Die großen Western Classic 9 – Western. Alexander Calhoun. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Calhoun
Издательство: Bookwire
Серия: Die großen Western Classic
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740949983
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den grünbraunen Buschgürtel ab. Vom Lager tönten Stimmen herüber. Larry Hagman unterhielt sich mit Rus Hamilton laut und polternd.

      Ein paar Sekunden lang blickte Luke zu der etwa fünf Meter entfernten Stelle hinüber und packte automatisch das Gewehr fester. Dann ging er langsam darauf zu.

      Trotz der flimmernden Sonnenhitze auf dem Sand erkannte er deutlich Fuß- und Knieabdrücke, die leichte Mulde eines liegenden Körpers und die Eindrücke aufgestützter Ellbogen.

      Hier hatte ein Mensch gelegen und das Lager beobachtet. Luke sah sich suchend um. Er hatte das Gefühl, dass der Fremde, der hier gelegen hatte, ihn aus dem Dickicht heimlich beobachtete. Er war weder ängstlich noch beunruhigt, aber es gefiel ihm nicht, dass der Mann sich nicht zeigte.

      »Was ist denn los?«, flüsterte Joan mit schmalen Lippen und erschauerte. »Apache?«

      »Apachen tragen keine Stiefel«, antwortete Luke knapp und ging zwei Schritte weiter. Er fand eine lange Furche im Sand, wo das Gewehr des Fremden gelegen hatte. Schließlich entdeckte er auch die Fußspur, schon etwas verwischt vom ständig wehenden Wüstenwind, aber noch klar erkennbar. Stiefelspuren.

      »Niemand hat den Fremden gesehen, niemand hat etwas gemerkt. Wir müssen Wachen aufstellen, Madam.«

      Rus Hamilton war aufmerksam geworden. Er kam herüber.

      »Was glotzt ihr beiden denn so den Boden an? Eldorado gefunden?« Er lächelte schief.

      »Kaum.« Luke streifte ihn mit einem spöttischen Blick. Auch Rus war am Ende seiner Nervenkraft. Er deutete zu Boden, fuhr fort: »Wir werden beobachtet. Ein Weißer, bewaffnet.«

      Luke stieß den Gewehrlauf in die umgebenden Büsche. Er hatte nicht die geringste Hoffnung, den Fremden aufzustöbern.

      »Das fehlt uns noch!«, stieß Hamilton mit einem Knurrlaut aus. »Zuerst die verdammte Rothaut, jetzt ein weiterer, der sich nicht zeigt und von dem wir nicht wissen, was er vorhat.« Suchend blickte er sich um.

      »Gehen wir zum Lager zurück«, erklärte Luke Bonnart und sicherte das Gewehr. Rus Hamilton nahm seiner Frau das tote Kaninchen aus der Hand und stapfte wütend los. Er schwitzte. Das taten sie alle. Die Hitze war infernalisch. Aber Rus schwitzte mehr als die anderen, weil er trank. Nicht etwa Wasser, sondern Whisky, und den unverdünnt und reichlich.

      Pedro Comparato kam ihnen entgegen. Als er das Karnickel sah, zog sich sein braunes Mexikanergesicht in seltsamer Weise in die Länge. Verdammt, schon wieder Kaninchen!

      Rus Hamilton warf dem Lagerkoch und Mädchen für alles das blutige Tier gegen die Brust und zeigte sein schadhaftes Gebiss.

      »Wird reichen, wenn wir alle unsere Gürtel enger schnallen. He, Luke, kannst du nicht mal zur Abwechslung etwas anderes schießen? Einen Elch oder ein Stück Rotwild?«

      Luke deutete zu den fernen Bergen.

      »Dort mag es Wild geben, hier in der Wüste sind nur Schlangen und Kaninchen.«

      »Dann geh hin und hol dir was vor den Lauf!«

      Luke schüttelte den Kopf.

      »Zu weit, wenn man bedenkt, dass wir uns alle vor dem Gewehrlauf eines Fremden bewegen – und vor dem aufgelegten Pfeil des Apachen.«

      Hamilton blieb stehen.

      »Du glaubst an einen Überfall?«

      »Der Fremde hat uns beobachtet. Er muss die Siebe und Schüttelpfannen genauso gut gesehen haben wie das Werkzeug. Ein Reim darauf wird ihm schon einfallen.«

      Hamilton stampfte wütend mit dem Fuß. Luke wunderte sich immer wieder, was Joan bei diesem ungeschlachten und jähzornigen Mann hielt.

