Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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drei Zeilen dieses wunderbaren Ergusses zeigen ja geradezu mit Fingern auf uns. Die erste ist auch der Beginn der Prophezeiung, wenn man's überhaupt eine solche nennen will – die andern beiden Zeilen:

      Wenn neu sie auflebt in der Huldgestalt,

      Die einst im Brautgewande ward gemalt, –

      diese Zeilen werden ja lebendig, wenn Sie neben dies Bild treten!«

      »Das ist Zufall,« sagte sie lächelnd. »Denn wenn auch diese Zeilen anwendbar sind auf Sie und mich, so wissen wir's doch nicht, ob wir die letzten Falken sind, weil eine Freifrau von Falkner in spe alle Lust bezeugt, die dritte im Bunde zu werden.«

      »Ah, das ist freilich ein schlagender Beweis,« erwiderte Falkner, indem er das Buch in ihre Hände zurücklegte.

      »Ich hebe es als Familienreliquie auf für –« für Ihre Kinder, wollte sie sagen, brach aber ab und fügte hinzu: »Für Sie.«

      Und dann zeigte sie ihm das Geheimfach hinter dem Madonnenbilde des Beato Angelico, und nachdem sie davon noch harmlos eine Viertelstunde verplaudert, empfahl er sich, und sie gab ihm das Geleit bis zur Thür.

      »Sie haben Ihrer Mutter von Ihrer Verlobung natürlich schon Mitteilung gemacht?« fragte sie während des kurzen Ganges.

      »Gewiß. Ich war zuerst bei ihr.«

      »Und sie freute sich natürlich sehr?«

      »Soweit sie Gefühle äußern kann und darf, glaube ich es annehmen zu dürfen,« erwiderte Falkner bitter, fügte aber gleich in anderem Tone hinzu: »Und werden Sie kommen, in Monrepos zu gratulieren?«

      »Ich komme heut' noch,« versprach sie, und als sie ihm dann die Hand reichte, sagte er:

      »Also unser Bündnis gilt von heut' an? Denn ich habe Ihr Versprechen des Vergebens und – des Vergessens.«

      »Ja,« antwortete sie, ihm frei ins Auge sehend: »Alle Falken ehrlich!«

      Und Falkner ging, aber nicht so leichten Herzens, wie er gedacht hatte. Er wußte, sie würde ihr Versprechen halten; das war ihm ein wahrhaft freudiges Gefühl, als hätte er dadurch etwas Dunkles, Schweres abgestreift, das ihn befleckt hatte, und er fühlte sich frei und erfrischt. Aber das Weh im tiefsten Herzen – das Weh war zurückgeblieben, und am liebsten wäre er umgekehrt auf der Treppe und wäre wieder vor sie hingetreten und hätte gesagt: »Dolores, wir sind das Edelfalkenpaar, das letzte! Wann werden wir uns finden?« – Aber er durfte nicht mehr, seine Ehre war verpflichtet, sein Wort gegeben. »Arme Lolo!« dachte er. »Aber du sollst nicht leiden darunter, denn nun, da sie vergeben und vergessen hat, werd' ich dir leichteren Herzens so viel Glück geben, wie mir übrig geblieben ist.« – Und während er nicht ohne Rührung der rückhaltlosen Liebe des Fürstenkindes für ihn gedachte, war es sein heißer Wunsch, das kleine, elfengleiche Wesen wirklich glücklich zu machen.

      Am Fuß der Treppe begegnete ihm »zufällig« sein Stiefvater.

      »Ei der Tausend! Das war ja ein langer Besuch – wenn das durchlauchtige Bräutchen dadurch nur nicht eifersüchtig gemacht wird,« sagte Doktor Ruß scherzend.

      »Das könnte passieren, wenn du es ihr in geschickter Weise plausibel machst,« gab Falkner gereizt zurück, denn der zweite Gatte seiner Mutter machte ihn nervös. Er ärgerte sich selbst stets darüber, aber immer wieder brach die unsägliche Antipathie durch.

      Doktor Ruß lachte leise vor sich hin, wie er's gleichfalls unabwendlich gewohnt war, wenn sein Stiefsohn unter seinen Worten wie ein gestochenes Roß sich emporbäumte. Was aber die Worte nicht thaten, vollendete dann dieses Lachen – wütend ließ Falkner den Doktor stehen und ging zu seiner Mutter, um ihr Lebewohl zu sagen.

      »Meine Braut wird zu dir kommen mit Fräulein von Drusen,« sagte er ihr, und über die blassen, käsigen Züge der Frau Ruß flog ein Rot des Stolzes, und die kalten Augen blitzten triumphierend und fast zärtlich zu dem Sohne hinüber.

      »Ich freue mich so sehr,« sagte sie im heftigsten Stricken, »besonders aber, weil du den Rotkopf nicht hast zu heiraten brauchen.«

      »Ist Dolores dir so unsympathisch?« fragte er erstaunt.

