Die Dorf-Plage. Hendrik Conscience. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hendrik Conscience
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
soll . . . «

      – »Sieh, dort geht sie ja, deine Clara!« sagte der Vater.

      In der That, seitwärts zwischen den Tannenbäumen, einige Schritte vor ihnen, nahte ein Mädchen, die mit niedergeschlagenen Augen zerstreut und langsam daher schritt.

      Der Jüngling hatte sich schnell vom Halse seines Vaters losgemacht und wollte eben jubelnd dem theuren Wesen entgegenlaufen, als der Greis ihn zurückhielt mit der strengen Mahnung:

      – »Lukas, laß kein Wort davon bei Clara verlauten, hörst du? Ich muß vorerst noch die Nacht zu Rathe ziehen und im Klaren darüber sein, wie sich der Vater dazu versteht.«

      Lukas versprach durch Kopfnicken, ihr die frohe Nachricht verschweigen zu wollen, und lief in vollem Sprunge auf seine Geliebte zu. Der gute Junge kannte sich nicht mehr vor Entzücken; er warf seine Mütze in die Luft, tanzte und jodelte wie ein Kind – aber warum er so guten Muthes war, das ließ er behutsamer Weise nicht merken.

      Er nahm das Mädchen bei der Hand und zog es nach der Stelle, wo sein Vater ihn ernsten Blickes überwachte.

      – »Ach, Clara«, rief der überselige Junge, »dürfte ich dir nur sagen, was mich so fröhlich macht. Der Vater aber will’s nicht haben; morgen, morgen! sagt er, sei’s Zeit genug. Einstweilen kannst du immerhin lachen, Clara, singen und guter Dinge sein . . . Ich selber ersticke fast vor Ungeduld, dir die Nachricht mitzutheilen; aber ich möchte wohl fünf Franken wetten – freilich hab’ ich sie nicht – daß du sie von selbst errathest; ach sie ist gar so herrlich; dürfte ich nur damit losplatzen . . . «

      Der Alte war einige Schritte vorwärts gegangen und fühlte mit den noch starken Fingern seinem Sohne den Puls:

      – »Lukas, Lukas« murrte er, »das ist nicht recht von dir!«

      Von dem etwas unsanften Händedruck und dem Ernste der Anrede, wie aus einem Traume herausgerissen, senkte Lukas beschämt den Kopf; doch hob er ihn sogleich wieder mit freundlichem Lächeln:

      – »Es war Zeit, Vater,« sprach er leise; »ich kann nichts dazu, aber es wollte mir schon über die Lippen.«

      Das Mädchen schaute Beide verwundert an und schien neugierig zu forschen, was sie wohl für ein Geheimniß vor ihr zu verbergen haben möchten.

      Sie war schön von Gesicht und schlank von Gestalt; aber es lag etwas überaus Ernstes und Wehmüthiges in dem schmachtenden Blick ihrer schwarzen Augen. Wenn auch ihre gebräunten Wangen nicht sonderliche Fülle verriethen, so hatte die Arbeit dennoch ihre Glieder fest und stark gemacht. Sie trug den Kopf aufrecht und um ihren feingeschnittenen Mund spielte ein Zug, den man leicht mit Hochmuth hätte deuten können, wäre nicht Jedermann im Dorfe bekannt gewesen, daß es kaum ein bescheideneres und sanfteres Mädchen geben könne, als Clara. Jene zwei kleinen Falten rührten vielmehr von ihrem nachdenklichen Wesen, von dem Bewußtsein ihres traurigen und jeder freundlicheren Aussicht entbehrenden Schicksals.

      Wenn auch ihre Kleider durch die Jahre ihre ursprüngliche Farbe verloren hatten und hie und da eine allzusichtbare Naht von der Mühe Zeugniß ablegte, womit man ihre Erhaltung pflegte, so waren sie doch rein und so gefällig geordnet, daß das Mädchen fast noch reicher gekleidet schien, als die übrigen Bauerntöchter des Dorfes.

      Nachdem sie den Alten freundlich gegrüßt hatte, nahm dieser den Korb auf die Achseln, stellte sich zwischen die zwei jungen Leute und so setzten sie ihren Weg nach dem Dorfe fort.

      Lukas fing an vom schönen Wetter zu sprechen, von der bevorstehenden Wallfahrt, von der Kirmeß auf dem Kreuzberg und von allerlei lustigen Dingen; streute wohl auch einige zweideutige Worte mitunter, die seinen Vater zuweilen veranlaßten, ihn unvermerkt mit dem Fuße an das gegebene Verbot zu erinnern.

      Clara indeß schien von dem munteren Geplauder unberührt; sie schritt mit trauriger Miene und sprachlos ihren Weg fort.

      Sie waren etwa noch drei Schußweiten von den ersten Häusern des Dorfes entfernt, als Lukas eine Frage an Clara richtete und sie dadurch nöthigte, ihm ihr Gesicht zuzuwenden.

