Während mein neuer Freund Lawrence sofort in lebhaftem Gespräch mit dem jungen Owen seine Zuckertüten aus der Tasche holte, sie auf den Tisch schüttete und ihn für die herrlichen Kristalle der Magnoliaplantage zu begeistern suchte, öffnete sich die Tür des Nebenzimmers, und Longstreets breites, treuherziges Soldatengesicht winkte mir zu, einzutreten. Die beiden andern Heerführer standen um ein Tischchen und zupften mit jener langsamen, sachverständigen Handbewegung Baumwollflocken auseinander, die bewies, daß sie wußten, was sie taten. Jedes Gewerbe hat gewisse zünftige Bewegungen, an denen sich die Eingeweihten sofort erkennen: man weiß, wie der richtige Getreidehändler das Korn von einer Hand in die andre rollen läßt, der Zuckersieder den zähflüssigen Zucker zwischen Daumen und Zeigefinger ausspinnt und der Gastwirt seinen Kaviar empfiehlt, indem er Daumen und Zeigefinger zusammendrückt und mit halbgeschlossenen Augen den Mund zuspitzt, als ob er küssen oder pfeifen wollte. So wußte ich nun auch, daß sämtliche drei Generale aus Familien stammten, die große Baumwollplantagen besessen hatten.
Longstreet stellte mich vor: »Herr Eyth, Ingenieur und Vertreter der berühmten Firma John Fowler & Co. aus Leeds in England; Herr Eyth ist im Begriff, Gentlemen, einen Ersatz für unsre Neger in Louisiana einzuführen, so daß die farbigen Gentlemen sich in Zukunft mit größerer Ruhe der Anfertigung unsrer neuen Konstitution widmen können.«
Beauregard, ein schweigsamer Mann mit weißen Haaren, machte ein finsteres Gesicht und zeigte keine Lust, auf Longstreets Witzchen einzugehen. Der kleine, elastische General Taylor dagegen lachte.
»Was hilft das Zähneknirschen, Beauregard?« sagte er munter. »Wir sind geschlagen. Darüber ist kein Zweifel. Man muß sehen, wie man sich daran gewöhnt. – Waren Sie schon in unserm Abgeordnetenhaus?« wandte er sich an mich. »Dorthin müssen Sie gehen. Alles schwarz. So etwas hat man nicht gesehen, seit sich der Erdball um die Sonne dreht. Mein Plantagenhufschmied, der mich seinerzeit dreizehnhundert Dollars kostete, ist erster Schriftführer. Aber reden sollten Sie den Mann hören! Alle sechs Wochen erhöhen die Herren in namentlicher Abstimmung ihre Tagegelder. Bis jetzt war dies ihre einzige gesetzgeberische Tätigkeit. Aber reden muß man sie hören. O Jerusalem!« …
»Mittlerweile müssen wir jetzt danach sehen, wie man Maulesel beschlägt«, meinte Longstreet, »und den Boden aufreißt, Kanalschiffe durch die alten Swamps schleppt und Schienen im Sand von Texas begräbt. Das ist Beauregards Spezialität. – Sie also wollen uns pflügen helfen, Herr Eyth?«
»Ich hoffe so, General«, antwortete ich mit erwachender Zuversicht und fühlte mich den drei Helden des großen Bürgerkriegs mit jeder Minute menschlich näher. »Der Dampf hat schon größere Schwierigkeiten überwunden.«
»Sie scheinen einen guten Glauben an den Dampf zu haben«, meinte Beauregard grimmig. »Vor fünf Jahren ging mir's ähnlich: mit dem Pulverdampf!«
»Wenn einmal die erste Lokomotive über seine ›Texasstrandlinie‹ läuft, wird sein Glaube wieder lebendig werden«, sagte Taylor tröstend. »Nehmen Sie ihm ein paar hundert Aktien ab, Herr Eyth, wenn Sie den alten Bären lachen sehen wollen. Ich habe leider mit dem größeren Teil meines Vermögens meinen Salon tapezieren lassen: alles echte konföderierte Tausenddollarnoten, die die Yankees für uns fabrizierten. Das müssen Sie sich ansehen, ehe Sie uns verlassen. Verstehen Sie etwas von Kanalschiffahrt? Ich nicht; und ein unbehagliches Gefühl ist es für einen Soldaten und Kanaldirektor.«
Als in diesem Augenblick Major Owen eintrat, verabschiedeten sich die Herren mir gegenüber mit allgemeinem Händeschütteln, untereinander mit halb militärischen Grüßen und kaum bemerkbaren Blicken, die jedoch erraten ließen, daß sich unter der Oberfläche einer zu lauten Heiterkeit manches regte, das der Fremde nicht zu sehen brauchte.
»Galgenhumor!« sagte Longstreet, von der Tür zurückkommend, mit einem leichten Schatten auf seinem guten, wohlwollenden Gesicht. »Taylor hat sein ganzes, großes Vermögen endgültig verloren. Er hat zwei Schwestern, vor fünf Jahren die ersten Damen von New Orleans, die eine Nähschule anfangen wollen, um zu leben. Übrigens geht es uns allen nicht viel besser. Doch es wird wieder anders kommen! Bei Gott, schlechter kann's nicht werden! – Ihr Schiff, der ›Wilde Westen‹, muß jeden Augenblick hier sein, Herr Eyth. Der Major ist auf dem Zollamt, um den Betrag des Zolls festzustellen. Er hofft, Ihren Pflug um fünfzehnhundert Dollars hereinzubekommen. Natürlich muß er erklären, daß die ganze Sendung aus rohem Gußeisen besteht. Das wird ihm um so leichter, als er noch nichts davon gesehen hat und einen Dampfpflug von einem Bienenkorb nicht unterscheiden kann, wenigstens zollamtlich. Sie sehen, wir haben schon einiges von unsern nordischen Freunden gelernt. Im schlimmsten Fall müßten Sie allerdings beschwören, daß die Angaben meines Geschäftsteilhabers ihre Richtigkeit haben.«
Ich schnappte nach Luft. Jedermann kannte Longstreet als einen Ehrenmann ohne Furcht und Tadel, und seine treuherzigen blauen Augen sahen so kindlich in die Welt hinaus, daß ihm der größte europäische Spitzbube aufs Wort geglaubt hätte.
»Aber, General, das geht wirklich etwas zu weit«, stotterte ich. »Gußeisen! Seit zehn Jahren trompeten wir in Wort und Schrift in alle Welt hinaus, daß wir den besten Stahl an Stelle jedes Stückchens Gußeisen anwenden, das durch Stahl zu ersetzen ist. Ich habe erst gestern einen Zeitungsartikel an den ›New Orleans Picayune‹ gesandt, in dem ich mit Nachdruck darauf hinweise.«
»Und ist das alles, was Sie da geschrieben haben, so ganz wörtlich zu nehmen?« fragte Longstreet, indem er mich zutraulich anblinzelte. »Sehen Sie, lieber Herr Eyth, Sie müssen