Die Abenteuer Tom Sawyers. Марк Твен. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Марк Твен
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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gekommen. Die alte Dame legte das eine Ende der Schnur um Toms Zahn, das andere um den Bettpfosten. Dann nahm sie die Kohle und hielt sie plötzlich dicht vor Toms Gesicht. Im nächsten Augenblick hing der Zahn am Bettpfosten.

      Aber jedes Unglück hat sein Gutes. Als Tom nach dem Frühstück zur Schule bummelte, war er der Gegenstand des Neides bei allen Jungen, denn die Lücke in seiner Zahnreihe befähigte ihn, auf ganz neue und wunderbare Weise auszuspucken. Bald hatte er ein ganzes Gefolge, das seinen Vorführungen mit höchstem Interesse beiwohnte. Und einer mit einem geschnittenen Finger, der bisher der Mittelpunkt der Verehrung und Bewunderung gewesen war, sah sich auf einmal ohne Anhänger und seines Glanzes beraubt. Das Herz wurde ihm schwer und eine Verachtung heuchelnd, die er nicht fühlte, meinte er, es wäre wohl was Rechtes, ausspucken zu können wie Tom Sawyer. Aber die anderen riefen ihm zu: „Saure Trauben!“ und er ging davon – ein gestürzter Held.

      Kurz darauf begegnete Tom dem jugendlichen Paria des Dorfes, Huckleberry Finn, dem Sohn des Dorf-Trunkenboldes. Huckleberry war riesig verhaßt und gefürchtet bei allen Müttern des Ortes, denn er war unerzogen, ruchlos, gemein und schlecht – und deswegen von allen Kindern so bewundert und seine Gesellschaft so gesucht und ihr Wunsch so heiß, zu sein wie er. Tom war, wie alle wohlerzogenen Knaben, neidisch auf Huckleberrys freies, ungehindertes Leben und hatte strengen Befehl, nicht mit ihm zu spielen. Natürlich spielte er darum erst recht mit ihm, wo sich‘s tun ließ.

      Huckleberry war stets in abgelegte Kleider Erwachsener gekleidet, und diese Kleider mußten jahrelang aushalten und flogen in Fetzen um ihn herum.

      Sein Hut war eine trostlose Ruine, mit großen Lücken in dem herunterhängenden Rande. Sein Rock – wenn er einen hatte – baumelte ihm fast bis auf die Hacken und hatte die hinteren Knöpfe in der Höhe des Knies. Ein Tragband hielt seine Hosen. Der Hosenboden hing sackartig hinunter – ein luftleerer Raum, sozusagen. Huckleberry kam und ging, wie er mochte. Er schlief auf Türschwellen bei schönem Wetter und in Regentonnen bei schlechtem; er brauchte weder zur Schule zu gehen, noch zur Kirche, keinen Herrn anzuerkennen und niemand zu gehorchen. Er konnte fischen und schwimmen, wann und wo er nur wollte, und sich dabei solange aufhalten, wie es ihm beliebte. Im Frühling war er stets der erste, der barfuß lief und der letzte, der im Herbst sich wieder in das dumme Leder bequemte. Er brauchte sich weder zu waschen, noch reine Kleider anzuziehen. Fluchen konnte er herrlich. Mit einem Worte – was das Leben kostbar machte – er hatte es. So dachten alle die wohlerzogenen, sittsamen, respektablen Buben in St. Petersburg.

      Tom rief den romantischen Helden sofort an: „Holla, Huckleberry!“

      „Holla, du, wie geht‘s dir?“

      „Was hast du da?“

      „Ne tote Katze.“

      „Laß sehen, Huck. Donnerwetter, wie steif sie ist! Woher hast du die?“

      „Von ‘nem Jungen gekauft.“

      „Was hast du dafür gegeben?“

      „Einen blauen Zettel und eine Schweinsblase aus dem Schlachthaus.“

      „Und woher hattest du den blauen Zettel?“

      „Vor zwei Wochen von Ben Rogers für einen Stock gekauft.“

      „Sag – was machst du mit der toten Katze?“

      „Was? Warzen heilen.“

      „So. Wirklich? Ich weiß was Besseres.“

      „Wird was sein! Was ist‘s denn?“

      „Na – faules Wasser!“

      „Faules Wasser! Geb dir keinen Heller für dein faules Wasser!“

      „So, nicht? Hast du‘s vielleicht probiert?“

      „Ich nicht, Bob Tanner.“

      „Wer hat dir das gesagt?“

      „Na, er hat‘s Jeff Thatcher gesagt, und Jeff hat‘s Johnny Baker gesagt, und Johnny dem Jim Hollis, und Jim Hollis dem Ben Rogers, und Ben sagte‘s ‘nem Neger, und der hat‘s mir gesagt. So, nun weißt du‘s!“

