Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Sealsfield
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075835741
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menschlichen Wohnung zu finden ist. Die Bilder waren dem Jüngling auf einmal in den erhellenden Strahlen der Morgensonne vor den Gesichtskreis getreten und hatten so, während sie seine Anschauung ins Unendliche erweiterten, ihn in eine Stimmung versetzt, die der des Seemannes zu vergleichen sein dürfte, der nachts sein Schiff in einem zerbrechlichen Boote verlassen und des Morgens bloß die ungeheure See vor sich erblickend, unschlüssig schwankt, ob er nicht durch einen raschen Sturz allem kommenden Elend entgehen solle. Es war vielleicht dieses Gefühl seines Nichts und seiner Verlassenheit in der ungeheuern Gotteswelt, die vor ihm lag, und von deren Endlosigkeit er nie und nirgends einen so anschaulichen Begriff hätte erhalten können, das ihn plötzlich zu einem Schritte drängte, der in der Wegwerfung seiner Existenz, die er zu beurkunden schien, zugleich den Sieg des edlern Prinzips wahrnehmen ließ. Rasch seine Kleider von sich werfend und sie in ein Bündel sammelnd, stürzte er sich in den kalten Strom, über den er in einer Viertelstunde glücklich setzte. Die dumpfen Abschiedsworte der edlen Indianerin hatten ihn wirklich zu dem festen Entschlusse bewogen, in ihr Wigwam zurückzukehren und sich dem Grimme des fürchterlichen Miko bloßzustellen. Alles übrige war ihm nun Nebenrücksicht geworden und als solche in den Hintergrund getreten. Er hatte sich wieder in seine Kleider geworfen und begann nun nach dem Pfade durch das Dickicht zu suchen. War, da er noch im Wigwam als eine Art Gefangener sich in Ungeduld verzehrte, seine Sehnsucht, den Ausweg zu erspähen, groß gewesen, so wurde sie nun zehnmal größer, wieder dahin zurückzukehren.

      Dies war jedoch eine Aufgabe, die auch den Beherztesten zurückgeschreckt haben müßte. Das jenseitige Ufer des Sabine ist, gleich dem des Natchez, ein sanft ansteigender Kamm, der sich unmerklich wieder dem Sumpfe zusenkt. Die schwarz ihm entgegenstarrenden Zypressen und Zedern ließen ihn einige hundert Schritte ins Innere und bis zur Kammeshöhe eindringen; aber wo dieser Gürtel sich zu senken anfängt, da wurde jeder weitere Schritt eine Unmöglichkeit. Die Abdachung war mit einer Baumart übersäet, von der er nie gehört. Die Stämme, zwar nur mannsdick, standen aber dicht aneinander und starrten von armlangen braunen Dornen, die, beinahe einen Schuh lang aneinandergesetzt, dem Auge wie Millionen braun angelaufene Bajonette erschienen. Dieses Gewirre von zahllosen Stacheln ließ buchstäblich kein Eichhörnchen an einem dieser Baumstämme fußen. Er erinnerte sich des Pfades, den die Indianerin ihn geführt, und beschloß, diesen aufzusuchen. Er suchte an jedem Stamme, jedem Gestrüppe; allein er hatte Stunden gesucht und nichts gefunden. Wo er einen Fußtritt zu finden glaubte, war es sein eigener gewesen. Die Sonne wandte sich bereits gegen Westen, und noch immer war er keinen Schritt weiter. Endlich schien ihm das Glück zu lächeln, er hatte das Versteck gefunden, wo das Kanu verborgen war. Doch hatte er noch lange zu suchen, bis er endlich eine Spur in den Wald hinein fand. Diese Spur war so verworren, sie führte ihn in Zickzacklinien nun den Kamm aufwärts, nun wieder abwärts, daß bereits das Dunkel hereinzubrechen anfing, ohne daß er noch bis zu dem Sumpf gekommen war. Der Hunger mahnte ihn ernstlich an seine Rückkehr. Mit dem festen Entschlusse, am folgenden Tage sein besseres Glück zu versuchen, lud er das Kanu auf seine Schultern und trug es ins Wasser, auf dem es beinahe ohne Ruderschlag sanft ans jenseitige Ufer hinglitt, wo er die ihm von der Indianerin mitgegebenen Vorräte zurückgelassen hatte. Rasch diese aufraffend, schiffte er nochmals über den Fluß und fing, nachdem er sein kurzes Mahl gehalten, an, sich seine Lagerstätte zu bereiten. Die Natur hat dem Menschen in dieser Himmelsgegend einen kunstlosen, doch herrlichen Lagerstoff im Tillandsea oder spanischen Moose gegeben, dessen lange, zarte, roßhaarige Fäden das weichste, üppigste Lager darbieten, und das, aus der Ferne betrachtet, die Millionen der Stämme, an denen es herabflackert, wie kolossale Greisesgestalten dem Auge erscheinen läßt, deren ungeheure Bärte im Winde hin und her bewegt werden. Mit diesem zarten Fadenmoose füllte er nun sein Kanu, trug es dem Verstecke zu, das zwischen den Ästen zweier Zedern so gewählt war, daß ihm diese gleichsam als Walzen dienten, auf die er es nur zu heben brauchte, um vor allen Nachstellungen und Blicken gesichert zu sein. Sein Gewehr zur Seite und in seine Wolldecke gehüllt, entschlief er.

