Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Sealsfield
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075835741
Скачать книгу
Lebewohl tönte noch herüber durch den Nebelschleier, und dann waren nur noch einzelne Ruderschläge zu hören. Er rief sie bei ihrem Namen; sie gab keine Antwort. Er beschwor sie, ihn mitzunehmen; aber auch der letzte Wellenschlag war nun verklungen. Nichts als die gellenden Töne der Wasservögel waren noch zu hören.

      Elftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Jener abenteuerliche Geist, der die anglo-normännische Nation vor allen übrigen Völkern so sehr auszeichnet und sie seit Jahrhunderten in die entferntesten Zonen getrieben, rastlos und nimmer ruhend, trotzig und geschmeidig, habsüchtig und großmütig, die ganze Erde mit ihrem kaufmännisch erobernden Netze überspannend; dieser abenteuerlich kühne und verschlagene Geist hat sich in mehr als vollem Maße auf die Abkömmlinge dieser Nation vererbt, die die ausgedehnten Strecken zwischen dem Mississippi und dem atlantischen Meere bewohnen. Beinahe scheint es, als ob die Vorsehung den sinnvollen Yankee zugleich dazu bestimmt hatte, den Samen der Freiheit gleich Zugvögeln über die ganze Erde zu verbreiten und so die Habsucht zu veredeln, die seinem waghalsigen Spiele zum Grunde liegt.

      Es ist leicht zu erachten, daß ein so rastloser Unternehmungsgeist eine so herrliche Gelegenheit, als ihm die Erwerbung von Louisiana so ganz in der Nähe darbot, nicht unbenutzt lassen werde. Und wirklich war die Umwälzung, die dieser Erwerb im Innern der Staaten zur Folge hatte, von einer zweiten Revolution wenig oder nicht verschieden, und die Züge der tausend Abenteurer, die zu Fuß und zu Pferd, zu Wagen und in Fahrzeugen aller Art, auf allen Pfaden und Strömen dem neuen Kanaan zueilten, kamen mit der Auswanderung der Israeliten auch darin überein, daß beide ihren zeitlichen Vorteil hinter höhern Tendenzen geschickt zu verbergen wußten.

      Es waren nun bereits mehr als zehn Jahre verflossen, seitdem dieser ungeheure Landstrich mit den Staaten vereinigt worden war. Dieser Zeitraum ungestörten und vollen Besitzes, sollte man gedacht haben, würde allmählich den Wanderungen ein Ziel gesetzt, und die genauere Kenntnis des Landes jene sanguinischen Erwartungen enttäuscht haben, denen sich Tausende überlassen hatten, ihre liegende Habe aufgebend und mit ihrer fahrenden dem neuen Lande zueilend.

      Allein so tief ist das unruhige Wanderleben ins Wesen der Yankee verwoben, daß die tausend gescheiterten Versuche nur dazu dienten, es desto mehr anzufachen. Der nach der Vereinigung plötzlich, gleich einem reißenden Strome dem Mississippi zugeeilte Schwarm von Müßiggängern und mittellosen Abenteurern war nun zwar verstoben; aber die Nachzügler hörten deshalb nicht auf, nur mit dem Unterschiede, daß sie, durch Erfahrung gewitzigt, das in der Tiefe des Bodens suchten, was jene auf der Oberfläche zu finden glaubten, und, weniger sanguinisch, sich mit der nördlichen Hälfte des Staates begnügten, während jene den Süden gewählt und da großenteils den Fiebertod gefunden. Es war ein kräftiger Schlag, der nun nachgefolgt war, um das in Besitz zu nehmen, was, nach ihrer Meinung, mit ihrem Gelde gekauft worden war. Hunderte, ja Tausende wanderten jährlich aus dem fernen Osten in langen Zügen von Männern, Weibern, Kindern und Sklaven, um sich einen kräftigern Boden und eine offenere Handelsstraße zu suchen; die Wälder ertönten von den Schlägen der Äxte und der Donnerstimme des Hinterwäldlers, und Städtchen und Pflanzungen entsproßten dem üppigen Boden, so schnell und so zahlreich, als wenn sie wie die Pilze über Nacht aus demselben geschossen wären. In die wildesten und entferntesten Gegenden, die noch nie ein menschlicher Fußtritt, den des indianischen Jägers ausgenommen, betreten, und Hunderte von Meilen von jeder Wohnung entfernt, waren sie gedrungen, ihre Familien und Habe auf bedeckten Booten nachschleppend, die sie mit unsäglicher Mühe die Ströme hinaufzogen, welche sich auf der westlichen Seite in den Mississippi ergießen. So war bereits zu dieser Zeit der Grund zu vielen gegenwärtig bedeutenden Städten Louisianas gelegt, und wenn man den Scharfblick bewundert, mit denen diese großenteils schlichten Landbewohner die Lagen ihrer Städte gewählt hatten, so kann man dem wahrhaft ungeheuern Unternehmungsgeist und der Standhaftigkeit, die sich jahrelang in eine Wildnis verbannen konnte, um sich durch eigene Kraft eine bessere Existenz zu gründen, nicht zu viele Gerechtigkeit widerfahren lassen.

