In der Mondnacht. Hans Wachenhusen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Wachenhusen
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Детская проза
Год издания: 0
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Freilich wußte sie nicht, daß der Arzt gesagt hatte, sie würden sich heute zum letzten Male gemeinschaftlich zur Ruhe begeben.

      Auf Carls Bette lag ein Bild, das hatte ihm einst die sterbende Großmutter geschenkt. Es war das betende Kind, das Ihr wohl kennt, und unter das Bild hatte die Großmutter zum Andenken geschrieben:

      »Abba, lieber Vater,

      Mach mich gut, mach mich fromm,

      Daß ich in den Himmel komm'!«

      Ueber dem betenden Kinde in der schönen Randverzierung aber saßen ein paar liebliche Engel, die sah Carl immer so gern und die Großmutter hatte ihm versprechen müssen, daß er auch ein solcher Engel werden solle.

      Auf diesen beiden Engeln ruhte heute Carls mattes Auge, während er betete, er hatte sie ja so gern, und es wäre ihm schon recht gewesen, zu sterben, wenn er nur die beiden Engel und die gute Mutter hätte mitnehmen können. Da erlosch die Nachtlampe, denn sie glaubte, Carl sei schon eingeschlafen, weil er so still war.

      Aber das Bild auf Carls Bette verklärte sich jetzt mit einem Male in wunderbarem Glanz, es leuchtete wie tausendfacher sanfter Lampenschimmer und aus der Randverzierung traten leibhaftig die beiden Engel heraus. Die wuchsen vor seinem Blick, ihre Flügel wurden größer, ihr Gewand wurde zum Sternenkleide, ihre Augen nahmen einen überirdischen Glanz an.

      So stellten sich die Engel zu beiden Seiten von Carls Bette, legten ihre Hände auf seinen fieberheißen Arm und schauten ihn so freundlich an, wie es nur die Engel thun können.

      Carl erschrak anfangs, aber er erkannte ja seine Engel und streichelte ihnen mit den Händchen die Wangen.

      – Ist es wohl wahr, daß ich sterben soll? fragte er. Wollt Ihr mich zur Großmutter in den Himmel holen?… Ach ja! Laßt mich mit Euch gehen, aber laßt mich mein Mütterchen mitnehmen, denn sonst kann ich nicht froh sein in Eurem Himmel!

      – Nein, Du sollst noch nicht mit uns kommen, antwortete der eine Engel; aber dereinst werden wir uns wieder sehen, und dann gehst Du mit uns.

      Hierauf erhoben sich Beide und bestiegen eine goldene Leiter, die wie ein großer Sonnenstrahl in die Luft führte. Carl sah, wie sie immer höher stiegen, bis die Wolken sich hinter ihnen schlossen.

      Trauernd sah Carl sie droben verschwinden; eine heiße Thräne trat in sein Auge. Plötzlich aber klatschte er sich freudig in die Hände, denn die Wolken theilten sich wieder und die Engel kehrten zurück. Sie trugen auch Etwas in den Händen, das sah aus wie ein wunderschönes Schreibebuch, so schön wie er noch nie eins gesehen.

      Und die Engel kehrten auf der Sonnenstrahl-Leiter zurück und traten wieder an sein Bett. Und der Eine von ihnen zeigte ihm ein Buch, dessen Deckel so purpurroth war, wie der schönste Sammet, und der ein großes goldenes Kreuz trug.

      Und der Engel legte das Buch auf Carls Bett und sagte zu ihm:

      – Dieses Buch sendet Dir Dein Vater im Himmel; es stehen schöne Worte und eine große Lehre darin, die sollst Du verkünden weit und breit, diesseits und jenseits der Meere, und deshalb sollst Du leben.

      – Ach, das schöne, schöne Buch! rief Carl und drückte es an das kleine Herz.

      Die Engel aber küßten ihn Beide auf die Stirn.

      – Dereinst sehen wir uns wieder! sagten sie und verschwanden.

      Viele Jahre waren verstrichen, da lag weit, weit fort in China ein Mann auf dem Sterbebette.

      Sein Haar war noch nicht ergraut, seine Kraft war groß, sein Wort mächtig gewesen. Tausend und abertausend Meilen war er gewandert und hatte das Wort Gottes unter den Heiden verkündet. Er hatte viel Ungemach und Leiden ertragen, aber viele Tausende hatte er zum Christenthume bekehrt, die glaubten jetzt an den Gekreuzigten und zerschlugen die Götzen, zu denen sie in ihrer Blindheit gebetet.