      »Ich kann sie nicht leiden,« stieß Frau Ruß hervor. »Ich habe sie schon als Kind nicht gemocht, den wilden, ungezogenen Balg. Und daß Ruß wieder versprochen hat, bis zum Herbst hier zu bleiben, ist mir gar nicht recht. Aber was ist da zu machen – er will eben!«

      Falkner konnte sich's schon denken, warum »er« wollte, denn er wußte es so gut wie jener, daß sich hier besser und bequemer die gesuchte Professur erwarten ließe. Aber er überging dies Thema wohlweislich, denn einmal hatte seiner Mutter langer Aufenthalt das Peinliche für ihn verloren, und dann war es sein Grundsatz, die Wege des Doktor Ruß so wenig wie möglich zu kreuzen.

      »Dolores ist aber eigentlich sehr nett dir gegenüber,« sagte er deshalb nur. »Ich begreife deine Abneigung nicht.«

      Frau Ruß ließ den Strickstrumpf sinken, sah sich um, ob niemand Unberufenes in der Nähe war, überzeugte sich auch, daß ihr Gatte draußen immer noch vor einer seltenen Zierpflanze stand, und sagte dann flüsternd:

      »Ich bin eifersüchtig auf sie, Alfred!«

      »Aber Mutter –«

      »Eifersüchtig, sage ich dir,« fuhr sie leidenschaftlich fort. »Freilich, noch weiß ich's nicht gewiß, ob sie ihn verführen will, oder ob er Feuer gefangen hat an den roten Satanshaaren. Aber so oder so – sie stört meinen Frieden!«

      »Da kannst du ruhig sein, Mutter – sie wird deinen Frieden nicht antasten,« entgegnete Falkner, warm für Dolores eintretend und zugleich voll Mitleid für die arme Frau, die sich das elende Leben, das sie führte, selbst noch zu verbittern versuchte in der schlimmsten Weise.

      Hinten herum, um Doktor Ruß nicht noch einmal zu begegnen, ging er nach Monrepos zurück, und Ekel erfaßte ihn bei dem Gedanken, daß das Herz seines Stiefvaters wirklich schneller schlagen könnte für seine Gastfreundin. Und dann mußte er lachen, als er der anderen Version seiner Mutter gedachte. Vor einem Monat hätte er vielleicht noch daran geglaubt und die Achseln dazu gezuckt, aber heute konnte er darüber lachen, gottlob.

      Wohin aber mit seiner Mutter, wenn der Aufenthalt im Falkenhofe endlich einmal zu Ende ging? Sie zu sich nehmen? Gern, obwohl er und sie sich nicht verstanden, nie verstanden hatten. Aber das hätte ihn nicht zum Gegenteil bestimmt. Doch mit ihrem Gatten sie aufnehmen – nun und nimmermehr! Und Falkner überlegte, wo er darauf wirken konnte, daß Ruß eine unabhängige Stellung irgendwo erhielt, die ihm eine anständige Subsistenz für seine Frau ermöglichte und deren Lebensstellung nicht herabdrückte zur Unerträglichkeit für die stolze Frau.

      Als er nach Monrepos kam, sah er den Herzog im Gartenkostüm, mit einer Riesenschere bewaffnet, den Hut im Genick, vor seiner jüngsten Tochter stehen, welche auf einem niedrigen Gartenstuhle mehr lag als saß, das Gesicht mit beiden Händen verhüllt hatte, anscheinend weinend, und von Zeit zu Zeit den Fußboden mit den niedlich bekleideten Füßchen stampfte und schlug. Erstaunt blieb er einen Augenblick an der Pforte stehen – was war da vorgegangen?

      »Höre, Lolo,« hörte er den Herzog sagen, »das ist eine Unvernunft!«

      Die Antwort schien nur erneutes Schluchzen zu sein.

      Anscheinend ratlos schnappte der hohe Herr ein paarmal mit der Gartenschere in die leere Luft.

      »Und außerdem blamierst du dich vor den anderen und machst dich vor den Dienstboten lächerlich,« fuhr er fort, und als ihm darauf ein leiser Schrei, etwa wie ungezogene Kinder zu schreien pflegen, antwortete, da sagte er ganz ärgerlich: »Wo hat denn nur der Kuckuck diesen Falkner?«

      »Hier, Hoheit,« antwortete der vom Gitter her, das er nun hinter sich schloß und der Gruppe zuschritt. Seine Stimme aber gab nur das Signal zu einem Schrei- und Weinkonzert, welches nun bei Prinzeß Lolo unaufhaltsam losbrach und zwar mit einer Vehemenz, daß der Herzog sich die Stirn zu trocknen begann und Falkner nicht wußte, ob er stehen bleiben oder vorwärts gehen sollte. Als er letzterem denn doch den Vorzug gab, neben die Prinzeß trat, den Arm um ihre Schultern legte und leise sagte: »Lolo!