Die Mumie von Rotterdam. Döring Georg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Döring Georg
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Seestritz oder Theemops vertausche!«

      In der That nahete jetzt die Havenwache, die hier ein lautes Gespräch vernahm, mit schnellen Schritten. Der Professor fand nicht für gut, ihre Ankunft abzuwarten. Mit einem schweren Seufzer und den Worten:

      »So lebe denn wohl, Grausamer, der ein liebevolles Herz so unempfindlich zurück stößt!« verschwand er, von seinen zwei Begleitern gefolgt, raschen Schrittes in die Abenddämmerung, die sich während seiner verunglückten Unterhandlung auf Stadt und Haven gesenkt hatte. In seinem Innern aber kam der Vorsatz zur Reife, den ersehnten Tobias immer unter geheimer Aufsicht zu halten und im erwünschten Falle seines etwaigen Ablebens, um jeden Preis und auf jeglichem Wege in seine Gewalt zu bringen.

      Herr Tobias war erschöpft von dem unerwarteten, seltsamen Angriffe auf seine Person. Er nahm den Arm des Herrn van Daalen, welcher nur die Rolle eines stummen, aber verwunderungsvollen Zeugen gespielt hatte, um sich auf ihn zu stützen.

      »Wenn das nicht mein Tod ist,« sagte er matt, »so bin ich von Stahl und Eisen. Ich verabschiede jeden Dienstboten, dem einmal durch Unvorsichtigkeit das Wörtchen »sterben« über die Lippe geht und wo ich einem Leichenbegängniß begegne, mache ich, wenn es seyn muß, einen halbstündigen Umweg, um nicht in seine Nähe zu kommen. O, Myn Heer van Daalen, Geld und Gut hat nur die Erde, das Himmelreich ist der Armen, wie in der Schrift steht, und in Armuth mag ich nun und nimmermehr verfallen! Führet mich nach Haus, Myn Heer! Zum erstenmale seit vielen Jahren kann ich heute die Abendgesellschaft im Prinzencollegium nicht besuchen. Was wird man dort denken von mir? Sie werden mich für krank oder gar für – schon gestorben halten!« Er sprach diese Worte mit wehmüthigem, weinerlichem Tone. Dann fügte er hinzu: »ja, kommt mit mir! Wir wollen daheim eine Schale Thee selbander trinken. Meine Clelia soll ihn bereiten. Das wird mich beruhigen, das wird mir meine Kräfte wiedergeben.«

      Langsam und schweigend entfernten sich die beiden Handelsherrn vom Ufer der Maas. Herr van Vlieten mußte öfters stehen bleiben, um sich zur Fortsetzung des Weges zu stärken. So langten sie erst nach einer halben Stunde vor seiner Wohnung an, obschon diese nur in einer kleinen Entfernung vom Haven lag.

      2

      In der stattlichen Wohnstube des van Vlieten’schen Hauses saß Jungfrau van Vlieten allein und suchte sich, wie es gehen wollte, die Langeweile zu vertreiben. Sie zählte bald die Fensterscheiben, sie ließ einen flüchtigen Blick über die tausendmal gesehenen Figuren des chinesischen Wandgetäfels hingleiten, sie betrachtete dann auch wohl einige Momente lang die beiden Pagoden, die nickend in den Ecken des Zimmers standen, oder das große, seltsam gestaltete ostindische Götzenbild, das ihr Vater, aus einer besonderen Liebhaberei, aus Asien mitgebracht und im Hintergrunde des Gemaches aufgestellt hatte. Es begann ihr unheimlich zu werden in der wunderlichen Umgebung. Sie glaubte, das Dämmerlicht der wenigen Kerzen, die in dem Zimmer brannten, ließ ihr heute besonders die sonst gewohnten Gegenstände in neuer beunruhigender Weise erscheinen. Sie zündete noch mehr Kerzen an, sie umstellte das Götzenbild, das ihr so grauenhaft noch nie vorgekommen war, mit vielen brennenden Lichtern, sie zwang sich zu dem Muthe, in das Innere des hohlen Bildes hineinzuleuchten, um sich zu überzeugen, daß hier niemand verborgen sey. Aber weder die vermehrte Erhellung, noch die erkünstelte Verwegenheit, reichten hin, sie nur auf die kurze Dauer einer Viertelstunde gegen die furchterweckenden Eindrücke der einmal bedeutungsvoll gewordenen Gegenstände zu wappnen. Die gläsernen Augen des Schiwa oder Brama schienen drohend aus dem widrigen Menschenhaupte, das auf einem Thierrumpfe saß, auf sie herabzublicken; der Götze schien die erhabenen Arme mit den kralligen Tatzen nach ihr auszustrecken. Clelia mußte die Blicke von ihm abwenden. Zitternd schwankte sie ans Fenster und sah in den dämmernden Abend hinaus. Ein Seufzer hob ihre schöne Brust. Sie war nicht groß, aber schlank und zart gewachsen. Sie besaß eine Leichtigkeit der Bewegungen, die in einem Lande, wo sie beim schönen Geschlechte ebenso selten ist, wie beim starken, um so mehr auffallen mußte. Ihr Angesicht war regelmäßig und fein gebildet, ihre Augen waren groß und schmachtend, ihr Haar von seltener Schönheit und die rothen Rosen auf den südlich dunkeln Wangen gaben ihr einen ganz eigenthümlichen Reiz.