      »Morgen in der Frühe werde ich sprengen. Ich sage dir, Luke, das Gold ist so nahe wie der verdorrte Busch dort drüben!«

      Luke gab keine Antwort, zuckte die Achseln und entfernte sich zur Tinaja. Nur wenig Wasser noch bedeckte den Steingrund. Luke Bonnart ließ den Eimer hinab und zog ihn halb gefüllt wieder hoch. Zuerst goss er sich etwas von dem kühlen Nass über das erhitzte Gesicht, und dann feuchtete er sich die Haare an. Bevor er den aus Lederstücken zusammengenähten Behälter an die Lippen setzen konnte, hörte er den Schrei vom Lager herüberschallen.

      Er klang unterdrückt, durchsetzt von einem jammervollen Stöhnen. Der Schrei einer gequälten Frau. Unvermittelt setzte sich Luke in Bewegung. Die Hitze schien für ihn auf einmal nicht mehr zu existieren. Mit langen Sprüngen hetzte er über den schmalen Sandstreifen und stand vor den Jacales.

      Joan Hamilton lag am Boden, die Zähne in das Handgelenk gebissen, die Beine verkrümmt und seltsam angewinkelt. Ein Stück weiter wand sich Rus Hamilton wie ein Wurm auf der Erde. Von Larry Hagman und dem Mexikaner sah Luke nichts.

      Zuerst wandte er sich der jungen Frau zu. Ihr Gesicht wirkte aufgedunsen. Groß standen ihre Augen unter der gewölbten Stirn. Joans Lippen wirkten seltsam trocken und verzerrt. Wieder ein Stöhnen von diesen weichen Lippen, die er, Luke, so gerne einmal geküsst hätte.

      »Das Wasser … Vorsicht!«

      Das Wasser? Was war mit dem Wasser? Vor der Buschhütte der Hamiltons sah Luke einen ähnlichen Behälter stehen wie den, den er in die Zisterne hinuntergelassen hatte. Er ging hin und schüttelte den Ledereimer. Nichts. Oder doch? Hauchdünne Fäden zogen sich über den Grund des Wasserbehälters. Luke begriff. Jemand hatte das Wasser in der Zisterne vergiftet. Er lief zur Versorgungshütte, blieb stehen und starrte auf Larry Hagman, der neben dem geöffneten Medizinkasten lag und ein paar unverständliche Worte murmelte.

      *

      Joan Hamilton erwachte und hob mühsam den Kopf. Jemand hatte ihr etwas zusammengerolltes Weiches unter den Kopf geschoben. Über sich sah sie Helligkeit durch das welke Laub träufeln, unter sich fühlte sie eine Decke und den harten Sandboden. Sie war noch so angekleidet wie vor ihrer Ohnmacht. Draußen auf dem freien Platz vor den Laubhütten hörte sie jemanden hantieren. Feuer knisterte. Töpfe und Geschirr klirrten. Der Eingang verdunkelte sich. Luke Bonnart kam herein und kniete neben Joan nieder.

      »Wie fühlen Sie sich, Madam?«

      »Es geht, Luke. Was ist geschehen?«

      »Sie haben vergiftetes Wasser getrunken. Jetzt sind Sie über den Berg.«

      »Und die anderen – Rus?«

      »Alles in Ordnung. Ich konnte rechtzeitig helfen.«

      »Die Zisterne …?«

      Luke nickte. »Wir müssen das Wasser abkochen«, sagte er. »Morgen haben Sie und die anderen alles überstanden.«

      »Warum sind Sie nicht betroffen, Luke?«

      »Ich habe nicht von dem vergifteten Wasser getrunken, das ist das ganze Geheimnis.«

      Veilchenblaue Augen starrten ihn an. Ein Paar Lippen zuckten. Langsam senkten sich die Lider.

      »So, Sie haben kein vergiftetes Wasser getrunken …«

      Als sich Joan Hamilton zur Seite drehte, verflog Lukes Beruhigung. Er erkannte, dass die junge Frau besorgt und fast verstört wirkte. Einen Moment starrte er auf den schlanken Körper zu seinen Füßen, dann drehte er sich brüsk um und verließ die Laubhütte. Draußen erblickte er Hamilton.

      Der Geologe kniete im Sand und hielt sich den Kopf. Als er die knirschenden Schritte hörte, sah er auf und blinzelte gegen die Sonne. Luke Bongarts Haltung wirkte lässig, überlegen, und Hamilton fühlte sich beruhigt, dass er in der Nähe und da war. Die Erkenntnis störte ihn trotz seiner Übelkeit mächtig. Es passte ihm nicht, dass er von diesem Mann, einem Kuhhirten, so abhängig sein sollte. Doch als Luke näher kam, verflog seine Missstimmung. Er erkannte, dass der Führer des kleinen Haufens besorgt und fast verstört wirkte.

      »Du kriechst draußen in der Sonnenglut herum, Rus. Fühlst du dich besser?«

      »Relativ gut. Morgen ist alles wieder in Ordnung. Geh in die Hütte zurück, die Hitze könnte dir Schaden zufügen.«