Verbergen und Suchen. Уилки Коллинз. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
zwischen dem Pflaster von Baregrove Square und den Fußsteigen der lieblichen Felder vernichtet.

      Alexanders und Napoleons Armeen waren große Eroberer, aber die neueren Guerillaregimenter des Kalktroges, der Maurerkelle und der Ziegelhütte sind die größten Eroberer von allen; denn sie behaupten den Boden, welchen sie einst besessen haben, am längsten. Welches demolierte Kastell, aus dessen zerfallenen Mauern die feindliche Flagge weht, sah jemals so gänzlich verlassen aus, als eine arme Feldfestung der Natur, von allen Seiten durch das gemauerte Lager des Feindes eingeschlossen und entehrt durch ein feindliches Banner von Pfahl und Brett, worauf des Eroberers Devise steht: »Dieses Stück Land kann zu Baustellen abgegeben werden.« O! Ihr entschlossenen Guerillaregimenter des Kalktroges, der Kelle und der Ziegelhütte! Der Spaziergänger, der gleich mit Tagesanbruch seine Wanderung nach den Plätzen beginnt, welche ihr noch für eine kurze Zeit unversehrt gelassen habt, hört im Geheimen sonderbare Dinge von euch, wenn er gehorsam die alte ursprüngliche Sprache der Blätter auslegt und den gefährdeten Bäumen lauscht, die in seiner Nähe traurig die letzten dahinsterbenden Töne ihres ehemaligen Abendliedes flüstern.

      Der neue Anbau, der anfänglich viele Hindernisse zu bekämpfen gehabt hatte, bot, nur wenige zu höheren Preisen ausgenommen, drei verschiedenen Abteilungen der großen Mittelklassen unserer britischen Bevölkerung ein Unterkommen. Miete und Häuser waren stufenweise den großen, mäßigen und kleineren Einkünften der mittleren Klassen angepasst. Die Wohnungen für die Besitzer der großen Einkünfte wurden Herrenhäuser genannt und stachen sehr gegen die übrigen der Vorstadt dadurch ab, dass sie alle in einer weiten Reihe gebaut und an jeder Seite von zierlichen Toren umschlossen waren. Stuckaturarbeit im englisch-klassischen Stil war an diesen Gebäuden überall sichtbar. Treppenstufen und korinthische Säulenhallen, Torwege und Kutschenauffahrten bis zur Haustür, Gewächshäuser auf der einen und Remisen auf der andern Seite trugen mit vollem Rechte dazu bei, dass sie im genauesten Sinne des Wortes »Herrenhäuser« genannt werden konnten.

      Es war ein merkwürdiges Resultat der besonderen Anwendung, welche bei der Gründung der neuen Kolonie befolgt wurde, dass sie die großen und kleinen Einkünfte durch ein gewisses Vereinigungsband einander näher brachte, was sicherlich den Bauunternehmern nie in den Sinn gekommen war. So wie die reiche Gegend von der allgemeinen Vorstadt eingeschlossen war, so war die arme daraus ausgeschlossen, die eine ebenso gut wie die andere dazu dienend, die zahlreichen Wohnungen für die Besitzer von mäßigen Einkünften an ihrem passenden Platze zusammenzuhalten, örtlich ebenso wie gesellig eingezwängt zwischen die hohen und niedrigen Extreme des Lebens rings um sich.

      Die unglücklichen Besitzer der kleinen Einkünfte hatten den allerschlechtesten Teil des neuen Anbaues gänzlich für sich selbst und mussten jedes Geräusch und jede Beschwerde des vorstädtischen Lebens mit anhören und erdulden, während die Besitzer der großen dessen ganze Ruhe und Luxus genossen. Hier waren die traurigen Grenzen, an welchen die Baukunst mit ihrer Arbeit verzweifelnd innehielt. Jedes Haus in dem Fegefeuer dieses armen Mannes war wirklich und in fürchterlicher Buchstäblichkeit ein Steinkasten mit einem Schieferdach. Jedes in diese Kasten gebohrte Loch, es sei nun ein Loch in der Tür oder ein Fenster, war immer übermäßig mit Kindern angefüllt. Sie zählten oft zu fünfzig und sechzig in einer Straße und waren das charakteristische Kennzeichen des Viertels. In der Welt der großen Einkünfte entwickelte sich das junge Leben wie ein Springbrunnen im Garten, der nur zur bestimmten Zeit im Sonnenschein spielte. Bei den armen Leuten ergoss sich das junge Leben wie ein Strom auf die Straße, bei jedem Wetter wie eine unerschöpflich überfließende Gosse. Nach den Kindern der Bewohner kamen in sichtbarer Anzahl die Hemden und Unterröcke und verschiedene andere Wäsche derselben herumflatternd, um an gewissen Wochentagen im Freien getrocknet zu werden, und die so die baumlosen kleinen Gärten, wo sie hingen, belebten. Hier blühte in ihrer schönsten Entwicklung jene verzehrende Leidenschaft für Apfelsinen, wodurch sich das englische Mädchen besonders auszeichnet, und hier erzählte auch der verpestende Geruch der schlechten Zigarre, welche der feiernde Ladenjunge rauchte, allen Nasenlöchern, dass es Sonntag wäre, ebenso deutlich als die Kirchenglocken es verkünden konnten. Es war eine bleibende und merkwürdige Seltenheit, in irgendeinem Teile dieser Gegend an Wochentagen von neun Uhr morgens bis sechs Uhr abends einem Manne zu begegnen.

