»Warum sollten sie das nicht tun? Es wäre doch hübsch, wenn du Geschwister bekämst«, erwiderte Stella lächelnd.
»Damit Tammy dann gar keine Zeit mehr für mich hat? Dauernd stecken sie jetzt schon die Köpfe zusammen.«
»Wäre es dir lieber, wenn sie sich streiten?« fragte Stella.
Das wollte er nun auch nicht, und jetzt hatte er auch noch Holger und Stella, die sich mit ihm beschäftigten. Es war sehr lebhaft im Haus geworden.
Es gab soviel zu erzählen, daß Danny nicht mehr dazu kam, über das fremde Mädchen nachzudenken. Insgeheim atmete Tammy auf.
Aber am nächsten Morgen sollten sie sehr nachhaltig an diesen Zwischenfall erinnert werden, denn in der Tageszeitung erschien ein ausführlicher Bericht, der ganz eindeutig die Unschuld des Conte Olivera bewies.
Tammy war dabei, ihn eingehend zu studieren, während Stella und Holger mit Fabian zur Baustelle gefahren waren, die Holger von Berufs wegen interessierte.
»Steht was drin?« fragte Danny mit brennendem Interesse.
Tammy zögerte. Sollte sie es dem Jungen nicht lieber verschweigen? Er hatte sich wahrhaft genug aufgeregt. Doch dann entschied sie sich anders.
»Ja, es steht eine ganze Menge in der Zeitung«, erwiderte sie nachdenklich. »Aber es scheint nicht gut auszusehen für dieses Mädchen, Danny. Du hast dich wohl doch getäuscht.«
»Lies es mir vor«, verlangte er. »Ich habe mich nicht getäuscht, Tammy. Du mußt es mir glauben. Du weißt doch, daß ich nicht lüge.«
»Der Conte Olivera ist ein sehr angesehener und reicher Mann. Hier steht, daß er von Veronique Cramer wiederholt bestohlen worden sei. Sie war in seinem Haus angestellt.«
»Als was?« wollte Danny wissen.
»Als Restauratorin.«
»Was ist das?«
»Sie ist eine Kunststudentin und verdient sich ihr Studium damit, alte Bilder und Fresken aufzufrischen. Ich kann dir das schwer erklären, Danny.«
»Zeig es mir doch an einem Bild«, beharrte er. »Es interessiert mich.«
Es war seine Art, den Dingen immer auf den Grund zu gehen. Sie wußte, daß er keine Ruhe geben würde, bevor er sich etwas darunter vorstellen konnte, und gab nach.
»Gemälde müssen gereinigt werden«, erklärte sie möglichst einfach, »bei Fresken fehlt manchmal etwas, oder Farbe bröckelt ab oder Verzierungen. Ach, Dad soll dir das erklären. Er kann es besser.«
»Dazu muß man aber doch gescheit sein«, stellte er fest, »und wenn sie gescheit ist, wird sie doch nicht auf der Straße mit einem Mann streiten, bei dem sie arbeitet.«
»Man schreibt, sie hätte eine flüchtige Bekanntschaft mit dem jungen Conte dazu benutzt, dessen Vater zu erpressen. Als er ihr das Geld nicht geben wollte, hätte sie ihn bestohlen. Sie hat auch ein paar Bilder an sich genommen, die sehr wertvoll sind.«
»Aber er wollte ihr Geld geben«, versicherte Danny. »Sie wollte es gar nicht haben. Hat man sie eingesperrt?«
Tammy seufzte. »Der Conte will von einer Strafverfolgung absehen, wenn sie des Landes verwiesen wird. Sie stammt aus England. Bist du nun zufrieden, Danny?«
»Nein«, erwiderte er kurz und bündig. »Du mußt ihr sagen, daß ich alles mitgehört habe.«
»Wir werden uns noch in Schwierigkeiten bringen, und dann bekommt Dad vielleicht auch noch Ärger.«
Aber Danny brachte es mit seiner Beharrlichkeit dann doch so weit, daß Fabian nachgab und mit ihnen nach Lugano fuhr.
*
Auf der Polizeistation, wo sie sehr mißtrauisch empfangen wurden, versicherte man ihnen nach einigem Hin und Her, daß Miß Cramer auf freien Fuß gesetzt worden sei. Der Conte Olivera sei außerordentlich großzügig gewesen, da man die Bilder wieder habe herbeischaffen können.
