Tränen rannen über ihr Gesicht und vermischten sich mit seinen, als sich Wange an Wange preßte.
»Vater«, flüsterte Mirja.
*
Obgleich Dr. Peter Rasmus gewaltige Sehnsucht nach Frau und Kind hatte, fuhr er vom Flugplatz doch zuerst zur Prof.-Kayser-Klinik. Er traf Dr. Laurin gerade noch an und wurde mit einem erheiterten Lächeln begrüßt.
»Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen«, lachte Dr. Laurin, als Peter Rasmus verlegen nach Worten suchte.
»Es tut mir leid, wenn es einen Wirbel gegeben hat«, sagte Dr. Rasmus. »Ich hätte es besser für mich behalten sollen.«
»Was?«
»Die Geschichte mit der zweiten Mirja. Sie denken wahrscheinlich auch, daß ich spinne.«
»Ganz im Gegenteil. Wenn dieser Kongreß für sonst nichts gut war, die Zwillinge sind auf diese Weise endlich vereint worden, lieber Peter.«
Peter Rasmus hatte den Stein ins Rollen gebracht, doch nun erntete er Dank dafür von glücklichen Menschen.
Auch Benedikt hatte sich damit abgefunden, daß es noch eine zweite Mirja gab. Für ihn gab es keinen Zweifel, welche die richtige für ihn war. Er brauchte nur in ihre Augen zu sehen. Für ihn wurde die Welt von Tag zu Tag schöner. Er ging der Genesung entgegen, einem Leben zu zweit, das ohne Schatten sein sollte.
Irene hatte die Waffen gestreckt und war auf Reisen gegangen. Zurückkehren an die Stätte ihrer Niederlage würde sie nicht mehr, aber sie hatte alles so raffiniert eingefädelt, daß ihr die Hintertür zum Rückzug offengeblieben war. Niemand hätte ihr beweisen können, daß sie aus Habgier gehandelt hatte. Fred Haldegg hütete sich, solches zuzugeben, um sich selbst noch einen einigermaßen guten Abgang zu verschaffen.
Benedikt war nicht daran interessiert, diese böse Affäre aufzubauschen. Er war dankbar, daß ihm das Leben noch einmal geschenkt worden war. Das Wunder war durch seine Mirja geschehen. Mit ihr und für sie wollte er leben.
Daß auch Dr. Laurin Dank gebührte, vergaß er nicht. Schließlich war er der Engel gewesen, der Mirja die Konzertkarte in die Hand spielte, mit der alles begann.
*
Sechs Wochen später wurde auf dem Johannes-Hof Doppelhochzeit gefeiert. Diese Bitte hatte Benedikt seinem Schwiegervater nicht abschlagen können. Kurz war das Glück für ihn gewesen, seine beiden Töchter vereint zu sehen. Nun folgten sie den Männern, denen ihre Herzen gehörten, aber auch für ihn würde ein Platz in ihren Herzen bleiben, und so oft es nur möglich war, wollten sie sich hier treffen.
Welche von ihnen die schönere Braut war, konnte man wirklich nicht sagen. Für Benedikt war es natürlich Mia, für Lars war es
Jana.
Im engsten Kreise wurde dieser große Tag gefeiert. Sie hatten es so gewollt, in der Erinnerung an die Mutter, die ihnen das Leben gab und ihres dafür lassen mußte, und in der Erinnerung an jene Frau, die in der Verwirrung der Stunde eine Entscheidung traf, die Johannes von Korten ihr nun verziehen hatte.
»Dreimal Mirja«, sagte Johannes von Korten gedankenvoll, als sie vor dem Gemälde standen, das die schöne junge Frau darstellte, der die beiden Mädchen so ähnlich waren.
Sie wollten daran nichts ändern. Einundzwanzig Jahre trugen sie nun schon beide diesen Namen, jetzt würde die eine Arnold heißen und die andere Lundgren.
»Und du, Pa, suchst dir jetzt eine Frau, damit der Name Korten vielleicht doch noch weiter besteht«, sagte Jana. »Mit sechsundvierzig Jahren bist du dazu wahrhaftig nicht zu alt.«
»Jetzt, wo ich bald Großvater werde?« meinte er lächelnd.
»Es hätte ja auch schon früher sein können«, bemerkte Jana, während Mia sich der Stimme lieber enthielt.
