Die Kenntniß des Maaßes dieser Zunahme und die Ergründung aller numerischen, den ganzen Erdkörper umfassenden Verhältnisse des Intensitäts-Gesetzes verdankt man besonders seit dem Jahre 1819 der rastlosen Thätigkeit von Edward Sabine: welcher, nachdem er am amerikanischen Nordpol, in Grönland, in Spitzbergen, an den Küsten von Guinea und in Brasilien dieselben Nadeln hat schwingen lassen, fortwährend alles sammelt und ordnet, was die Richtung der isodynamischen Linien aufklären kann. Den ersten Entwurf eines isodynamischen Systems, in Zonen getheilt, habe ich selbst für einen kleinen Theil von Südamerika geliefert. Es sind diese Linien nicht den Linien gleicher Neigung parallel; die Intensität der Kraft ist nicht, wie man anfangs geglaubt hat, am schwächsten auf dem magnetischen Aequator, sie ist nicht einmal gleich auf allen Theilen desselben. Wenn man Erman’s Beobachtungen im südlichen Theile des atlantischen Oceans, wo eine schwächende Zone sich von Angola über die Insel St. Helena bis an die brasilianische Küste (0,706) hinzieht, mit den neuesten Beobachtungen des großen Seefahrers James Clark Roß vergleicht: so findet man, daß an der Oberfläche unseres Planeten die Kraft gegen den magnetischen Südpol hin: da, wo das Victoria-Land sich vom Cap Crozier gegen den 11600 Fuß hohen, aus dem Eise aufsteigenden Vulkan Erebus verlängert, fast im Verhältniß wie 1 zu 3 zunimmt Das Maximum der Intensität der ganzen Erdoberfläche ist nach den bisher gesammelten Beobachtungen 2,052, das Minimum 0,706. Beide Erscheinungen gehören der südlichen Hemisphäre an: die erste der Br. 73° 47’ S. und Länge 169° 30’ O.: nahe bei Mount Crozier, in WNW des südlichen Magnetpols: an einem Punkte, wo Capitän James Roß die Inclination der Nadel 87° 11’ fand (Sabine, contributions to terrestrial Magnetism 1843 No. 5 p. 231); die zweite, von Erman beobachtete, unter Br. 19° 59’ S. und Länge 37° 24’ W., an 80 Meilen östlich von der brasilianischen Küste der Provinz Espiritu Santo (Erman, phys. Beob. 1841 S. 570): an einem Punkte, wo die Inclination nur 7° 55’ ist. Das genaue Verhältniß der Intensitäten ist also wie 1 zu 2,906. Man hatte lange geglaubt, die stärkste Intensität der magnetischen Erdkraft sei nur zwei und ein halbmal so groß als die schwächste, welche die Oberfläche unsers Planeten zeigt (Sabine, report on magn. Intensity p. 82).. Wenn die Intensität nahe bei dem magnetischen Südpol durch 2,052 ausgedrückt wird (man nimmt noch immer zur Einheit die Intensität, welche ich auf dem magnetischen Aequator im nördlichen Peru gefunden), so fand sie Sabine dem magnetischen Nordpol nahe in Melville’s Insel (Br. 74° 27’ N.) nur 1,624, während sie in den Vereinigten Staaten bei Neu-York (also fast unter Einer Breite mit Neapel) 1,803 ist.
Durch die glänzenden Entdeckungen von Oersted, Arago und Faraday ist die electrische Ladung des Luftkreises der magnetischen Ladung des Erdkörpers näher gerückt. Wenn durch Oersted aufgefunden worden ist, daß die Electricität in der Umgebung des sie fortleitenden Körpers Magnetismus erregt, so werden dagegen in Faraday’s Versuchen durch den freigewordenen Magnetismus electrische Strömungen hervorgerufen. Magnetismus ist eine der vielfachen Formen, unter denen sich die Electricität offenbart. Die uralte dunkle Ahndung von der Identität der electrischen und magnetischen Anziehung ist in unserer Zeit in Erfüllung gegangen. »Wenn das Electrum (der Bernstein)«, sagt Plinius Vom Bernstein (succinum, glessum) sagt Plinius XXXVII, 3: »Genera ejus plura. Attritu digitorum accepta caloris anima trahunt in se paleas ac folia arida quae levia sunt, ac ut magnes lapis ferri ramenta quoque.« (Plato in Timaeo p. 80; Martin, études sur le Timée T. UU. p. 343–346; Strabo XV p. 703 Casaub.; Clemens Alex. Strom. II. p. 370: wo sonderbar genug το σούχιον und το ήλεκτρον unterschieden werden.) Wenn Thales in Aristot. de Anima I, 2 und Hippias in Diog. Laertio I, 24 dem Magnet und dem Bernstein eine Seele zuschreiben, so deutet diese Beseelung nur auf ein bewegendes Princip. im Sinne der ionischen Naturphilosophie des Thales, »durch Reibung und Wärme beseelt wird, so zieht es Bast und dürre Blätter an, ganz wie der Magnetstein das Eisen.« Dieselben Worte finden wir in der Litteratur eines Volks, das den östlichsten Theil von Asien bewohnt, bei dem chinesischen Physiker Kuopho in der Lobrede des Magneten »Der Magnet zieht das Eisen, wie der Bernstein die kleinsten Senfkörner, an. Es ist wie ein Windeshauch, der beide geheimnißvoll durchwehet und pfeilschnell sich mittheilt.« Diese Worte gehören dem Kuopho, einem chinesischen Lobredner des Magnets, Schriftsteller aus dem Anfang des 4ten Jahrhunderts (Klaproth, Lettre à M. A. de Humboldt, sur l’invention de la Boussole, 1834 p. 125).. Nicht ohne Ueberraschung bemerkte ich auch an den waldigen Ufern des Orinoco, bei den Kinderspielen der Wilden, unter Volksstämmen, welche auf der untersten Stufe der Roheit stehen, daß ihnen die Erregung der Electricität durch Reibung bekannt ist. Knaben rieben die trocknen, platten und glänzenden Saamen eines rankenden Schotengewächses (wahrscheinlich einer Negretia) so lange, bis sie Fasern von Baumwolle und Bambusrohr anzogen. Was die nackten kupferbraunen Eingebornen ergötzt, ist geeignet einen tiefen und ernsten Eindruck zu hinterlassen. Welche Kluft trennt nicht das electrische Spiel jener Wilden von der Erfindung eines gewitterentladenden metallischen Leiters, einer viele Stoffe chemisch zersetzenden Säule, eines lichterzeugenden magnetischen Apparats! In solcher Kluft liegen Jahrtausende der geistigen Entwickelungsgeschichte der Menschheit vergraben!
Der ewige Wechsel, die oscillatorische Bewegung, welche man in allen magnetischen Erscheinungen, denen der Neigung, der Abweichung, und der Intensität der Kräfte, wahrnimmt: nach den Stunden des