Die Brüder Massimi und andere Geschichten aus italienischen Chroniken. Стендаль. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Стендаль
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027209095
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ihm, daß er sie mit seiner Eifersucht langweile. Solche Worte kränkten den Eifersüchtigen um so mehr, als er die Gäste, die er täglich mit bösen Blicken sah, nicht mehr vor seine Klinge fordern konnte. Er konnte es nicht hindern, daß die Gräfin Herren und Damen zu einem Gastmahl lud, worunter besonders ein paar junge Edelleute seinen Haß hervorgerufen hatten; da nahm er seine Zuflucht zu Gift, wohl in der Hoffnung, daß auch dieser Giftmord wie der an seiner Familie verborgen bleiben oder daß ihm dabei das Glück so günstig sein würde wie bei seinen beiden Zweikämpfen. Einen ihm sehr ergebenen Diener der Gräfin machte er zu seinem Vertrauten, indem er ihn mit Geld bestach. Die Gäste waren bereits versammelt, als er diesen Diener in sein Gemach rief und ihm sagte: »Streu dieses Pulver hier unvermerkt auf das letzte Gericht, das du aufträgst, und gib mir dann ein Zeichen. Du bekommst als Lohn mehr als du dir träumst.«

      Hierauf setzte er sich zu den fröhlich Tafelnden und aß mehr wie sonst; als der Diener aber das Zeichen machte, da hörte er zu essen auf. Alle nun, die von der vergifteten Speise gegessen hatten, wanden sich bald in großen Schmerzen, und auch Biancinfiore rannte als wie besessen von Schmerzen durch das Zimmer. Die Mühe der herbeigerufenen Ärzte war vergeblich. Die Gräfin, ihre kleine Tochter und drei Edelleute verstarben. Nur bei Biancinfiore, der sich zu Bett begeben hatte, wirkten die Mittel der Ärzte, die dieses mit Staunen sahen, aber schließlich froh waren, wenigstens einen von sechsen gerettet zu haben.

      Kaum sah sich Biancinfiore allein, so rief er nach seinem Diener. Er bedrohte ihn mit dem Tode, falls er vor Gericht das Geringste verriete, und gab ihm Geld. Die päpstliche Justizbehörde ordnete Nachforschungen an über dieses auffallende plötzliche Sterben, und als die Gerichtsärzte an den ausgegrabenen Leichen Gift feststellten, wurde die ganze Dienerschaft der Gräfin verhaftet und verhört. Trotz der Folter, unter die man einen Diener stellte, der widerspruchsvoll ausgesagt hatte, kam kein Licht in die Sache, und man mußte alle wieder entlassen, darunter auch jenen Diener. Aber es faßte diesen plötzlich die Furcht. Er flüchtete in eine Kirche und erklärte, er wolle ein Geständnis ablegen, wenn man ihm Straflosigkeit zusichere. Solches geschah, und vor den Gouverneur von Rom geführt, enthüllte er die Untat, zu der er, wie er sagte, durch die Drohungen Biancinfiores gezwungen worden wäre. Dieser wurde verhaftet und in den Kerker von Corte Savella gebracht. Der Papst, der sich selber große Schuld zumaß, ordnete eine strenge Untersuchung an.

      Anfangs leugnete Biancinfiore alles, auch als man ihn mit dem Diener zusammenbrachte. Aber beim Anblick der Folterwerkzeuge gestand er nicht nur das letzte Verbrechen, sondern auch den Giftmord an seiner Familie. Das Gericht verurteilte ihn zum Feuertode und vorherigem Zwicken mit glühenden Zangen, aber der Papst verwandelte diese Strafe in Ansehung seines adeligen Hauses in einfache Hinrichtung im Kerker. Noch am selben Abende empfing Biancinfiore das Todesurteil. Er erhob ein großes Wehklagen, aber seine Beichtiger beruhigten ihn und tiefe Reue kam über ihn, Gott so sehr beleidigt zu haben. Er bat um Verzeihung für alle seine Missetaten und dankte ihm für seinen bußfertigen Tod. Vor seiner Hinrichtung erbat er sich noch die Gnade des päpstlichen Segens, der ihm auch von einem Prälaten des päpstlichen Hauses überbracht wurde. Dann legte er das Haupt auf den Richtblock.

      Also endete der letzte aus dem Hause der Biancinfiore.

      Der Herzog von Savelli

       Inhaltsverzeichnis

      Des Herzogs von Savelli einziger Sohn war, wie der Kardinal Gaetani in einem Briefe schreibt, ein junger Mann von lebhaftem Geiste, großem Mute und untadeligen Sitten, was alles ihn sehr beliebt am römischen Hofe machte. Er wollte kaiserliche Dienste nehmen, aber der Vater war damit nicht einverstanden, dessen Trost im Alter, Stolz und einzige Hoffnung seines Hauses er war; zudem plante er seine Verheiratung mit der Tochter eines der ersten neapolitanischen Geschlechter, des des Marchese de Vastro, deren Mitgift 800 000 Skudi betrug. Die Braut zählte aber erst zehn Jahre, weshalb die Eheschließung auf den Tag verschoben wurde, der ihr dreizehnter Geburtstag war.

