Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Rudolf Virchow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Virchow
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Медицина
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selbst bis zum Verschlusse ihres Lumens, so dass nach der Geburt auch ohne Ligatur, z. B. nach Abreissen des Nabelstranges, die Blutung von selbst stehen kann. Die Dicke der Wandungen dieser Gefässe ist daher leicht begreiflich, denn zu der an sich so dicken Muscularis kommt noch eine innere und eine, wenn auch nicht gerade sehr stark entwickelte, äussere Haut; daran erst schliesst sich das sulzige Gallert-Gewebe (Schleimgewebe). Durch diese Lagen hindurch würde also die Ernährung geschehen müssen. Ich kann nun allerdings nicht mit Sicherheit sagen, von wo aus das Gewebe des Nabelstranges sich ernährt; vielleicht nimmt es aus dem Liquor Amnios Ernährungsstoffe auf; auch will ich nicht in Abrede stellen, dass durch die Wand der Gefässe Ernährungsstoffe hindurchtreten mögen, oder dass sich von den kleinen Capillaren des persistirenden Theils aus nutritives Material fortbewegt. Aber in jedem Falle liegt eine grosse Masse des Gewebes fern von allen Gefässen und von der Oberfläche; sie ernährt und erhält sich, ohne dass eine feinere Circulation von Blut in ihr vorhanden ist. Man hat nun allerdings lange Zeit hindurch sich mit diesem Gewebe nicht weiter beschäftigt, weil man es mit dem Namen der Sulze (Gallerte) belegte und es damit überhaupt aus der Reihe der Gewebe in die vieldeutige Gruppe der blossen Anhäufungen oder Ausschwitzungen von organischer Masse warf. Ich habe erst gezeigt25, dass es wirklich ein gut gebildetes Gewebe von typischer Einrichtung ist, und dass dasjenige, was im engeren Sinne die Sulze darstellt, der ausdrückbare Theil der Intercellularsubstanz ist, nach dessen Entfernung ein leicht faseriges Gewebe zurück bleibt, welches ein feines, anastomotisches Netz von zelligen Elementen in derselben Weise enthält, wie wir es eben an der Sehne und an anderen Theilen kennen gelernt haben. Ein Durchschnitt durch die äusseren Schichten des Nabelstranges zeigt eine Bildung, welche viel Aehnlichkeit mit dem Habitus der äusseren Haut hat: ein Epidermoidal-Stratum, darunter eine etwas dichtere cutisartige Lage, dann die Whartonsche Sulze, welche der Textur nach dem Unterhautgewebe entspricht und eine Art von Tela subcutanea darstellt. Dies hat insofern für die Deutung einiger Gewebe der späteren Zeit ein besonderes Interesse, als die Sulze des Nabelstranges dadurch ihre nächste Verwandtschaft documentirt mit dem Panniculus adiposus, der aus ursprünglichem Schleimgewebe hervorgeht, sowie mit dem Glaskörper, welcher der einzige Gewebs-Rest ist, der, soweit ich bis jetzt ermitteln konnte26, beim Menschen während des ganzen Lebens in dem Zustande einer zitternden Gallerte oder Sulze verharrt. Er ist der letzte Rest des embryonalen Unterhautgewebes, welches bei der Entwickelung des Auges mit der Linse (der früheren Epidermis, S. 36) von aussen eingestülpt wird.

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      Fig. 50. Querdurchschnitt durch einen Theil des Nabelstranges. Links sieht man den Durchschnitt einer Nabelarterie mit sehr starker Muskelhaut, daran schliesst sich das allmählich immer weiter werdende Zellennetz des Schleimgewebes. Vergr. 80.

      Die Haupt-Masse des Nabelstranges besteht aus einem maschigen Gewebe, dessen Maschenräume Schleim (Mucin) und einzelne rundliche Zellen enthalten und dessen Balken aus einer streifig-faserigen Substanz bestehen. Innerhalb dieser letzteren liegen sternförmige Elemente. Stellt man durch Behandlung mit Essigsäure ein gutes Präparat her, so bekommt man ein regelrechtes Netz von Zellen zu Gesicht, welches die Masse in so regelmässige Abtheilungen zerlegt, dass durch die Anastomosen, welche diese Zellen durch den ganzen Nabelstrang haben, eben auch eine gleichmässige Vertheilung der Säfte durch die ganze Substanz möglich wird. —

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      Fig. 51. Querdurchschnitt vom Schleimgewebe des Nabelstranges, das Maschennetz der sternförmigen Körper nach Behandlung mit Essigsäure und Glycerin darstellend. Vergr. 300.

