Leni Behrendt Staffel 5 – Liebesroman. Leni Behrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leni Behrendt
Издательство: Bookwire
Серия: Leni Behrendt Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916879
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werde die Sache nicht auf die lange Bank schieben. Mit dem nächsten Schiff reise ich.«

      Nach diesen Worten war es zuerst eine Weile beklemmend still. Dann fragte die Hausdame leise:

      »Ist diese Reise nicht gefährlich, Herr Baron?«

      »Ja, ganz einfach wird sie nicht sein, da ich ja ganz fremd dorthin komme. Aber da mein Onkel jahrzehntelang dort gelebt hat und eines natürlichen Todes gestorben ist, werde ich auch nicht umkommen. Der Onkel war nämlich das berühmte schwarze Schaf der Familie, das nach dem Ausland abgeschoben wurde. Mein Vater hat ihm als einziger der Sippe die Treue gehalten, ist auch stets mit ihm in Verbindung geblieben. Ich ernte nun die Früchte dieser Treue.

      Und was sagt unsere Sölve dazu?« wandte er sich an das Mädchen, die das Schaukeln eingestellt hatte und nun regungslos im Stuhl lag.

      Ein Erschrecken ging über Götteruns Gesicht. Hastig erhob er sich und trat an den Schaukelstuhl.

      »Sölve, dir ist doch bestimmt nicht gut –«

      »Ganz wohl ist mir. So wohl, daß ich mir eine Stellung suchen werde.«

      »Rede doch nicht so einen blühenden Unsinn, mein kleines Mädchen. Um das zu können, mußt du aus ganz anderen Augen schauen.«

      »Ich will euch aber nicht länger zur Last fallen!« begehrte sie auf. »Ich bin doch nur ein Eindringling hier – ein –

      ein –«

      Laut aufweinend, warf sie sich in den Schaukelstuhl zurück, der ob dieser Erschütterung auf und nieder wippte. Ein stoßendes Schluchzen durchschüttelte den elenden Körper, das Antlitz zuckte und bebte.

      »Kind, in welchen Gedanken hast du dich da verfangen«, entgegnete er kopfschüttelnd und fing die ruhelosen Hände ein, die sie ihm wieder entziehen wollte, was ihr diesmal jedoch nicht gelang.

      »Nun mal ruhig, Sölve, hörst du –?« verlangte er in einem Ton, mit dem er sonst nicht zu ihr zu sprechen pflegte. »Du hast absolut keinen Grund, dich so unerhört zu erregen. Warum willst du fort? Hast du über irgend etwas Klage zu führen?«

      »Um Gottes willen!« wehrte sie erschrocken. »Mir geht es so gut, wie es mir wohl nie gehen wird – wenn ich hier fort bin –«

      »Und warum willst du das? Es ist doch ausgemacht, daß du in Uhlen eine Heimat finden sollst.«

      »Ja – aber –«

      »Was aber? Nun sei mal ehrlich, Sölve, und sage endlich was dich quält.«

      »Ich bin hier so unnütz, lebe keinem zuliebe, nur allen zur Last. Denke nur daran, was Frau Fröse schon allein mit mir Plage hat. Ach, Onkel Jobst – ich möchte sterben!«

      »Natürlich, das ist immer der Weisheit letzter Schluß. Trägst du denn ein so großes unstillbares Leid, das diesen Lebensüberdruß rechtfertigen könnte?«

      »Ich bin krank –«

      »Dann werde gesund! Das ist nämlich allein in deine Hand gegeben.

      Und nun Schluß mit dem Unsinn! Ich sage dir noch einmal, daß Uhlen deine Heimat ist und du bleiben kannst, so lange du magst.«

      »Dann wirst du mich nie mehr los, Onkel Jobst.«

      »Na also, das ist doch ein vernünftiges Wort. Nun mache mir auch Freude und werde rasch gesund. Dann wirst du alles mit anderen Augen ansehen.

      So – nun werde ich alle Hebel in Bewegung setzen, damit ich auf die Reise gehen kann. Je früher ich wegkomme, desto früher bin ich wieder hier.«

      *

      Gütiges Herz, was quälst du dich,

      Wann läßt eine Mutter ihr

      Kind im Stich?

      Kannst du mich missen?

      Ich dich nicht!

      Gütiges Herze, besinne dich.

      Herbststürme über der Ostsee! Oft erlebt und oft erschaut – und doch immer wieder neu. Der Mensch kommt sich plötzlich so klein vor, spürt angesichts der Naturgewalten, wie winzig klein doch sein Leben ist, das er so unendlich wichtig nimmt. Er wird demütig und fromm und ist seinem Herrgott so nahe wie in keiner anderen Stunde.

