Die Sandwich-Inseln. Anrep-Elmpt Reinhold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anrep-Elmpt Reinhold
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
der merkwürdige Mangel an Fischen für ein am Ufer des Oceans in Mitte einer so üppigen Vegetation und einem so fruchtbaren Boden gelegenen Orte wie Hilo, ist mehr denn auffallend. Ich schreibe die Ursache der Indolenz und theilweise der Trägheit der hiesigen, dem dolce far niente gern ergebenen Nation zu, deren grösste Liebhaberei es ist, entweder im zum Halbdunkel verhängten Zimmer auf reiner Matte des Fussbodens sich auf den Bauch zu strecken, oder „poi“ zu essen, im Fingerlecken, Orangen und Mangos zu saugen oder zu schlafen, oder aber darin besteht, hoch zu Pferde, mit Blumen geschmückt als famos kühne Reiter und Reiterinnen die wild zerrissene aus tiefen Spalten bestehende Lavaumgebung im eiligsten Tempo ihrer kernigen Ponys zu durchziehen.

      Sonntag den 4. August war ich um 5 Uhr auf; Pferd und Führer waren bereit. Ich bezahlte Herrn Wilhelm meine Rechnung für drei Tage mit nur 3 Dollar 5 °Cents und ritt nach kräftigem, famosen Frühstück ab.

      Ein eigensinniges Pferd und ein Halt bei dem Führer gestatteten uns erst um ½8 Hilo zu verlassen.

      Obgleich ich meinem Führer als Hauptbedingung gestellt hatte, dass er mir ein gutes, starkes Pferd und einen guten Sattel liefern müsse, so hatte ich leider während des kurzen Rittes durch die Stadt die bedeutende Mangelhaftigkeit des Sattels, der sehr eng und schwülstig war, erkannt. Mein fast uneingerittenes Pferd suchte mit aller Macht, mit gebogenem Rücken seinen Kopf zwischen die Beine zu bringen, um mit gehörigem Bocken sich von meiner Last zu befreien. Einige gehörige Hiebe mit kräftiger Gerte zwischen die Ohren brachten den Gaul freilich vorwärts, der jedoch dann bald rechts, bald links ausschlagend, sich auf die Seite werfend, sich rüttelnd und schüttelnd, endlich im gestreckten Karriere durch die Strassen rannte. Es erinnerte mich dieser Ritt lebhaft an meine Büffeljagd unter den Apachen am Rio grande in Texas.

      Obgleich ich ein fester Reiter, brachte mich doch der rundgebogene Rücken, das ausserordentlich bewegliche Kreuz des störrischen Pferdes, als auch der erbärmliche Sattel über einen Zoll hoch aus demselben, und mir wurde die Aussicht, auf diesem Dromedar in Pferdegestalt den weiten Ritt machen zu müssen, nicht angenehm. Die Versicherung aber des Joë Puni, dass es sein bestes Pferd sei und es später ordentlich gehen würde, erwies sich sehr bald als gerechtfertigt.

      Um ½8 wie gesagt, verliessen wir Hilo. Es folgte eine Stunde lang, circa 4 Meilen, eine weite wellenförmig steigende, wüste, theilweise mit struppigem Grase und Farrenkräutern bewachsene Lavageröllfläche.

      Der Weg war sumpfig und eigentlich kaum ein Weg zu nennen. Er zog sich bald über höchst glatte grossartige Lavalagen, oft über tiefe Spalten derselben oder über Strecken verhärteter treppenartig geformter Lavastrecken, und war daher nur im Schritt zu reiten möglich.

      Alsdann folgte eine Stunde lang circa 6 Meilen Wald, d. h. hochwüchsiges, verworrenes Buschland mit nur hin und wieder erscheinenden hochstämmigen Bäumen, die mit grauen, dürren, schroffig flachen und oft stachligen, gleich Krystallen in einander gewirkten, oft tief niederhängenden Flechtenformen stark belegt waren. Der Boden selbst und die herumliegenden Blöcke und Gesteine sind mit gelblich-grünen, dicht gedrängten, sanft geschwollenen Formen diverser Moose belegt. Das ganze verworrene Gedränge des Busches besteht hauptsächlich aus einem üppigen Gemisch des zitternden Laubes der mannigfaltigsten zierlich-zarten, vielfach zerschlitzten, schirmartig ausgebreiteten Blattformen der verschiedensten Kraut-, Zwerg-, Strauch- und Baum-Farren, aus den ewig rasselnden Pandanen mit ihren hohen, glänzend grünen, zweischneidigen, steifen, eigenartig in sich gewalzten oder schraubenartig gedrehten, schlanken Blättern, aus dem hartholzigen Tek-Strauch mit seinen glänzenden, rothen Blüthen, hin und wieder aus Palmen, jedoch in unausgebildeten Formen, hochstämmigen Pisang- oder Bananen-Pflanzen mit dem üppigen, saftigen Grün ihrer gewaltigen Blätter, ferner aus Liliengewächsen mit ihrer dem Schilfe ähnlichen Tracht der Blätter, aus Schilfformen verschiedenster Art und tropisch edlen, hohen, baumartigen Wuchses, Thy-Sträuchern mit ihren hochwüchsigen, grasartigen Blättern u. s. w. Das ganze Gemenge ist durchschlungen von mannigfaltigen Schlingpflanzen, deren hochstrebende Wurzeltriebe kaum von ihren Zweigen zu unterscheiden sind und die namentlich dazu beitragen, dem sich hier entfaltenden Bilde den Charakter der tropischen oder subtropischen Verworrenheit der Buschvegetation zu geben. Dieselbe ist jedoch lange nicht der der Pracht und Vielseitigkeit der ostindischen und der von Ceylon zu vergleichen, da die schönste Vegetation des hiesigen Busches der schwächsten Vegetation des Djungles von Ceylon gleichzustellen ist.

