Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Morgenstern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027203420
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ihre Pflugschar durch den Grund:

      Doch je rasender die Nacken zerrn,

      nur so tiefer drückt den Baum sie ein.

      Über der Erde Stirne,

      durch Tag und Nacht,

      führt Frau Sorge

      Furche, Furche, Furche ...

      Leidenschaften,

      kaum zu zähmen, ziehn,

      reißen ihre Pflugschar durch den Grund:

      Doch je wilder die Dämonen zerrn,

      nur so tiefer gräbt den Stahl sie ein.

      Legende

       Inhaltsverzeichnis

      Vom Tisch des Abendmahls erhob

      der Nazarener sich zum Gehn

      und wandte sich mit seiner Schar

      des Ölbergs stillen Wäldern zu.

      Erloschen war der Wolken Glut;

      in Hütt' und Höfen ward es licht;

      hell glänzten nah und näher schon

      die Fenster von Gethsemane.

      Aus einer Scheune klang vertraut

      das Tanzlied eines Dudelsacks,

      und Mägd und Bursche drehten sich

      zum Feierabend drin im Tanz.

      Und Jesus trat ans Tor und sah

      mit tiefem Aug dem Treiben zu ...

      Und plötzlich übermannte ihn

      ein dunkles, schluchzendes Gefühl.

      Und, Tränen in den Augen, trat

      er zu auf eine junge Magd

      und faßte lächelnd ihre Hand

      und schritt und drehte sich mit ihr.

      Ehrfürchtig wich der rohe Schwarm;

      die Jünger standen starr und bleich; –

      Er aber schritt und drehte sich

      als wie ein Träumer, weltentrückt.

      Da brach auf eines Jüngers Wink

      des Spielers Weise jählings ab –

      ein krampfhaft Zucken überschrak

      des Meisters hagre Hochgestalt –:

      Und tief verhüllten Hauptes ging

      er durch das Tor dem Garten zu ...

      Wie dumpf Gestöhn verlor es sich

      in der Oliven grauer Nacht.

      Die apokalyptischen Reiter

       Inhaltsverzeichnis

      Beim stillen Weinglas saß ich spät und spannte

      zerrißne Saiten neu der treuen Geige –:

      Da war's, daß mir das harte Haupt des Dante

      erschien in meines Römers dunkler Neige:

      Als wollte es die Lieder-Stufen höhnen,

      auf denen ich zu meinem Ruhme steige.

      Und alsobald begann im Zorn zu tönen

      mein Saitenspiel von hochvermeßnen Händen

      und füllte mein Gemach mit eh'rnem Dröhnen.

      Und zuckend von irrlichterischen Bränden

      zerbarst vor mir die laute Nacht in Stücke,

      und von Gespenstern schwoll's aus fahlen Wänden ...

      Doch wie ich rasch des Worts tollkühne Brücke

      nach solcher Schattenflucht zu schlagen strebe,

      entweicht es schon und lockt mit neuer Tücke ...

      Bis endlich in die rinnenden Gewebe

      einschlägt des Willens grollende Gewalt

      und eins ergreift inmitten seiner Schwebe –:

      Mit finstren Stämmen drängt empor ein Wald,

      drin Wiesengrund im Dreieck ausgeweitet,

      von Klumpen Mondgewölkes überballt.

      Doch mehr mein Aug dem Dämmer noch entstreitet:

      Vier sattelleere Rosse schau ich grasen

      und dunkle Körper unweit hingebreitet.

      Sind's Räuber, die die Flucht hierher geblasen?

      Ein Mondstrahl gleißt: Dies Haupt verrät ein Weib,

      zwei grüne Augen schillern im Verglasen.

      Und um dies Haupt welch fürchterlicher Leib!

      Nur widerwillig gibt die fahle Nacht

      sein Bild, daß keinem es zu treu verbleib'.

      Und jäh erkenn' ich, wer hier Rast gemacht –:

      Der Tod, der Krieg, der Hunger und die Pest, –

      tiefmüde Nachtrast! Nur der Hunger wacht ...

      Die Greisin kauert Kinn an Knie gepreßt ...

      Der Krieg, die Stirn am Schwertknauf, atmet schwer,

      blutüberronnen noch vom letzten Fest ...

      In freudelosen Halbschlaf sank selbst Er ...

      Parabel

       Inhaltsverzeichnis

      Kennst du die Figur der Polonaise,

      wenn die Paare, hochgefaßter Hände,

      Lauben, wie die Tänzer sagen, bilden?

      Und das immer letzte Paar, sich bückend,

      durch die Bogen an die Spitze schreitet,

      dort als Tor sich wieder aufzustellen?

      Nun, so wirst du mich begreifen, wenn ich,

      dies betrachtend, an die Menschheit denke,

      Wie sie sich vom Greis zum Kind erneuert:

      Gleich als ob das Paar des höchsten Alters

      plötzlich in der andern Rücken schwände,

      vorn das Spiel von neuem aufzunehmen ...

      Das Ende

       Inhaltsverzeichnis

      Jahrhunderttausende durchmißt mein Geist ...

      Verwandelt ist der Erde Angesicht,

      der Menschheit letzte Horde tief vergreist.

      Kaum bricht durch Wolken mehr das liebe Licht.

      »Wie alt sind wohl die Menschen?« fragt ein Kind

      den Vater. Und ich höre, wie der spricht:

      »So alt, mein