      Wir haben den Miko mit seinen Kriegern und Männern am Ufer des Natchez in dem Augenblicke verlassen, wo sie in ihre Kanus eingestiegen waren. In diesen waren sie eine geraume Strecke den Fluß aufwärts gefahren. Da wo der Natchez, sich gegen Westen wendend, beinahe einen Winkel bildet, hatten sie ihre Fahrzeuge verlassen und sich, nachdem sie nochmals eine ernste Beratschlagung gehalten, in drei Haufen abgeteilt und in verschiedenen Richtungen getrennt. Die Beratschlagung war durch eine ernstliche Einschärfung des Miko an seine jungen Männer beschlossen worden, die darauf hinausging, sie strenge vor jeder Jagdgebietsverletzung zu warnen. Diese Warnung war um so weniger überflüssig, als der wilde Sinn der Jüngeren häufig eine Art Ehre darin fand, jene fingierten Grenzlinien zu überschreiten, welche die verschiedenen Stämme sich zu ihren Jagdrevieren festgesetzt hatten, und die so jene immerwährenden Kriege veranlaßten, die beinahe stets wegen solcher Jagdgebietsverletzungen ausgebrochen waren. Im gegenwärtigen Falle war Vorsicht um so nötiger, als das Völkchen, erst vor wenigen Jahren angekommen, auf eigenes Jagdrevier weder durch innere Stärke, noch verjährten Besitz Anspruch machen konnte und auf jeder Seite an mächtige Nachbarn stieß. Die büffelreichen Hochebenen von Texas, Sonora und Santa Fé waren nämlich von den Cumanchees seit undenklichen Zeiten angesprochen; in den zwischen den Ozarkgebirgen und dem Arkansas gelegenen großen Landstrich teilten sich die Osagen und die Pawneese des Toyaskstammes; die jenseits des Sabine gelegenen Hochebenen waren von den schwächern Stämmen der Sabiner und Coshattaes besessen, die zwar keinen kräftigen Einspruch wagen durften, die aber, eben weil sie hilflos ganz von der Jagd abhingen, geschont werden mußten. So blieb unsern Indianern bloß der lange und sich allmählich erweiternde Gürtel zwischen dem Sabine und Natchez und dem Ouachitta und Redriver übrig und ein schmälerer, der von dem letztern Flusse ins Innere Louisianas führt: ein Landstrich, der, obwohl er ganz füglich die Bevölkerung eines der kleinern europäischen Königreiche hätte fassen können, den Indianern selbst sehr beschränkt vorkommen mochte.

      Der Häuptling hatte mit etwa zwanzig der bewährtesten Krieger den schmalen Strich gewählt, der sich zwischen dem Arkansas und Redriver herabzieht. Bereits waren zwei Wochen seit der Trennung verstrichen, während welcher er auf seinem Zuge die Wälder und Ebenen durchzogen, die sich oberhalb dem Natchitoches gegen den letzterwähnten Fluß herabsenken. Er saß nun soeben im Kreise der Seinigen am Abhange eines Felsens, nahe bei einer Salzquelle, an der er den Morgen auf dem Anstand gelauert und allem Anschein nach eine treffliche Beute erjagt hatte. Fünf alte Krieger lagen neben ihm vor einem Feuer, über dem ein Kessel hing, der ihr Mahl enthielt. Um ein zweites waren Pfähle in die Erde getrieben, über denen Querhölzer sich kreuzten, auf denen Hirschkeulen und Vorderschenkel zum Trocknen hingen. Fünf bis sechs jüngere Wilde waren mit dem Ausweiden der Tiere beschäftigt, denen sie die Haut abzogen, die Vorderschenkel und Keulen abschnitten, welche sie nacheinander an die Hölzer hingen. Zahllose Raubvögel, vom Geruche angezogen, schossen jeden Augenblick aus der Höhe herab, so wie einer der übrigen Teile von ihnen auf die Seite geworfen wurde.

      Das gewöhnliche tiefe Stillschweigen war auch hier bemerklich: nur zuweilen waren einige kurze Sätze zu hören. Der Miko, in tiefes Nachdenken versunken, schien an dieser Unterhaltung, die zeitweilig zwischen seinen Männern stattfand, keinen Anteil zu nehmen oder höchstens den eines uninteressierten Zuhörers. Diese Unterhaltung bestand in abgerissenen Ausrufungen oder kurzen Sentenzen, die ebenso schnell ausgestoßen, als wegen Mangels an Ideenverbindung wieder abgebrochen wurden.

      »Wineachi«, sprach der dem Miko zunächstliegende Wilde, »ist schon lange auf dem Späherpfade.«

      »Sein Auge ist das der Nachteule geworden«; erwiderte der Nächstliegende nach einer Weile.

      »Die Elente haben sich nach den obern Salzquellen gezogen«; sprach ein dritter. Wieder eine lange Pause.

      »Mi-li-mach muß an der untern Quelle die Hirsche getroffen haben«; sprach ein vierter.

      »Hugh, Yankee!« ertönte es von den Lippen der Jüngern, die soeben eines der getöteten Tiere anfaßten, um es auszuweiden. Sämtliche Indianer wandten sich gegen die zwei Wilden, deren Augen durch die Geweihe eines Hirsches dringen zu wollen schienen. Der