Chefarzt Dr. Norden 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patricia Vandenberg
Издательство: Bookwire
Серия: Chefarzt Dr. Norden
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740961367
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fühlte sich wie im Visier eines Jägers.

      »Also schön«, seufzte Christian schließlich und setzte sich wieder. »Und wie geht es jetzt weiter?«

      »Ihre Großmutter bleibt heute Nacht noch auf der Intensivstation. Morgen früh werden wir ein neues CT veranlassen.« Auf der sachlichen Ebene fühlte sich Matthias Weigand wesentlich sicherer als auf dem emotionalen Parkett. »Ist das Ergebnis entsprechend, wird Ihre Großmutter auf die normale Station verlegt.«

      »Wann kann ich Oma nach Hause holen?«, kam die nächste Frage wie aus der Pistole geschossen.

      Diesmal war es Matthias, der die Stirn runzelte.

      »Ich glaube kaum, dass dies der richtige Augenblick ist, um über solche Fragen zu spekulieren.« Seine Stimme war schroffer als beabsichtigt. »Noch wissen wir nicht, woher die Blutgerinnungsstörung stammt. Vielleicht können Sie mir etwas dazu sagen?«

      Christian verschränkte die Arme vor dem Körper.

      »Nein, tut mir leid. Ich habe keine Ahnung.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Diese ganze Geschichte kam ziemlich überraschend. Bisher waren immer nur die anderen krank. Aber plötzlich ist das Unglück ganz nah.« Er stand auf, wischte sich die Hände an der Kammgarnhose ab und reichte Matthias die Rechte. »Ich statte Oma jetzt einen Besuch ab. Vielen Dank für alles.«

      Dr. Weigand schüttelte die Hand.

      »Nichts zu danken. Ich tue nur meine Pflicht.« Diesen Satz hatte er einmal in einem Film gehört und ihn behalten. Irgendwie schien er der Situation angemessen. Er brachte Christian zur Tür.

      »Ach, Herr Berger. Sie sagten, Ihre Großmutter sei vom Stuhl gestürzt.«

      Christian fuhr herum. Sie waren etwa gleich groß und starrten sich in die Augen. Täuschte Matthias sich oder hatten sich Christians Pupillen plötzlich geweitet? Vor Schreck? Aus Angst?

      »Ja. Sie wollte eine Glühbirne wechseln.«

      »Wenn das wirklich so wäre, müsste sie wenigstens eine Beule am Kopf haben. Aber da ist nichts.«

      Christian Berger legte den Kopf schief.

      »Ich verstehe nicht. Was wollen Sie mir damit sagen?«

      »Nichts. Ich wundere mich nur. Wenn ein Mensch ohnmächtig wird und aus großer Höhe herab stürzt, wird in der Regel der Kopf in Mitleidenschaft gezogen.«

      Berger zuckte mit den Schultern. Er zog die Mundwinkel kurz nach unten. Gleich darauf lächelte er und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro.

      *

      Wie ein gejagtes Tier sah sich Sophie Petzold um. Nachdem sie sich versichert hatte, dass weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, schlüpfte sie katzengleich durch die Tür. Sie machte Licht, lehnte sich gegen das Türblatt und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Durch Zufall war sie einmal in dieses Büro in dem Seitenflur geraten. Das Durcheinander, das dort herrschte, ließ darauf schließen, dass es nur noch als Abstellkammer genutzt wurde. Gerade richtig für ihr Vorhaben. Sie zerrte das Blutdruckmessgerät aus der Kitteltasche. In diesem Moment klingelte ihr Handy.

      Jakobs Konterfei leuchtete im Takt der Melodie auf. Sophie hielt das Gerät in der Hand. Ihr Daumen schwebte über dem grünen Symbol mit dem Telefonhörer. Kopf und Bauch stritten so lange miteinander, bis der Klingelton verstummte. Jakob hatte aufgelegt. Sophie wusste, dass sie mit ihm sprechen musste. Aber nicht jetzt. Sie konzentrierte sich wieder auf ihr Vorhaben und krempelte den Ärmel hoch, um die Blutdruckmanschette überzuziehen. Feine Schweißperlen traten ihr auf die Stirn.

      »So schwer kann das doch nicht sein!«, schimpfte sie vor sich hin.

      »Frau Petzold?«

      Sophie fuhr herum. Die Maus erstarrte im Angesicht der Schlange.

      »Was machen Sie in meinem Büro?«, fuhr Matthias Weigand fort.

      »Ihr Büro? Ich dachte, das wäre eine Abstellkammer.«

      Matthias schloss die Tür hinter sich und kam näher.

