gerichtsdiener des Richters, Mr. Matthew Corbett«, verkündete Bidwell. Unter allgemeinem Händeschütteln stellte er Matthew Paine und Garrick vor. »Ich habe gerade dem Richter erzählt, dass Mr. Paine der Captain unserer Miliz ist und den Feldzug …«

      »… anführen wird, um Mr. Shawcombe morgen festzunehmen«, unterbrach ihn Paine. »Da der Weg lang ist, werden wir pünktlich bei Sonnenaufgang losziehen.«

      »Es wird ein wahres Vergnügen sein, für etwas so Befriedigendes früh aufzustehen, Sir«, sagte Woodward.

      »Gut. Ich werde noch ein, zwei Männer aussuchen, die mitkommen. Werden wir Waffen benötigen oder glaubt Ihr, dass Shawcombe sich ohne Gewaltanwendung ergeben wird?«

      »Waffen«, sagte Woodward. »Wir werden auf jeden Fall Waffen brauchen.«

      Das Gespräch wandte sich anderen Themen zu, vor allem den neuesten Ereignissen in Charles Town. Matthew, der ein weißes Hemd, beigefarbene Kniehosen und weiße Strümpfe trug, hatte Gelegenheit, Paine und Garrick zu mustern. Der Captain der Miliz war ein kräftig wirkender Mann, der um die eins fünfundsiebzig groß sein mochte. Matthew schätzte ihn auf ungefähr dreißig Jahre. Er trug sein sandfarbenes Haar lang, hatte es mit einem schwarzen Band zum Zopf gebunden. Sein Gesicht war ebenmäßig, er hatte eine lange dünne Nase und buschige blonde Augenbrauen, die sich tief über die metallgrauen Augen wölbten. Matthew nahm aufgrund Paines Körperbau und der sparsamen Art, auf die er sich bewegte, an, dass er ein kühler, sachlicher Mann war, der körperliche Arbeit gewohnt und vermutlich ein guter Reiter war. Auch schien Paine sich um Mode keine Gedanken zu machen – seine Kleidung bestand aus einem einfachen grauen Hemd, einer abgenutzten Lederweste, dunkelbraunen Hosen, grauen Strümpfen und braunen Stiefeln.

      Garrick, der wesentlich mehr zuhörte als sprach, machte auf Matthew den Eindruck eines derben Gentleman, der wohl Ende fünfzig sein mochte. Er war dünn und knochig, und sein hageres Gesicht war vom gnadenlosen Sonnenlicht vergangener Sommer braun gebrannt und verwittert. Seine braunen Augen lagen tief in den Höhlen; seine linke Augenbraue war von einer kleinen Narbe zweigeteilt und zeigte leicht nach oben. Seine grauen Haare waren mit Pomade glatt nach hinten gekämmt. Er trug cremefarbene Cordhosen, ein blaues Hemd und eine alte