Wenn, wie wir schon oben bemerkt, auf der einen Halbkugel der Erde (man mag dieselbe durch den Aequator oder durch den Meridian von Teneriffa halbiren) beträchtlich mehr Land sich über den Meeresspiegel erhoben hat als auf der entgegengesetzten; so haben die beiden großen Ländermassen: wahre vom Ocean auf allen Seiten umgebene Inseln, welche wir die östliche und westliche Feste, den alten und neuen Continent nennen, neben dem auffallendsten Contraste der Total Gestaltung oder vielmehr der Orientirung ihrer größten Axen doch im einzelnen manche Aehnlichkeit der Configuration, besonders der räumlichen Beziehungen zwischen den einander gegenüberstehenden Küsten. In der östlichen Feste ist die vorherrschende Richtung, die Lage der langen Axe, von Osten gegen Westen (bestimmter von Südwest gen Nordost); in der westlichen Feste aber von Süden nach Norden, meridianartig (bestimmter von SSO nach NNW). Beide Ländermassen sind im Norden in der Richtung eines Breiten-Parallels (meist in dem von 70°) abgeschnitten; im Süden laufen sie in pyramidale Spitzen aus, meist mit submaritimer Verlängerung in Inseln und Bänken. Dies bezeugen der Archipel der Tierra del Fuego, die Lagullas-Bank südlich vom Vorgebirge der guten Hoffnung, Van Diemens Land: durch die Baß-Straße von Neu-Holland (Australien) getrennt. Das nördliche asiatische Gestade übersteigt im Cap Taimura (78° 16’ nach Krusenstern) den obengenannten Parallel, während es von der Mündung des großen Tschukotschja-Flusses an östlich gegen die Berings-Straße hin im östlichsten Vorgebirge Asiens, in Cook’s Ostcap, nur 66° 3’ nach Beechey erreicht. Vergl. über die mittlere Breite der nordasiatischen Küste und die wahre Benennung der Vorgebirge Taimura (Cap siewero-wostotschnoi) und Cap Nordost (Schalagskoi mys) Humboldt, Asie centrale T. III. p. 35 und 37. Das nördliche Ufer des Neuen Continents folgt ziemlich genau dem Parallelkreis von 70°: da südlich und nördlich von der Barrow-Straße, von Boothia Felix und Victoria-Land alles Land nur abgesonderte Inseln sind.
Die pyramidale Gestaltung aller südlichen Endspitzen der Continente gehört unter die similitudines physicae in configuratione Mundi, auf welche schon Baco von Verulam im Neuen Organon aufmerksam machte und an die Cook’s Begleiter auf der zweiten Weltumsegelung, Reinhold Forster, scharfsinnige Betrachtungen geknüpft hat. Wenn man von dem Meridian von Teneriffa sich gegen Osten wendet, so sieht man die Endspitzen der drei Continente: nämlich die Südspitzen von Afrika (als dem Extrem der ganzen Alten Welt), von Australien und von Südamerika, stufenweise sich dem Südpol mehr nähern. Das, volle 12 Breitengrade lange Neu-Seeland bildet sehr regelmäßig ein Zwischenglied zwischen Australien und Südamerika, ebenfalls mit einer Insel (Neu-Leinster) endigend. Eine merkwürdige Erscheinung ist noch, daß fast ganz unter denselben Meridianen, unter welchen in der Ländermasse des Alten Continents sich die größte Ausdehnung gegen Süden zeigt, auch die nördlichen Gestade am höchsten gegen den Nordpol vordringen. Dies ergiebt sich aus der Vergleichung des Vorgebirges der guten Hoffnung und der Bank Lagullas mit dem europäischen Nordcap, der Halbinsel Malacca mit dem sibirischen Cap Taimura. Eben daselbst T. I. p. 198–200. Auch die Südspitze von Amerika sammt dem Archipelagus, welchen wir das Feuerland nennen, liegt im Meridian des nördlichsten Theils der Baffinsbai und des großen noch unbegrenzten Polarlandes, das vielleicht zu West-Grönland gehört. Ob festes Land die beiden Erdpole umgürtet; oder ob die Pole nur von einem Eismeere umflossen, mit Flözlagen von Eis (erstarrtem Wasser) bedeckt sind: wissen wir nicht. An dem Nordpol ist man bis 82° 55’ Breite, an dem Südpol nur bis zu dem Parallel von 78° 10’ gelangt.