      Was den großen mittleren Teil der Vorstadt anbetraf, die Gegend der mäßigen Einkünfte, welcher auf der einen Seite unregelmäßig zwischen der armen und auf der andern Seite zwischen der reichen hinlief, bis er die Felder erreichte, so spiegelte er genau das Leben derjenigen, welche ihn bewohnten, dadurch ab, dass er durchaus keinen besondern eigentümlichen Charakter darbot.

      Einerseits ahmte die bessere Klasse von Häusern so prächtig als möglich die großartige Bauart der Herrenhäuser, welche den Vornehmen gehörten, nach, andererseits unterschied sich die schlechteste Klasse der Häuser nur wenig von den Steinkasten der Armen. So verlor die Gegend, was sie an dem einen Ende an schrecklicher Ruhe und überflüssiger Stille gewann, welche aus den verzierten Toren hervorkamen, wiederum durch das Geräusch und die Unreinlichkeit des Armenviertels am andern Ende.

      Demjenigen, welcher das Leben betrachtet, welches in England unter den Leuten von mäßigem Einkommen vorherrschend ist, wird diese Art von Existenz, mit wenigen erstaunlichen Ausnahmen, mit keinem andern in irgendeinem Teile der zivilisierten Welt vergleichen können. In welchem andern Lande, als in dem unsrigen, ist der gesellige Genuss der mittlern Klassen mit geringem Einkommen so vorsichtig eines jeden unverfälschten eigentümlichen Wesens entblößt, um es nur zum schwachen Abklatsch des geselligen Vergnügens der höhern Klassen mit großen Einkommen zu machen? Geschieht dies irgendwo anders als in England, und ist es nicht handgreiflich betrübend wahr, dass während die höheren und niederen Klassen unserer Gesellschaft jede ihre eigenen, charakteristischen, unverfälschten Erholungen in ihren Mußestunden haben, welche gleichmäßig ihrem Vermögen und ihrem Geschmack entsprechen, die mittleren Klassen im Allgemeinen alles dies entbehren.

      Das Leben in der neuen Vorstadt gab hiervon, wie überall in England, Beweise in Fülle. Um nur ein Beispiel von den Erholungen, die im Essen und Trinken bestehen und einen so großen Teil unserer Zeit in Anspruch nehmen, zu geben, wollen wir bloß anführen: Wenn die reichen Besitzer »der Herrenhäuser« im Park ihre großartigen Diners gaben und dabei so freigebig mit ihrem besten Champagner und ihren seltenen gastronomischen Delikatessen, wie es ihnen gefiel, waren, konnten die Mieter der Steinkasten gerade so gemächlich ihre Unterhaltung im Teegarten genießen und ihrerseits gerade so bereitwillig und gastfrei freigebig mit ihrem Bier, Tee, Butterbrot und Graneelen sein. Nicht so bei den Leuten von mäßigem Einkommen; sie schraken bei ihren geselligen Genüssen albern vor des armen Mannes Bier und Graneelen zurück; sie krochen verächtlich zu des reichen Mannes seltenen Weinen und luxuriösen Gerichten heran, gaben ihre Armut durch nachgemachten Champagner von schlechten Weinhändlern, durch schlecht schmeckenden Salat und stinkende Austernpasteten von schlechten Restaurateurs preis, blieben bei keiner ihrer Festlichkeiten ihrem Einkommen, ihrer Klasse oder sich selbst getreu und amüsierten sich deshalb niemals bei Gesellschaften, die sie gaben, und hatten niemals ein wirkliches Vergnügen dabei, was auch ihre Einladungskarten für ihre Gäste vom Gegenteil sagen mochten.

      Am äußersten Ende jenes Teiles der neuen Vorstadt, welcher für die mittleren Klassen mit mäßigem Einkommen hergerichtet war, wohnte ein Herr Valentin Blyth mit Namen und seines Standes ein Maler, dessen Leben in mehr als einer Hinsicht einen sehr sonderbaren und schlagenden Kontrast von dem seiner meisten Nachbarn darbot. Als Herr Blyth zuerst seine Wohnung in dieser neuen Umgebung aufschlug, zog er ganz unbewusst alle Aufmerksamkeit, welche die ältern Ansiedler in der Kolonie übrig hatten, dadurch auf sich, dass er neben seinem Hause ein großes und komisch aussehendes Atelier baute und auf diese Weise die allgemeine Einförmigkeit in der Häuserreihe zerstörte. Von diesem Augenblicke an fingen die Leute, wie man zu sagen pflegt; von ihm zu sprechen an. Einige von den müßigeren Bewohnern zogen Erkundigungen bei Geschäftskunden ein und beobachteten den Maler und seine Hausgenossen neugierig zu Hause und auf der Straße. Die allgemeine Meinung, welche sich bald aus diesen Erkundigungen und Beobachtungen ergab, bestand darin, dass Herr Blyth eine sehr exzentrische Person sein müsste, da er allerlei Dinge machte, welche man gewöhnlich nicht machte, und dass er sich vorgenommen hatte, sich auf seine eigene Weise zu amüsieren, ohne sich im Geringsten um die Sitten und Gebräuche der reichen Aristokratie zu kümmern, welche sich in der benachbarten Abgeschlossenheit der