      Ich habe bis jetzt eine Reihe von Geweben vorgeführt, die alle darin übereinkamen, dass sie entweder sehr wenig Capillargefässe oder gar keine besitzen. In allen diesen Fällen erscheint der Schluss sehr einfach, dass die besondere zellige Kanal-Einrichtung, welche sie besitzen, für die Saftströmung diene. Man könnte aber, zumal wenn man das Schleimgewebe nicht anerkennt, meinen, es sei dies eine Ausnahms-Eigenschaft, die nur den gefässlosen oder gefässarmen, im Allgemeinen harten Theilen zukäme, und ich muss daher noch ein Paar Worte über die Weichtheile hinzufügen, welche einen ähnlichen Bau haben. Alle Gewebe, welche wir bisher betrachtet haben, gehören nach der Classification, welche ich im Eingange gegeben habe, in die Reihe der Bindesubstanzen: der Faser-Knorpel, das fibröse oder Sehnengewebe, das Schleim-, Knochen- und Zahngewebe müssen sämmtlich derselben Klasse zugerechnet werden. In dieselbe Kategorie gehört aber auch die ganze Masse dessen, was man gewöhnlich unter dem Namen des eigentlichen Zellgewebes begriffen hat und worauf zumeist der von Joh. Müller27 vorgeschlagene Name des Bindegewebes passt; jene Substanz, welche die Zwischenräume der verschiedenen Organe in bald mehr, bald weniger grosser Menge erfüllt, welche die Verschiebung der Theile gegen einander ermöglicht, und von der man sich früher dachte, dass sie grössere oder kleinere, mit einem gasförmigen Dunst (Halitus serosus) oder Feuchtigkeit gefüllte Räume (Zellen im groben Sinne, Areolen) enthielte (S. 40).

      An den meisten Orten liegen darin zahlreiche Arterien, Venen und Capillaren, und die Einrichtung für die Ernährung ist die allergünstigste von der Welt. Trotzdem besteht auch hier neben den Blutgefässen überall eine feinere Einrichtung der Ernährungswege genau in derselben Art, wie wir sie eben kennen gelernt haben, nur dass, je nach dem besonderen Bedürfnisse, an einzelnen Theilen eine eigenthümliche Veränderung der Zellen stattfindet, indem nach und nach an die Stelle der einfachen Zellennetze und Zellenfasern eine compactere Bildung tritt, welche durch eine direkte Umwandlung daraus hervorgeht, das sogenannte elastische Gewebe.

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      Fig. 52. Elastische Netze und Fasern aus dem Unterhautgewebe vom Bauche einer Frau. a, a grosse, elastische Körper (Zellkörper) mit zahlreichen anastomosirenden Ausläufern. b, b dichte elastische Faserzüge, an der Grenze grösserer Maschenräume. c, c mittelstarke Fasern, am Ende spiralig retrahirt. d, d feinere elastische Fasern, bei e feinspiralig zurückgezogen. Vergr. 300.

      Wenige Monate, nachdem ich meine ersten Beobachtungen über die Zellen und Röhrensysteme der Bindesubstanzen mitgetheilt hatte, veröffentlichte Donders seine Beobachtungen über die Umbildung der Bindegewebszellen in elastische Elemente, – eine Erfahrung, welche für die Vervollständigung der Geschichte des Bindegewebes von grosser Bedeutung geworden ist. Wenn man nehmlich an solchen Punkten untersucht, wo das Bindegewebe grossen Dehnungen ausgesetzt ist, wo es also eine grosse Widerstandsfähigkeit besitzen muss, so findet man in derselben Anordnung und Verbreitung, welche sonst die Zellen und Zellenröhren des Bindegewebes darbieten, elastische Fasern, und man kann nach und nach die Umbildung der einen in die anderen so verfolgen, dass es nicht zweifelhaft bleibt, dass nicht bloss die feineren (Henle's sogenannte Kernfasern, Fig. 20 und 22), sondern auch die gröberen elastischen Fasern direkt durch eine chemische Veränderung und Verdichtung der Wand von Bindegewebskörperchen hervorgehen. Da, wo ursprünglich eine einfache, mit langen Fortsätzen versehene Zelle lag, da sehen wir nach und nach die Membran nach innen hin an Dicke zunehmen und das Licht stärker brechen, während der eigentliche Zelleninhalt sich immer mehr reducirt und endlich verschwindet. Das ganze Gebilde wird dabei gleichmässiger, gewissermaassen sklerotisch und erlangt gegen Reagentien eine unglaubliche Widerstandsfähigkeit, so dass nur die stärksten Caustica nach längerer Einwirkung dasselbe zu zerstören im Stande sind, während es den kaustischen Alkalien und Säuren in der bei mikroskopischen Untersuchungen gebräuchlichen Concentration vollkommen widersteht. Je weiter diese Umwandlung fortschreitet, um so mehr nimmt die Elasticität der Theile zu, und wir finden in den Schnitten diese Fasern gewöhnlich nicht gerade oder gestreckt, sondern gewunden, aufgerollt, spiralig gedreht oder kleine Zikzaks bildend (Fig. 52, c, e). Dies sind die Elemente, welche vermöge ihrer grossen Elasticität Retractionen derjenigen Theile bedingen, an welchen sie in grösserer Masse vorkommen, z. B. der Arterien, der elastischen Bänder. Man unterscheidet gewöhnlich feine elastische Fasern, welche eben die


<p>25</p>

Würzb. Verhandl. 1851. II. 160.

<p>26</p>

Würzb. Verhandl. II. 317. Archiv f. path. Anat. IV. 486. V. 278.