      „Na, weißt du, die haben alle gelogen. Alle, bis auf den Neger, den kenn ich nicht. Aber ich hab‘ nie einen Neger gesehen, der nicht gelogen hätte. Aber sag‘ doch, wie macht‘s Bob Tanner denn, Huck?“

      „Na, er nimmt seine Hand und taucht sie in einen verfaulten Baumstumpf, worin faules Wasser ist.“

      „Am Tage?“

      „Natürlich!“

      „Mit dem Gesicht nach dem Baum?“

      „Ja – das heißt, ich glaube.“

      „Sagte er was?“

      „Ich glaube nicht – aber ich weiß nicht.“

      „Na – der will darüber sprechen, wie man Warzen heilt – so ein alter Schafskopf! Da hätt‘ er auch sonst was tun können! Also, du mußt mitten in den Wald gehen, wo du weißt, daß ein Baumstamm mit faulem Wasser ist, und gerade um Mitternacht mußt du das Gesicht gegen den Baum wenden und die Hand hineinstecken, und dann sagst du:

      ‚Ist das Wasser faul und dumpf —

      Frißt‘s die Warz‘ mit Stiel und Stumpf!‘

      und dann trittst du langsam zurück, elf Schritt, mit geschlossenen Augen, und dann drehst du dich dreimal herum und gehst nach Hause, ohne mit jemand zu sprechen. Denn sonst hilft‘s nichts.“

      „Ja, das kann sein; aber Bob Tanner hat‘s anders gesagt.“

      „Na, weißt du, dann versteht er‘s halt nicht. Darum hat er auch am meisten Warzen von allen im Dorf, und er hätte nicht eine, wenn er das mit dem faulen Wasser wüßte, wie‘s ist. Ich hab‘ auf diese Weise tausend Warzen fortgekriegt, Huck. Ich bekomme so viel Frösche in die Hand, daß ich immer eine Masse Warzen habe. – Zuweilen mach‘ ich sie mit ‘ner Bohne ab.“

      „Ja, Bohne ist gut, damit hab‘ ich‘s auch schon gemacht.“

      „So? Wie machst du‘s denn?“

      „Na, man nimmt die Bohne und schneidet sie durch, und dann schneidet man die Warze, bis Blut herauskommt, und dann läßt man das auf die eine Hälfte der Bohne tropfen, und dann nimmt man die und gräbt bei Vollmond am Kreuzweg ein Grab, und da tut man sie dann hinein. Dann, weißt du, zieht die eine Hälfte der Bohne, wo das Blut darauf ist, die andere Hälfte an, und so hilft das Blut, um die Warze fortzuziehen, so lang, bis sie fort ist.“

      „Ja, Huck, das ist ganz richtig. Nur, wenn du sie begräbst und dazu sagst: ‚Bohne fort – komm nicht mehr an diesen Ort,‘ ist‘s noch besser. So macht‘s John Harper, und der ist schon mal bis Coonville und überall gewesen. Aber sag‘ – wie heilst du sie denn mit ‘ner toten Katze?“

      „Weißt du, du nimmst die Katze und gehst auf den Kirchhof gegen Mitternacht, dahin, wo ein Gottloser begraben ist. Wenn‘s dann Mitternacht ist, kommt ein Teufel – oder auch zwei oder drei – du kannst ihn aber nicht sehen, sondern hörst nur so was wie den Wind, oder hörst ihn sprechen. Und wenn sie dann den Kerl fortschleppen, wirfst du die Katze hinterher und rufst:

      ‚Teufel hinterm Leichnam her,

      Katze hinterm Teufel her,

      Warze hinter der Katze her —

      Seh‘ euch alle drei nicht mehr!‘

      Das heilt jede Warze.“

      „Das läßt sich hören. Hast du‘s schon mal versucht, Huck?“

      „Nein, aber die alte Hopkins hat‘s mir erzählt.“

      „Ja, ich glaub‘, ‘s ist so, denn die sieht aus wie ‘ne Hexe.“

      „Das glaub‘ ich! Weißt du, Tom, sie ist eine Hexe! Sie hat meinen Alten behext. Er hat‘s selbst gesagt. Er begegnete ihr mal ganz allein und sah, daß sie ihn behexen wollte, da hob er einen Stein auf, und wenn sie sich nicht gebückt hätte, hätt‘ er sie geworfen. Na, in der Nacht darauf fiel er von