      Er selbst aber lag auf dem Sterbebette; keine Verwandte, kein Vater, keine Mutter, keine Gattin, keine Kinder standen an seinem Schmerzenslager; er aber war getrost, denn er sollte ja zu seinem Vater zurückkehren.

      Und seine Hand ruhte auf einem rothen Buche mit einem goldenen Kreuz, darin stand mit vielen Millionen Buchstaben ein einziges Wort geschrieben: das Wort Gottes.

      Und als es Abend wurde, da betete er noch einmal, denn sein Auge wollte brechen.

      Plötzlich ward es hell im Zimmer wie vom Schein der untergehenden Sonne. Noch einmal schlug er das Auge auf und sah an seinem Bette zwei Engel stehen.

      – Als wir Dich vor mehr denn vierzig Jahren sahen, begann der Eine, da versprachen wir Dir, Du sollest uns wiedersehen. Wir sind gekommen, um Dich mit uns zu nehmen, denn Du hast genug gethan. Du sollst ausruhen und vor das Antlitz Dessen treten, den Du verkündet hast.

      Die Engel legten ihre Hand auf sein Auge und das Buch auf seine Brust. Sie ließen seinen Leib ruhen und führten seine Seele hinüber auf derselben Leiter, auf welcher sie ihm einst erschienen waren.

      Die Welt hieß ihn Carl Gützlaff, der Vater im Himmel aber nannte ihn seinen treuesten Sohn.

      Der blanke Dreier

      In Minchens Sparbüchse lagen viele Groschen, Zwei- und Vier-Groschenstücke, mehrere Thaler, ein Friedrichsdor, den sie vom Vater zum Geburtstag erhalten hatte, und endlich ein Dreier, der war so blank, als wäre er soeben aus der Münze gekommen, und bildete sich ein, er sei von Gold.

      – Um Verzeihung, was sind Sie für eine Geborne? fragte der Dreier die neben ihm liegende Goldmünze.

      – Ich bin von Gold und stamme noch aus der guten alten Zeit, wie Sie auch auf meiner Rückseite sehen können, antwortete der Friedrichsdor, der nicht wenig stolz darauf war, daß er noch einen Zopf trug. »Ich bin von sehr gediegenem alten Adel!« setzte er hinzu.

      – Sie von Gold? rief der Dreier lachend. Wie können Sie das mir nur in's Gesicht sagen, dem man es doch auf den ersten Blick ansieht, daß ich vom feinsten Ducatengolde bin. Sehen Sie nur, wie ich glänze!

      – Ja, aber es ist nicht alles Gold, was glänzt! antwortete der Friedrichsdor. Sie sind nur ganz ordinärer Herkunft; Sie sind ein Kupferdreier und an Ihrer Stelle würde ich mich doch geniren, in so anständiger Gesellschaft zu erscheinen.

      Damit drehte ihm der Friedrichsdor den Rücken zu.

      – Was sich dieses Pack wohl denkt! sagte der Dreier zu sich selbst. Aber so ergeht es Einem immer, wenn man herablassend ist; ich will mich auch in meinem Leben nicht wieder populär zu machen suchen, denn man hat doch nur Undank dafür.

      Mit diesen Worten drehte sich der Dreier auch herum und den ganzen Tag hindurch wurde in der Sparbüchse kein Wort mehr gesprochen.

      Am Abend kam Minchen mit ihrem Vater und holte die Sparbüchse aus dem Schrank. Minchen sollte nämlich eingesegnet werden und sich für ihre Sparbüchse das erste schwarze Atlaskleid kaufen.

      Sie zählte nun mit ihrem Vater die Groschen, die Zwei- und Vier-Groschenstücke, die Thaler und endlich auch den Friedrichsdor. Nur den blanken Dreier ließ sie ganz bei Seite liegen.

      – Aha, dachte der Dreier, das Gute läßt man immer bis zuletzt. Wenn sie dich erst mit hinzuzählen, dann wird die Summe noch einmal so groß werden!

      Aber der Dreier konnte lange warten, bis er mitgezählt wurde, und als endlich Minchens kleiner Bruder herein hüpfte, gab ihm der Vater den Dreier und erlaubte ihm, sich einen Kuchen dafür zu kaufen.

      Der Kleine sprang mit ihm zum Kuchenbäcker und plump! fiel der Dreier in die dunkle Kasse des Bäckers, in der schon viele schwarze Kupfermünzen lagen.

      – Es ist doch merkwürdig, wie sehr sich die Leute oft in der Taxirung Anderer täuschen! Das ist denn doch ein sehr grober Irrthum! sagte der Dreier. Na, mir kann es gleich sein, denn mein Schade ist es nicht!

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