      Er hatte ein sonderbares Traumgesicht. Er stand auf einem endlosen Raum, aus dem ihm in blauer Ferne die Wimpel des heiligen Georg entgegenschimmerten. Diesen gegenüber, hoch vom Genius der Freiheit emporgetragen, flatterte das sternbesäete Banner der Staaten, das mächtig heranflog gegen den Drachenbekämpfer. Da erfaßte es ihn mit unendlichem Sehnen und Grauen, und mit Riesengewalt warf er sich mitten unter die Seinen, riß das Banner des heiligen Georg an sich und flog mit seinen Gefährten dem Kampfe mit dem Sternengenius entgegen. Als er aber hinüberblickte auf den jauchzenden Feind, da tauchten aus den Wellen zwei Gestalten auf, die ihm das Blut in den Adern erstarren machten. Hinter ihnen, die mit durchbohrten Busen und zerschmetterten Häuptern auf ihn zuschwebten, kam der stolze Feind angeflogen. Da ermannte er sich wieder und stürzte sich auf diesen los, als er sich von einer eiskalten Hand ergriffen fühlte, die ihn mit wahnsinnig gellendem Gelächter den zwei Todesgestalten zuwarf.

      Der Traum hatte ihn heftig ergriffen. Er sprang auf aus seinem Kanu, rieb sich die Augen und wischte sich den Schweiß von der Stirne. Es war ein Traum. Draußen war es kalte, finstre Nacht. Neben ihm blitzten zwei gräßlich feurige Augen. Es war eine Nachteule, die ihn verwundert ansah und dann in ein schallendes, lang ertönendes Gelächter ausbrach. Er trieb den Unglücksboten von sich und entschlief wieder. Es faßte ihn mit Tigerklauen. Ein wildes Ungetüm schritt über die Leichen Rosas und Canondahs auf ihn zu, das Schlachtmesser in den gewaltigen Klauen und auf sein Herz zielend. Da wandte er sich, da rang und kämpfte er, da faßte er mit Riesenkraft sein Gewehr, um es auf das blutige Ungeheuer abzudrücken. Er lag unter dem Wilden, er kämpfte mit ihm den Kampf der Verzweiflung. Er raffte sich auf. Was Traum gewesen war, hatte sich in Wirklichkeit verwandelt.

      Ein gräßlicher Wilder stand wirklich mit seinem Fuße auf seinem Kanu und schwang die Todesaxt mit einem grinsenden Lachen über seinem Haupte. Ein Hieb, und es war um ihn geschehen. Da erfaßte er konvulsivisch sein Gewehr, und, es rasch auf des Indianers Brust richtend, prallte dieser auf die Seite.

      Die ungeheure Anstrengung hatte ihn, der noch im Kanu lag, mit demselben in dem Augenblicke überrollt, als das Schlachtbeil auf ihn niederfallen sollte. Dies hatte sein Leben gerettet. Die Knie des Indianers mit der Kraft der Verzweiflung erfassend, warf er diesen auf die Erde und sich schnell über ihn.

      Das Schlachtmesser zuckte in der Hand des giftigen Wilden nach seinem Herzen, aber mit der letzten Anstrengung der Verzweiflung die Rechte seines Feindes ergreifend, hielt er mit der Linken seine Kehle. Noch einen Blick des tödlichsten Hasses schoß dieser, dann verging ihm der Atem, und Ermattung zwang ihn, den Mordstahl fahren zu lassen. Der Brite hatte sich nun, das Knie auf den Indianer gestemmt, über diesen hingebogen; das Messer funkelte in seiner Rechten über der Brust des Wilden, der knirschend den Tod erwartete. Einen Augenblick schien der Jüngling in Zweifel zu schweben; dann sprang er auf, trat rasch einen Schritt zurück und sprach: »Geh, ich will mich nicht mit deinem Blute besudeln.«

      »Mein junger Bruder ist wirklich ein Freund der roten Männer«, sprach eine Stimme hinter seinem Rücken.

      Er wandte sich und erblickte einen zweiten Indianer, das Skalpiermesser in seiner Rechten, und bereit, es in seinen Rücken zu stoßen. Auf die Seite springend, bot er dem zweiten Feinde die Stirne.

      »Mein Bruder hat nichts zu fürchten«, sprach der zweite Indianer, hinter welchen sich der erste, nicht unähnlich dem Hunde zog, der, sich einer Untat bewußt, mit eingezogenem Schwanze den Rücken seines Herrn sucht.

      »Mi-li-mach«, sprach der Indianer mit einem strafenden Blick auf diesen, »hat sich einen Skalp an einem schlafenden Weißen gewinnen wollen; allein er hat es diesem zu verdanken, daß der seinige noch auf dem Schädel sitzt. Der Miko hat das nicht gewollt.«

      »Ihr der Miko?« rief der Jüngling, »der Miko der Oconees?«

      Der alte Mann blickte den Fragenden ruhig und forschend an und sprach mit Würde: »Mein junger Bruder hat es gesagt. Er hat nichts zu fürchten, der Miko hat ihn gesehen, und er streckt ihm seine Hand zum Friedens- und Freundschaftszeichen entgegen.«

      »Ihr der Miko der Oconees?« rief der Jüngling nochmals, die Hand des Indianers rasch ergreifend und sie freundlich drückend. »Ich bin herzlich froh, Euch zu sehen, und, die Wahrheit zu gestehen, ich bin soeben auf dem Wege zu Euch.«

      »Die Mädchen«, sprach der Häuptling, »haben