So wie die großen Ländermassen pyramidal enden, so wiederholt sich diese Gestaltung auch mannigfaltig im kleinen: nicht bloß im indischen Ocean (Halbinseln von Arabien, Hindustan und Malacca); sondern auch, wie schon Eratosthenes und Polybius bemerkten, im Mittelmeer: wo sie die iberische, italische und hellenische mit einander sinnig verglichen haben Strabo lib. II p. 92 und 108 Casaub.. Europa, mit einem Areal fünfmal kleiner als das von Asien, ist gleichsam nur eine westliche vielgegliederte Halbinsel des asiatischen, fast ungegliederten Welttheils; auch beweisen die klimatischen Verhältnisse Europa’s, daß es sich zu Asien verhält wie die peninsulare Bretagne zum übrigen Frankreich Humboldt, Asie centrale T. III. p. 25. Ich habe schon früh (1817) in meinem Werke: de distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium auf jene, für Klimatologie und Menschengesittung gleich wichtigen Unterschiede gegliederter und ungegliederter Continente aufmerksam gemacht: »Regiones vel per sinus lunatos in longa cornua porrectae, angulosis littorum recessibus quasi membratim discerptae, vel spatia patentia in immensum, quorum littora nullis incisa angulis ambit sine anfractu Oceanus« (p. 81 und 182). Ueber das Verhältniß der Küstenlängen zum Areal eines Continents (gleichsam das Maaß der Zugänglichkeit des Inneren) s. die Untersuchungen in Berghaus Annalen der Erdkunde Bd. XII. 1835 S. 490 und physikal. Atlas 1839 No. III S. 69.. Wie die Gliederung eines Continents, die höhere Entwicklung seiner Form zugleich auf die Gesittung und den ganzen Culturzustand der Völker wirkt, bemerkt schon Strabo Strabo lib. II p. 126 Casaub., indem er unseres kleinen Welttheils »vielgestaltete Form« als einen besondern Vorzug preist. Afrika Von Afrika sagt schon Plinius (V, 1): »Nec alia pars terrarum pauciores recipit sinus.« Auch die kleine indische Halbinsel diesseits des Ganges bietet als Dreieck eine dritte sehr analoge Form dar. Im griechischen Alterthume herrschten Meinungen von einer regelmäßigen Gestaltung der Festen. Es sollte vier Busen geben: unter denen der persische dem hyrcanischen (d. i. dem caspischen Meere) gegenübergestellt wird (Arrian VII, 16; Plut. in vita Alexandri cap. 44; Dionys. Perieg. v. 48 und 630 pag. 11 und 38 Bernh. Die vier Busen und die Landengen sollen sich sogar, nach den optischen Phantasien des Agesianax, auf der Mondscheibe abspiegeln (Plut. de facie in orbe Lunae p. 921, 19). Ueber die terra quadrifida oder die vier Festlande, deren zwei nördlich und zwei südlich vom Aequator liegen, s. Macrobius, comm. in Somnium Scipionis II, 9. Ich habe diesen Theil der alten Geographie, über welchen viel Verwirrung herrscht, einer neuen und sorgfältigen Prüfung unterworfen im Examen crit. de l’hist. de la Géogr. T. I. p. 119, 145, 180–185; wie in Asie centr. T. II. p. 172–178. und Südamerika, die ohnedies so viel Aehnlichkeit in ihrer Configuration zeigen, sind unter allen großen Ländermassen diejenigen, welche die einfachste Küstenform haben. Nur das östliche Littoral von Asien bietet, wie von der östlichen Meeresströmung Fleurieu im Voyage de Marchand autour du Monde T. IV. p. 38–42. zertrümmert (fractas ex aequore terras), eine mannigfaltige, gestaltenreiche Form dar. Halbinseln und nahe Eilande wechseln dort mit einander vom Aequator an bis 60° Breite.
Unser atlantischer Ocean trägt alle Spuren einer Thalbildung. Es ist als hätten fluthende Wasser den Stoß erst gegen Nordost, dann gegen Nordwest, und dann wiederum nordöstlich gerichtet. Der Parallelismus der Küsten nördlich von 10° südl. Breite an, die vor-und einspringenden Winkel, die Convexität von Brasilien dem Golf von Guinea gegenüber, die Convexität von Afrika unter einerlei Breiten mit dem antillischen Meerbusen sprechen für diese gewagt scheinende Ansicht. Humboldt im Journal de Physique T. LIII. 1799 p. 33 und Rel. hist. T. II. p. 19, T. III. p. 189 und 198. Hier im atlantischen Thale, wie fast überall in der Gestaltung großer Ländermassen, stehen eingeschnittene und inselreiche Ufer den uneingeschnittenen entgegen. Ich habe längst darauf aufmerksam gemacht, wie geognostisch denkwürdig auch die Vergleichung der Westküsten von Afrika und Südamerika in der Tropenzone sei. Die busenförmige Einbeugung des afrikanischen Gestades bei Fernando Po (4°½ nördlicher Breite) wiederholt sich in dem Südsee-Gestade unter 18°¼ südlicher Breite in dem Wendepunkt bei Arica, wo (zwischen dem Valle de Arica und dem Morro de Juan Diaz) die peruanische Küste plötzlich ihre Richtung von Süden nach Norden in eine nordwestliche verwandelt. Diese Veränderung der Richtung erstreckt sich in gleichem