      »Noch so eine Unverschämtheit und Sie übernehmen heute den Nachtdienst.« Sein Blick fiel auf die Manschette. »Was haben Sie vor?«

      »Ich bin im Begriff, Selbstmord zu begehen. Was dachten Sie denn?«, fauchte sie wie eine wütende Katze.

      Matthias lachte.

      »Eins zu null für Sie. Und warum wollen Sie Ihren Blutdruck messen?« Er zog sich einen Hocker heran. Als er die Manschette ordentlich an ihrem Arm befestigen wollte, zuckte Sophie zusammen. Seine Hände waren eiskalt. Er griff nach dem Stethoskop, das um seinem Hals hing, und steckte die Oliven in die Ohren.

      Sophie wagte kaum, ihm in die Augen sehen. Da konzentrierte sie sich lieber auf die Manschette an ihrem Arm. Wie jedes Mal erinnerte sie das Geräusch der Pumpe an ferne Urlaubstage, die sie mit ihren Eltern beim Campingurlaub am Strand verbracht hatte. Das Aufpumpen der Luftmatratze war stets das erste und wichtigste Ritual gewesen, bedeutete es doch, dass der Urlaub tatsächlich begonnen hatte. Leider kam das Ende viel zu schnell.

      Pfeifend entwich die Luft wieder aus den Kammern, genauso wie aus der Manschette. Matthias zog das Stethoskop von den Ohren.

      »150 zu 100. Alle Achtung. Das kann sich sehen lassen.« Mit einem Ratsch öffnete er den Klettverschluss und nahm das Gerät ab. »Sagen Sie bloß, ich bin schuld an Ihrem Stress.«

      »Träumen Sie weiter!«, platzte Sophie heraus und bereute es im nächsten Moment.

      Matthias sah aus, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst.

      »Schon gut.« Er straffte die Schultern. Sein Gesicht ließ Sophie an einen Schwerverbrecher denken. »Lassen Sie das untersuchen. Und spielen Sie nicht selbst das Versuchskaninchen. Solche Sachen gehen schnell mal ins Auge.«

      »Verstanden.«

      »Das hoffe ich.« Matthias zögerte einen winzigen Moment. Wie ein Kind an Weihnachten hoffte er auf ein Wunder. Doch es blieb aus. Kein Wort der Entschuldigung kam über Sophies Lippen.

      »Ausgeträumt!«, murmelte er auf dem Rückweg in die Ambulanz. Wie hatte er nur so blauäugig sein können?

      *

      Der Sommer hatte bald seinen Höhepunkt erreicht. Fee bemerkte es an den sattgrünen Blättern der Bäume. Die Sonne dachte auch an diesem Abend noch lange nicht daran, sich schlafen zu legen. Stattdessen hatte sie tief in den Farbkasten gegriffen und ein Aquarell in allen erdenklichen Rot- und Orangetönen an den hellblauen Himmel gepinselt.

      Zu einer Zeit, in der im Winter schon seit Stunden Grabesstille herrschte, vermischte sich Kinderlachen und –kreischen mit dem Gurgeln des Flusses. Auch das Wasser schien sich an die Sommerhitze gewöhnt zu haben. Gemächlich floss es dahin und trieb Blätter und Holstückchen vor sich her. Fee lehnte sich an ihren Mann, der neben ihr am steinigen Strand saß. Sie ließ den Blick schweifen. Frisch verliebte Pärchen gingen Hand in Hand am Ufer spazieren. Ein Jong­leur präsentierte einem begeisterten Publikum seine Künste. In die Ahs und Ohs mischten sich Gitarrenklänge.

      Der schiefe Gesang glich mit Leidenschaft aus, was ihm an Wohlklang fehlte. Nicht weit entfernt knisterte und knackte ein Feuer. Der Wind trug den Geruch von verbranntem Holz, Grillwürstchen und Stockbrot herüber. Fees Magen grollte beleidigt.

      »Ich glaube, da hat jemand Hunger!«

      »Kein Wunder. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen.«

      Daniel beugte sich über seine Frau und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Gleichzeitig griff er über sie hinweg nach dem Picknickkorb. Das Ablenkungsmanöver misslang. Einem hungrigen Raubtier gleich verfolgte Fee jede seiner Bewegungen.

      Daniel klappte den Deckel zurück und zauberte seine Schätze hervor.

      »Lenni hat sich nicht lumpen lassen. Wir könnten den halben Isarstrand zum Picknick einladen.«

      »Das lässt du mal schön bleiben. Zuerst bin ich dran«, beharrte Fee und