      »Clara, du weinst?« rief er, indem er plötzlich von seines Vaters Seite weichend, vor sie hin sprang.

      – »Fasse dich, Liebe, es wird bald besser werden . . . du sollst noch glückliche Tage genießen . . . der morgende Tag . . . «

      – Ein Blick seines Vaters schnitt ihm die Rede ab.

      – »Aber sage mir doch, Clara, warum weinst du so bitterlich?« fragte er mit schmerzlicher Rührung, indem ihm selber eine Thräne im Auge perlte, die er heimlich mit dem Finger abwischte.

      – »Ach, guter Freund,« seufzte Clara, »ich habe gar so viel Verdruß; ja, es bricht mir das Herz im Leibe zusammen. Seit diesem Morgen irre ich in den Wäldern herum und beweine mein bitteres Loos. Nach Hause mochte ich nicht kehren, es wäre mir dort gar zu verödet und sterbenseinsam vorgekommen.«

      – »Himmel, hat sich denn ein Unglück zugetragen?« schrie Lukas. »Hat dein Vater . . . «

      – »Mein Vater ist nach der Stadt,« antwortete die Jungfrau.

      – »Du machst mir Angst, Clara; sprich doch, weshalb diese Thränen?«

      – Mit erhöhter Traurigkeit erzählte nun das Mädchen:

      – »Ihr kennt doch, Vater Torfs, unsere Kuh – es war die letzte, die uns noch übrig blieb – Lukas nannte sie nur »das weiße Mütterchen« ich hatte sie selber aufgezogen und versorgt; sie war meine einzige Gesellschaft, das einzige Geschöpf auf Erden, dem ich von den Dingen erzählen konnte, die mich mit Schmerz erfüllen. Denn sie hatte Verstand, wie ein Mensch, und sah mir an den Augen ab, was ich ihr sagen wollte. Wenn ich so klagend und mit dem Kopf an ihren Hals gelehnt, Thränen vergoß, da leckte mir das theure Thier sanft die Hände, um mich zu trösten. Mit vollem Recht nanntest du sie die weiße Mutter, Lukas; hat sie uns doch lange Zeit redlich genährt und wenn Alles mangelte, mir meine Nahrung gereicht. Ja ohne sie und ohne . . . ohne dich, Lukas, würde ich längst schon unter dem Grase ruhen. Nie hätte ich mir eingebildet, daß ein Mensch für ein Thier solche Liebe gewinnen könne, aber hätte ich eine Schwester und sie würde mir von der Seite gerissen, ich glaube kaum, daß mich ihr Verlust so tief schmerzen würde. Ich werde gewiß noch krank davon. Das arme, gute Thier!«

      – »Nun, ist die Kuh gestorben?« fragte Vater Torfs.

      – »Oh, viel schlimmer als das,« seufzte Clara, »diesen Morgen hat sie der Vater an unsern Nachbar, den Metzger Thomas, verkauft . . . «

      Unter reichlichem Thränenguß fügte sie hinzu:

      – »Und ich habe selber ihr weißes Fell, mit Blut befleckt, an seiner Thüre hängen sehen . . . ja sterben möchte ich vor bitterem Leid.«

      – Dem alten Vater fingen gleichfalls die Augen an feucht zu werden und Lukas schluchzte laut . . . Alle drei weinten über den Tod einer Kuh! – Wunderbares Gefühl der Dankbarkeit, die sich der erhaltenen Wohlthaten lebendig erinnert, selbst wenn diese Wohlthaten von einem vernunftlosen Thiere herrührten!

      Bald jedoch schlug des Vaters Traurigkeit in Entrüstung um; er stampfte zornig mit den Füßen und murmelte einige bissige Worte hinzu, aus welchen sich deutlich genug seine Erbitterung gegen Clara’s Vater zu erkennen gab.

      – »Und wie kam denn euer Vater dazu, die Kuh zu verkaufen?« rief er. »Ohne Zweifel abermals um . . . «

      – »Um seinen rückständigen Pachtzins zu bezahlen!« antwortete das Mädchen.«

      – »Er ist also in die Stadt, um seinen Zins zu bezahlen!« rief Lukas mit freudiger Ueberraschung.

      – »Beschuldigt meinen armen Vater nicht,« bat Clara; – »ihr könnt es freilich nicht wissen, aber er ist recht unglücklich. Habt lieber Mitleiden mit ihm und betet zu Gott, daß er sich seiner erbarme!«

      Aufs Neue benetzten sich die Augen des alten Mannes; die letzten Worte der Jungfrau, die mit so inniger Herzlichkeit gesprochen waren, hatten ihn tief gerührt. Er schaute sie gedankenvoll und mit warmer Theilnahme an, als wäre er im Begriffe,ihr