      Sie schien jemand zu erwarten: Bei jedem Geräusche, das auf den Gängen vor dem Zimmer entstand, horchte sie aufmerksam hin. Oft wurde ihre Erwartung getäuscht. Dann zeigte sich neben dem Ausdrucke der Furcht, noch der des Unmuths in den Zügen des lieblichen Antlitzes. Endlich nahm sie ihren Platz vor dem zierlich aus Rosenholz gearbeiteten Spinnrade ein, einem Werkzeuge, das in jener Zeit, statt der bisher gebräuchlichen Spindel, bei den Damen sehr in Aufnahme gekommen war und durch sein tacktmäßiges Schnurren in der That die etwa lästig erregte Aufmerksamkeit zerstreuen und die Gedankenlosigkeit befördern konnte. Aber aus dem Angesichte der schönen Clelia wollte ein Zug, der Unruhe und Verlegenheit ausdrückte, nicht verschwinden. Sie lauschte noch immer unter dem Spinnen auf, sie schrack bei einem kleinen Geräusche zusammen, sie sah sich ängstlich um.

      Da hörte sie mit einemmale einen leisen aber raschen Fußtritt auf dem Gange. Sie ließ die Hand sinken, sie blickte voll Spannung nach der Thüre. Die Rosen auf ihren Wangen wurden so glühend, daß ihr Roth das ganze Antlitz einnahm; das ungestümer schlagende Herz hob in unruhigen Bewegungen die jugendliche Brust. Der Kommende mußte mit Hoffen und Zagen, mit Wünschen und Bangen erwartet worden seyn!

      »Clelia!« flüsterte eine gedämpfte Stimme durch die Thürspalte. »Darf ich eintreten?«

      Das Mädchen war nicht im Stande zu antworten. Sie that schwankend einige Schritte nach der Thüre hin, ein tiefer Seufzer entrang sich der beengten Brust. Ihre Augen hafteten ängstlich an dem Eingange, in welchem jetzt mit leisem schwebendem Schritte und vorsichtig spähendem Blicke, ein schlank gewachsener junger Mann erschien, der so geschmackvoll und anständig gekleidet war, als es sich nur mit der Sitte der damaligen Zeit vertragen wollte.

      »Herr Cornelius,« hatte jetzt Clelia Kraft zu stammeln. »Ihr wagt es dennoch – trotz meiner Bitte – wenn der Vater – «

      »Beruhigt Euch, theuere Jungfrau,« erwiederte schnellzüngig der junge van Daalen, indem er mit einer leichten und anmuthigen Bewegung vor ihr stand. »Der werthe Vater steigt in diesem Augenblicke mit dem meinigen am Haven umher und höchst wahrscheinlich sind beide in sehr tiefsinnige Gespräche, die unser beiderseitiges Glück betreffen, verflochten. Von da spazieren die zwei wohlmögenden Handelsheern, wie es ihre auf viele Jahre hin gestellte Lebensuhr will, in’s Prinzencollegium, um dort bei einem Dutzend oder noch mehr Tassen Thee, die Franzosen zu Land und die Spanier zur See zu schlagen. Mögen Sie es thun! Mögen sie tausend Kanonen und hundert Linienschiffe erobern, ohne einen Tropfen Blutes zu vergießen, ich entsage gern dem wilden Waffenwerke, der Fahne des unruhigen Kriegsgottes, um mich zu beugen unter die Macht Amors, des freundlichen Liebesgottes. Ja, holdselige Clelia! Als ich zum erstenmale Eure anmuthige Gestalt sah, da hatte ich in einem Augenblicke alle Gedanken an Waffenruhm, an Ehre im Felde, an Lust und Jubel im Kriegslager rein vergessen. Wenn ich sonst nur immer von erschlagenen Franzosen, von angesehenen Gefangenen, von Lobeserhebungen meiner Vorgesetzten träumte, so sah ich jetzt im Traume nur Euer liebliches Bild, nur Euch, wie ich Euch aus der Kirche heimführte, als meine wohlleibliche Ehefrau, ich hörte nur Euere Stimme, die mich mit süßen, wohlklingenden Namen nannte. Aber, Ihr sagt nichts, mein theueres Bräutlein? Keine Silbe geht über Eueren Purpurmund und ich hoffe und harre vergebens eines freundlichen Grußes, eines gütigen Willkommen!«

      »Kann man denn zu Wort kommen vor Euch, Herr Cornelius?« versetzte lächelnd, aber dennoch schüchtern Clelia. »Und überdem bin ich auch böse auf Euch, denn Ihr habt meinem Wunsche, nicht hierher zu kommen zu dieser Stunde, entgegen gehandelt.«

      »Bei allem Glücke Oraniens!« rief mit Lebhaftigkeit der junge Mann. »Ich verehre Euch zu sehr, um selbst Euerer Rede zu trauen, wenn sie in derselben Viertelstunde das zurücknehmen will, was sie kurz zuvor gestattet. Nein, verehrte Jungfrau! Ihr könnt nicht von sträflichem Wankelmuth, von unbeständigem Leichtsinn regiert werden. Ihr sprecht wenig, aber Ihr denkt desto mehr und was Ihr einmal bedacht und überlegt habt, das ist gewißlich das Rechte und ich leiste ihm Folge, ob auch tausend Gegenbefehle kämen! Wer