Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Thomas Henry Huxley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Henry Huxley
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066117207
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Beschreibung des grossen Pongo bemerkt Buffon mit Recht, dass alle »Jockos« und »Orangs«, die bis dahin nach Europa gebracht wären, jung gewesen seien; und er stellt die Vermuthung auf, dass sie im erwachsenen Zustande so gross wie der Pongo oder der »grosse Orang« sein möchten, so dass er vorläufig die Jockos, Orangs und Pongos als alle zu einer Art gehörig betrachtet. Und vielleicht war dies gerade soviel als der Zustand der Kenntniss zu jener Zeit erlaubte. Wie es aber kam, dass Buffon die Aehnlichkeit des Smith'schen Mandrill mit seinem eigenen Jocko übersah und den ersteren mit einem so gänzlich verschiedenen Geschöpf verwechselte, wie der Pavian mit blauem Gesicht ist, ist nicht leicht einzusehen.

      Zwanzig Jahre später änderte Buffon seine Ansicht[8] und äusserte die Meinung, dass die Orangs eine Gattung mit zwei Arten bildeten, — eine grössere, der Pongo Battell's, und eine kleinere, der Jocko; dass die kleinere (Jocko) der ostindische Orang sei; und dass die jungen Thiere von Afrika, die er selbst und Tulpius beobachtet hätten, nur junge Pongos wären.

      In der Zwischenzeit gab der holländische Naturforscher Vosmaer eine sehr gute Beschreibung und Abbildung eines jungen, lebendig nach Holland gebrachten Orangs (1778), und sein Landsmann, der berühmte Anatom Peter Camper, veröffentlichte (1779) eine Abhandlung über den Orang-Utan von ähnlichem Werthe wie die Tyson's über den Chimpanze. Er anatomirte mehrere Weibchen und ein Männchen, welche alle er nach der Beschaffenheit ihrer Skelete und ihrer Bezahnung mit Recht für junge Thiere hielt. Nach Analogie vom Menschen aus urtheilend, schliesst er indessen, dass sie im erwachsenen Zustande vier Fuss Höhe nicht überschritten haben könnten. Uebrigens ist er sich völlig klar über die specifische Verschiedenheit des wahren ostindischen Orang.

      »Der Orang«, sagt er, »weicht nicht bloss vom Pigmy des Tyson und vom Orang des Tulpius durch seine besondere Farbe und seine langen Zehen, sondern auch durch seine ganze äussere Form ab. Seine Arme, seine Hände und seine Füsse sind länger, während die Daumen im Gegentheil viel kürzer und die grossen Zehen im Verhältniss viel kleiner sind«[9]. Und ferner: »Der wahre Orang, das ist der asiatische von Borneo, ist also nicht der Pithecus oder der ungeschwänzte, von den Griechen und vornehmlich von Galen beschriebene Affe. Er ist weder der Pongo, noch der Jocko, noch der Orang des Tulpius, noch der Pigmy des Tyson, sondern ist ein Thier einer besonderen Art, wie ich aus dem Sprachorgane und dem Knochenbau auf das Klarste nachweisen werde«[10].

      Wenige Jahre später publicirte Radermacher, welcher eine hohe Stellung in der Regierung der holländischen Besitzungen in Indien einnahm und ein thätiges Mitglied der Batavischen Gesellschaft der Künste und Wissenschaften war, im zweiten Bande der Verhandlungen dieser Gesellschaft[11] eine Beschreibung der Insel Borneo, die zwischen 1779 und 1781 geschrieben ist und unter vielen anderen interessanten Dingen auch einige Bemerkungen über den Orang enthält. Er meint, die kleinere Art des Orang-Utan, nämlich die von Vosmaer und Edwards, werde nur auf Borneo und vorzüglich um Banjermassing, Mampauwa und Landak gefunden. Von dieser Art hatte er während seines Aufenthaltes in Indien einige fünfzig gesehen; keiner aber war länger als höchstens 2½ Fuss. Radermacher fährt fort: die grössere, oft für Chimäre gehaltene Art würde vielleicht noch lange dafür gehalten worden sein ohne die Anstrengungen des Residenten in Rembang, Mr. Palm, welcher auf der Rückreise von Landak nach Pontiana einen schoss und ihn, zur Uebersendung nach Europa, in Spiritus aufbewahrt nach Batavia schickte.

      Palm's Brief, der die Beschreibung des Fanges enthält, lautet so: »Eurer Excellenz sende ich hierbei einen Orang, von dem ich diesen Morgen ungefähr um die achte Stunde hörte; es übertrifft dies alle Erwartung, da ich schon vor langer Zeit den Eingebornen für einen Orang-Utan von vier oder fünf Fuss Höhe hundert Ducaten geboten hatte. Lange Zeit versuchten wir das Mögliche, um das schreckliche Thier lebendig in dem dichten Walde, ungefähr halbwegs nach Landak, zu fangen. Wir vergassen selbst zu essen, so ängstlich waren wir, ihn nicht entwischen zu lassen; wir mussten uns aber in Acht nehmen, dass er sich nicht rächte, da er fortwährend schwere Stücken Holz und grüne Zweige nach uns warf. Dies Spiel dauerte bis Nachmittag 4 Uhr, wo wir uns entschlossen, ihn zu schiessen. Dies glückte mir auch sehr gut, und besser, als ich je vorher von einem Boote aus geschossen hatte. Die Kugel drang gerade in die Seite des Brustkastens ein, so dass er nicht sehr beschädigt wurde. Wir brachten ihn noch lebendig auf das Vordertheil des Schiffes und banden ihn fest; am andern Morgen starb er an seinen Wunden. Nach unserer Ankunft kam ganz Pontiana an Bord, um ihn zu sehen.« Palm giebt seine Grösse vom Kopfe bis zur Ferse zu 49 Zoll an.