      Das empfand auch Frau Fröse, die im Teezimmer saß und auf das Toben draußen hörte. Wie liebte sie diesen Sturm! Zehn Jahre hatte sie ihm lauschen dürfen – zehn lange Jahre – und vielleicht – Zehn Jahre hatte sie hier gelebt und gewirkt. Zehn Jahre hindurch Leid und Freud mit den Schloßbewohnern geteilt.

      Langsam ließ sie ihre Blicke über das vertraute und so sehr geliebte Bild schweifen, und ihr Herz zog sich schmerzend zusammen –

      Liebes, vertrautes Bild, liebes, kleines Gemach, mit deiner anheimelnden Traulichkeit. Prächtiges Uhlen, mit allem, was darin lebt.

      Liebe, vertraute Käuzchen, ihr Glücksvögel von Uhlen, auch euch gehört mein Herz. Auch euer Rufen muß tönen in dem Schlummerlied – von Wald – und Meer und Wind.

      Liebes geliebtes Uhlen – liebe geliebte Heimat. –

      »Guten Abend, Frau Fröse – schlafen Sie?«

      Sie schrak auf und sah den Baron verstört an.

      »Habe ich Sie erschreckt, meine Getreue?«

      »Ein wenig wohl«, raffte sie sich gewaltsam auf. »Sie sind wohl hereingeschwebt wie eine Sylphide?«

      »Na, ich danke – so mit Schuhgröße dreiundvierzig. Ist das hier bei Ihnen

      ein wundervolles Nachhausekommen! Nach diesen stillen Stunden zu zweit werde ich mich in Afrika kranksehnen. Mich packt schon das Heimweh, bevor ich fort bin.«

      Michael brachte Speckeier und Röstkartoffeln. Ein Gericht, das Götterun

      zu jeder Tages- und Nachtzeit essen konnte, wie er immer behauptete. Dann eine Platte mit Aufschnitt, Butter und Brot.

      »Also, Frau Fröse, in einer Woche geht die Reise los. Es hat alles gut geklappt, und wenn es im heißen Afrika ebenso sein sollte, dann kann ich im Frühjahr schon wieder zurück sein. Wenn es mir nicht um das Geld zu tun wäre, dann würde ich gar nicht fahren, sondern den Rechtsberater dort beauftragen, die Farm zu verkaufen. Aber so muß ich Wert auf jede Mark legen, die Uhlen so bitter nötig hat.

      Und schließlich bekomme ich auf der Reise wieder ein schönes Stück von der Welt zu sehen. Damit muß ich mich trösten. Hier weiß ich alles in besten Händen, und so kann ich meine Geschäfte in Ruhe abwickeln.«

      »Darüber möchte ich noch mit ihnen sprechen, Herr Baron«, entgegnete sie hastig und mußte all ihre Selbstbeherrschung aufbieten, um unter seinem erstaunten Blick ruhig zu bleiben.

      »Es ist nämlich meine Überzeugung, Herr Baron, daß ich während Ihrer Abwesenheit hier über bin. Der ganze Zuschnitt des Hauses wird ja dann ein anderer werden. Da gibt es also nichts mehr für mich zu tun. Und die Wirtschaftsführung liegt sowieso in den bewährten Händen der Mamsell – ich wüßte also nicht, was ich hier anfangen sollte.«

      »So – und haben Sie Sölve vergessen? Sind Sie Ihres Samariterwerkes bereits überdrüssig? Oder wie soll ich sonst Ihre sonderbare Eröffnung verstehen –?« fragte er so eigentümlich, daß es ihr das Blut ins Gesicht trieb.

      »Sölve nehme ich mit mir. Ich habe von meinem verstorbenen Bruder eine Summe geerbt, die es mir ermöglicht, eine Zeitlang ein angenehmes Leben zu führen. Wenn Sie dann wieder zurück sind, Herr Baron, kann Sölve wiederkehren und ich mit, falls es erwünscht sein sollte –«

      »Wenn ich Sie nicht so genau kennen würde, Frau Fröse, dann würde ich Ihre Worte als Kränkung auffassen.

      Also, Frau Fröse, ich möchte den wahren Grund wissen. Das Recht habe ich dazu, kraft unserer zehnjährigen Zusammengehörigkeit. Ich habe zu vielen Malen von Ihnen gehört, daß Ihnen Uhlen eine wahre Heimat ist. Warum wollen Sie die nun verlassen?«