Wie die Herrschaften wohl dazu kämen, sich für diese Affäre
zu interessieren, wurden sie gefragt.
Bevor Fabian noch dazu kam, eine Erklärung abzugeben, wurde die Tür aufgestoßen, und ein junger Mann stürzte herein. Ein italienischer Wortschwall ergoß sich über die Beamten, die völlig verdutzt zurückwichen.
Selbst Fabian mit seinen guten Sprachkenntnissen konnte dem Gespräch nicht folgen. Danny beobachtete die Szene mit allergrößtem Interesse.
»Was sagt er?« wollte er von seinem Vater wissen.
»Daß Miß Cramer schuldlos sei. Er ist der junge Conte Olivera.«
»Mario?« fragte Danny neugierig.
Als der junge Mann seinen Namen hörte, brach er mitten im Satz ab und starrte den Jungen verblüfft an.
»Du kennst mich?« fragte er.
»Was meint er?« fragte Danny.
»Er fragt, ob du ihn kennst!« übersetzte Fabian.
»Sag ihm, daß ich dabei war«, verlangte Danny energisch.
Es stellte sich heraus, daß Conte Mario Olivera sehr gut Englisch sprach, und nun konnte er Danny persönlich seine Fragen stellen.
Danny erzählte ihm alles, was er wußte. Das zornige Gesicht des jungen Mannes hellte sich auf. Dann schimpfte er wieder auf die Polizeibeamten los, denen jetzt eine tiefe Verlegenheit anzumerken war.
»Sie werden Miß Cramer holen«, wandte Mario Olivera sich an Danny. »Du bist ein kluger kleiner Junge. Ich bin dir sehr dankbar, daß du hierhergekommen bist.«
»Ich wußte doch, daß sie nichts gestohlen hat«, sagte Danny ernsthaft. »Ich habe genau gesehen, wie der Herr sich mit dem Messer selbst geschnitten hat. Sie hat es gar nicht in der Hand gehabt.«
»Mein Vater, so etwas ist mein Vater«, stöhnte Mario. »Er wollte uns auseinanderbringen. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Vero ist ein anständiges Mädchen.«
Da wurde sie schon in den Raum geführt, und Fabian merkte jetzt auch, daß man sie belogen hatte, als sie sagten, sie wäre schon freigelassen.
Beschämt überlegte er, was wohl mit ihr geschehen wäre, wenn Danny nicht so beharrlich darauf bestanden hätte, ihr zu helfen. Er schämte sich seiner eigenen Gleichgültigkeit. Eine ganze Existenz könnte davon abhängen.
Veronique Cramer wich zurück, als Mario Olivera auf sie zustürzte. Abwehrend hob sie die Hände, und als er hastig auf sie einsprach, blickte sie Danny an.
Ein dankbares Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Dir habe ich es also zu verdanken, daß man mir zu glauben beginnt«, sagte sie leise. »Wie heißt du?«
»Danny«, erwiderte er stolz. »Ich habe alles gesehen und gehört. Es ist gut, daß ich Englisch verstehe, nicht wahr?«
»Es ist eine wahre Himmelsfügung«, flüsterte sie.
»Vero«, rief Mario Olivera dazwischen, »ich habe Vater auch nicht geglaubt, aber sie haben mich nicht zu dir gelassen. Er wollte, daß ich nach Frankreich gehe, aber ich bin ihm entwischt. Bitte, Vero, glaube mir, wir werden uns doch nicht auseinanderreißen lassen!«
»Uns trennen Welten«, erwiderte sie leise. »Glaubst du, daß ich jemals vergessen kann, was mir dein Vater angetan hat? Ein kleiner Junge war meine einzige Hilfe. Kein Mensch hat sich um mich gekümmert, keiner hat mir geglaubt. Er hat die Bilder in meine Wohnung schmuggeln lassen, damit er noch mehr Beweise gegen mich bekam. Der Conte Olivera kann es sich ja leisten. Oh, ich wußte nicht, was ich tat, als ich dir glaubte. Ich will weg, weit weg! Ich will dich nie mehr wiedersehen!«
Ein wildes Schluchzen schüttelte ihren zierlichen Körper. Tammy trat auf sie zu und griff nach ihrer Hand.
»Wir werden Ihnen weiterhelfen, Miß Cramer«, sagte sie leise. »Sie