      Ein äusserst intelligenter deutscher Beamte, Baron von Wurmb, der zu jener Zeit eine Stellung im holländisch-ostindischen Dienste hatte und Secretair der Batavischen Gesellschaft war, untersuchte dies Thier, und seine sorgfältige Beschreibung desselben erschien unter dem Titel: »Beschrijving van der Groote Borneosche Orang-outang of de Oost-Indische Pongo« in demselben Bande der Abhandlungen der Batavischen Gesellschaft. Nachdem von Wurmb seine Beschreibung aufgesetzt hatte, giebt er in einem, Batavia Febr. 18, 1781[12] datirten Briefe noch an, dass das Exemplar in Weingeist verwahrt nach Europa gesandt worden sei, um in die Sammlung der Prinzen von Oranien aufgenommen zu werden; »unglücklicherweise«, erzählt er weiter, »hören wir, dass das Schiff Schiffbruch gelitten hat«. Von Wurmb starb im Laufe des Jahres 1781, der Brief, in dem diese Stelle vorkommt, war der letzte, den er schrieb; in seinen nachgelassenen, im vierten Theile der Verhandlungen der Batavischen Gesellschaft publicirten Arbeiten findet sich eine kurze Beschreibung eines weiblichen Pongo von vier Fuss Höhe mit Maassangaben.

      Erreichte nun eines dieser Originalexemplare, nach denen von Wurmb's Beschreibung entworfen wurde, jemals Europa? Es wird gewöhnlich angenommen, dass sie herübergekommen sind; aber ich bezweifle die Thatsache. Denn in der gesammelten Ausgabe von Camper's Werken ist der Abhandlung »De l'Orang-outang«, Tom. I, pag. 64–66, von Camper selbst eine sich auf die Arbeiten von Wurmb's beziehende Anmerkung beigefügt, in der es heisst: »Bis jetzt ist diese Affenart in Europa noch nie bekannt geworden. Radermacher hat die Güte gehabt, mir den Schädel eines dieser Thiere zu schicken, welches drei und fünfzig Zoll oder vier Fuss fünf Zoll in der Länge maass. Ich habe an Soemmerring in Mainz ein paar Skizzen geschickt, welche indessen mehr darauf berechnet sind, eine Idee von der Form als von der wirklichen Grösse der Theile zu geben.«

      Fig. 7. Der von Radermacher an Camper gesandte Pongo-Schädel, nach Camper's Originalskizzen in der Lucae'schen Copie.

      Diese Skizzen sind von Fischer und von Lucae reproducirt worden und tragen das Datum 1783; Soemmerring erhielt sie im Jahre 1784. Wäre eines der von Wurmb'schen Exemplare nach Holland gekommen, so würde es gewiss um diese Zeit Camper nicht mehr unbekannt geblieben sein, der nun aber fortfährt: »Es scheint, dass seitdem noch einige mehr von diesen Ungeheuern gefangen worden sind; denn ein ganzes, sehr schlecht aufgestelltes Skelet, das an das Museum des Prinzen von Oranien geschickt war und welches ich erst am 27. Juni 1784 sah, war höher als vier Fuss. Ich habe dies Skelet noch einmal am 19. December 1785 untersucht, nachdem es von dem geistvollen Onymus vorzüglich zurecht gemacht worden war.«

      Es scheint daher evident zu sein, dass dieses Skelet, welches zweifelsohne das ist, was immer unter dem Namen von Wurmb's Pongo ging, nicht von dem Thiere herrührt, welches er beschrieben hat, obschon es ihm ohne Frage in allen wesentlichen Punkten ähnlich war.

      Camper fährt dann fort, einige der wichtigsten Züge dieses Skelets zu erwähnen, verspricht es gelegentlich im Detail zu beschreiben, und ist augenscheinlich im Zweifel über die Beziehung dieses grossen »Pongo« zu seinem »kleinen Orang«.

      Die versprochenen weiteren Untersuchungen wurden niemals ausgeführt, und so kam es, dass der Pongo von Wurmb's seinen Platz neben dem Chimpanze, Gibbon und Orang erhielt als eine vierte und colossale Art menschenähnlicher Affen. Es konnte auch den damals bekannten Chimpanzes oder Orangs nichts weniger ähnlich sein als der Pongo; denn alle zur Beobachtung gekommenen Exemplare vom Chimpanze und Orang waren von kleiner Statur, von eigenthümlich menschlichem Ansehen, sanft und gelehrig; während Wurmb's Pongo ein Ungeheuer von beinahe doppelter Grösse, von grosser Stärke und Wildheit und sehr thierischem Ausdruck war; seine grosse vorstehende, mit starken Zähnen bewaffnete Schnauze war ferner noch durch das Auswachsen der Wangen in fleischige Lappen entstellt.

      Gelegentlich