      Inzwischen lebte der junge Herzog auf seinem Landgute Ariccia, wo er sich in ein junges Mädchen von großer Schönheit und Tochter ehrbarer Eltern verliebte, die aber bereits einem jungen Manne des Ortes, namens Christofano, versprochen war. Um die Tochter den Nachstellungen des jungen Herzogs zu entziehen, drängten die Eltern mit der Eheschließung. Sie hielten das Mädchen streng im Hause, auf daß sie der Herzog nicht sehe, der ihr aber insgeheim einige Liebesbriefe hatte zukommen lassen. Es fand die Hochzeit statt und der Herzog sandte als Hochzeitsgabe ein reich mit Blumen verziertes Mieder, was die Eifersucht des jungen Gatten in hohem Maße erregte. Aber er war ein Vasall des Herzogs und konnte mit ihm nicht rechten, ja mußte um sein Leben fürchten, falls er sich den Wünschen seines Herrn widersetzte. Aber er wollte lieber sterben, als solches dulden; so schwor er. Und seine Frau war mit ihm ganz einig. Sie übergab auch die Briefe, mit denen sie der Herzog bestürmte, ihrem Gatten, und sie bezogen ein anderes Haus, als der Herzog in ein nah benachbartes Haus zog, von dessen Fenster aus er die junge Frau zu sprechen suchte. Dem Gatten schien nur die Wahl zwischen Unehre und Tod zu bleiben, und er begann seine Heirat zu bereuen. In seiner Verzweiflung beschloß er, den jungen Herzog zu ermorden, um die Ehre seines Ehebettes zu retten.

      Er veranlaßte seine Frau, auf einen der Briefe des Herzogs zu antworten, und sie schrieb ihm, er möge um Mitternacht verkleidet zu ihr kommen, damit man ihn nicht erkenne; ihr Mann sei in Geschäften nach Rom gefahren. Daß er den Herzog ermorden wollte, davon sagte Christofano seiner Frau kein Wort; er wollte ihm nur einen Streich spielen, sagte er ihr, ohne ihn zu beleidigen, was die junge Frau in ihrer Unschuld auch glaubte. Der Herzog eilte verkleidet zu dem Stelldichein, aber statt in die Arme seiner Geliebten, fiel er in die ihres Gatten, der die Kleider seiner Frau angelegt hatte und den Liebhaber durch eine Magd in ein entlegenes Gemach führen ließ. Hier schoß er, kaum daß er eingetreten war, fünf Kugeln aus seiner Pistole auf ihn ab und durchschnitt ihm mit einem Messer die Kehle, damit er nicht schrie. Mit Hilfe eines Genossen, den er gedungen hatte, schleppte er hierauf den Leichnam bis zum Tor des Schlosses, wo er ihn in seinem Blute liegen ließ.

      Nach Haus zurückgekehrt, wollte er nun auch seine Frau ermorden, aber diese war in das Haus ihrer Eltern geflüchtet. Christofano floh mit seinem Genossen nach Aleppo in der Türkei, von wo er Nachricht nach Rom sandte.

      Auf die Kunde von dem Verbrechen sandte der Papst viele seiner Gerichtsbeamten nach Ariccia, die alsbald in Christofanos Haus die große Blutlache fanden. Die Gattin wurde verhaftet und nach Borgo Castello gebracht, wo sie zwei Monate lang verhört wurde. Sie wurde verschiedenen Graden der Folter unterworfen und gab das Folgende zu Protokoll:

      »Es ist so, daß mich der junge Herzog Savelli, während ich im Elternhause lebte, mehrfach durch Briefe zu einem Stelldichein zu überreden suchte. Meine Mutter aber sagte mir, ich dürfe darauf nicht antworten, denn er sei ein leichtfertiger junger Mann, der seine Leute um nichts ermorden lasse. So sagten auch mein Vater und alle meine Verwandten. Es war das erste, was mir mein Mann Christofano sagte, daß ich den jungen Herzog nicht ansehen solle. Als er eines Tages an das Fenster des Nachbarhauses trat, stürzte mein Mann mit dem offenen Messer auf mich zu, aber sein Bruder, der Priester Don Angelo Maria, fiel ihm in den Arm. Wir zogen in ein andres Haus, das mein Mann gemietet hatte, dasselbe, in dem der junge Herzog ermordet wurde. Der sandte mir aufs neue Briefe, die ich meinem Manne zeigte. Dann gab er ihm Antwort in einem Briefe und lud ihn zu Mitternacht in unser Haus, um ihm, wie er mir sagte, einen Streich zu spielen. Was ich um so mehr glaubte, da er meine eignen Kleider anlegte, auch Halsband und Ringe, die ich trug. So trat er um Mitternacht dem Herzog gegenüber, mit Messer und Pistole. Ich starb vor Schrecken, als ich den ersten Schuß hörte. Ich habe nichts gesehen, denn ich floh aus dem Haus, aus Angst, es könnten mich die Diener des Herzogs umbringen. Ich floh zu meinen Eltern. Meine Mutter sagte mir, ich dürfe von dem allen nichts verraten, und wir gingen zum Podesta.«

      Die junge Frau blieb fest bei ihrer Aussage im Gefühle ihrer Unschuld; sie wurde aber doch zum Tode durch Enthaupten verurteilt, welche Strafe die Familie des alten Herzogs verlangte.

      Als die Herzogin Margarete von Parma von der Schönheit der Verurteilten hörte, wollte sie sie durchaus sehen, und da sie großen Gefallen an ihr fand, beschloß sie ihre Rettung. Sie verhandelte mit dem Papste. Der aber wollte sie nur begnadigen, wenn der