»Nun höre sich das einer an«, brummelte er. »Aber es kommt alles so, wie es bestimmt ist. Vielleicht wird es mir jetzt wirklich zu einsam.«
Doch die leise Wehmut schwand schnell aus seinen Augen, als er von seinen schönen Töchtern umarmt wurde.
»Und wenn wir nun beide auch Zwillinge bekommen?« fragte Jana plötzlich, während Benedikt und Mia noch immer in ihrer Umarmung verharrten.
»Dann nur in der Prof.-Kayser-Klinik«, meinte Benedikt.
»Und wenn bis dahin meine Klinik eröffnet ist?« fragte Lars.
»Dann mußt du aber bald mit dem Bau beginnen«, erwiderte Benedikt schlagfertig.
»Wenn Papi schon mal Zeit hat, müßt ihr ausgehen«, maulte Konstantin.
»Mein lieber Sohn, was meinst du, wie gern ich zu Hause bleiben würde«, erwiderte Dr. Leon Laurin mit einem Seufzer.
»Warum müßt ihr denn auf so ’ne Party gehen, Mami?« fragte Konstantin. »Ist doch scheußliches Wetter heute.«
»Ist bestimmt mächtig glatt«, gab nun auch Kaja, Konstantins Zwillingsschwesterchen, ihren Kommentar.
Was die Zwillinge am meisten kränkte, war die Tatsache, daß auch die Großeltern an dieser Party teilnehmen würden und sie auf deren Gesellschaft verzichten mußten.
Professor Dr. Anton Sabat feierte seinen siebzigsten Geburtstag. Erst kürzlich war er von einem langjährigen Auslandsaufenthalt zurückgekehrt. Er wollte seine alten Freunde noch einmal um sich versammeln, bevor er sich ganz ins Privatleben zurückzog. Professor Joachim Kayser hatte von ihm selbst erfahren, daß er seinen ständigen Wohnsitz im Tessin nehmen wollte, und das war der eigentliche Grund, warum die Familien Kayser und Laurin die Party nicht versäumen wollten. Es stand nämlich zur Debatte, daß Professor Sabat seinen hiesigen Besitz verkaufen wolle. An diesem war Joachim Kayser schon lange interessiert. Nun auch sein Schwiegersohn Dr. Laurin, denn der Park, der Professor Sabats prächtiges Haus umschloß, erstreckte sich bis zur Prof.-Kayser-Klinik.
Im Interesse der Klinik mußte sofort etwas unternommen werden.
»Mach dir doch nicht so viele Gedanken, Leon. Der Besitz ist noch nicht verkauft. Bert und Friedrich sind auf dem laufenden. Teresa und Sandra werden bestimmt ihren ganzen Charme versprühen, um Sabat für uns einzunehmen.«
»Du aber nicht«, erklärte Leon energisch. »Dieser alte Charmeur hat es faustdick hinter den Ohren.«
»Du liebe Güte«, lachte Antonia, »er kann dich doch nicht ausstechen.«
»Ihr redet vielleicht komisch«, sagte Konstantin empört. »Das mag ich gar nicht.«
»Ich auch nicht«, schloß Kaja sich an.
»Ich auch nicht«, sagte der kleine Kevin, der noch einmal erschien, obgleich er gar nicht wußte, worum es ging. »Mami ist aber schön«, staunte er dann.
»Wenigstens einer macht mir ein Kompliment«, lächelte Antonia, die wirklich zauberhaft aussah in dem neuen Abendkleid, das sehr schlicht geschnitten war, aber ganz besonders elegant wirkte.
»Zu schön für diese triste Gesellschaft«, äußerte sich nun auch Leon. »Na, dann müssen wir wohl!«
Karin, der gute Geist der Familie Laurin, erschien, um sich der Kinder anzunehmen. Es gab erst noch einen tränenreichen Abschied, der dann mit dem Versprechen gedämpft wurde, daß sie am Wochenende alle gemeinsam in den Zirkus gehen würden.
*
Das Haus, ein prächtiger Bau aus der Gründerzeit, war von Scheinwerfern angestrahlt. Fast wie ein Schloß wirkte es, und fürstlich war auch der Empfang durch zwei Diener in Livree.
Glanz und Gloria vergangener Tage entfalteten sich, aber Professor Sabat selbst, mit einer attraktiven jungen Frau an der Seite, versprühte jugendliches Feuer.
Überschwenglich