      Die Fama der althawaiischen Flora ist vorbei, die Flora der Jetztzeit des Inselreiches bietet nur stellenweise Reichthum, Ueppigkeit und Fülle, wie z. B. hier, jedoch ein wirklich ausgebildetes Modell einer Pflanzenformation ist faktisch nicht mehr zu finden. Es liegt, so zu sagen, auf dieser Vegetation, sogar an den üppigsten Stellen derselben, der Stempel entweder der zerstörenden Macht des vulkanischen Elementes oder aber noch deutlicher, der des Elementes einer willkürlich eingedrungenen, eigennützigen, verwüstenden, dem Lande fremdartigen Cultur, die wie an so vielen Stellen der Welt, wo dieselbe civilisatorisch während Jahrhunderten eingedrungen, stets, gleichsam die geschaffene Verwüstung fliehend, verwüstetes Land hinterliess, so lange noch irgendwo in der Welt ein Strich jungfräulicher Natur zum Verwüsten ihnen noch üppig entgegenschien.

      Denn wodurch entstehen die verwüstenden Folgen der eindringenden Cultur, namentlich in den Tropen und Subtropen? Meiner Ansicht nach hauptsächlich durch die Verminderung und allmähliche Vernichtung der Feuchtigkeit in Folge der masslosen Entholzung und unnatürlich übertriebenen Entwässerung der Gegend zur Einführung materiell vortheilhaft erscheinender, systematischer Culturpflanzungen, deren niedriger Wuchs und meist lichter Stand den Boden dem aussaugenden, daher dem allmählich austrocknenden Einflusse der Sonnenstrahlen aussetzt, wodurch natürlich die Urfeuchtigkeit des Bodens rascher verbraucht wird, und die Ausdünstungen desselben und dem zufolge natürlich auch die Feuchtigkeit der Atmosphäre und ihre von der Natur geregelten Niederschläge sich allmählich mehr und mehr verringern.

      Da nun bekanntlich die Hauptbedingungen zu einer vollkommenen, formenreichen, üppigen tropischen oder subtropischen Pflanzenwelt die Feuchtigkeit und die Wärme sind, und zu deren Mannigfaltigkeit die Auflösung der bei genügender Feuchtigkeit leicht auflöslichen, jährlich sich progressiv ansammelnden unorganischen Stoffe des tropischen und subtropischen Grundbodens die Entwickelungsursache bildet, so lässt sich hiermit deutlich die Ursache des Zuerstsichverkrüppeln und dann das allmähliche Schwinden der Vegetation durch den Mangel an Grundfeuchtigkeit und das Sichnichtauflösen der unorganischen Stoffe des Bodens erklären.

      Es entfaltet sich hierdurch der deutliche Beweis, dass die fieberhaft geschäftig wirkende Thätigkeit des rastlos als Herr der Natur sich dünkenden eitlen Menschen trotz seiner kühnen Weisheit nicht im Stande ist, die Gesetze der Natur auch nur in ihren kleinsten Wirkungen zu ändern, und dass die Natur vernichtend, erhaltend oder erzeugend stets der tyrannische Herr der Schöpfung und der Geschöpfe, daher auch des Menschen von Ewigkeit zu Ewigkeit war, ist und bleibt und dass erst dann die Cultur ihren wahren Begriff zum Vortheil der Natur, ohne Verwüstungen zu hinterlassen, entfalten wird, wenn der unbändige Träger derselben, „der Mensch“, sich von den Banden des Egoismus und der Willkür befreit haben wird!

      Dann folgt 1½ Stunden circa 6 Meilen steigend ein wilder Geröllweg in wüster Farrenumgebung, unter denen einzelne schlanke, meist jedoch krüpplige Stämme des „hau“, Teek-Bäume, Akazien, Mimosen, hin und wieder auch Sandelbäume sich erheben.

      Diese Strecke zieht sich bis zum sogenannten „Half-way“ – Haus des Kaaua, 1177 Fuss über dem Meeresspiegel und 16 Meilen von Hilo entfernt liegend hin. Bei letzterem traf ich um 11 Uhr bei einer Temperatur von 80 Grad Fahrenheit ein. Der Ort selbst heisst Olaá und besteht aus einigen Grashäusern und einer kleinen weiss gestrichenen Kirche ohne Thurm.

      Von Hilo bis Olaá hat man die Sicht des Mauna-Kéa rückwärts und rechts die des Mauna-Lóa, in Wolken gehüllt und ohne jede Spur von Dampf.

      Kaauá’s Grashaus ist sauber und rein gehalten und ausnahmsweise mit Möbeln versehen.

      Bald wurde mir ein dampfendes Huhn, „tarro“, Kaffee und frisches Quellwasser vorgesetzt.

      Um 1 Uhr war ich wieder in meinem höchst unbequemen Sattel, und vorwärts ging es bald im Trabe, bald im Galopp über Farrnflächen und verhärtete Lava – eine höchst beschwerliche Strecke. Namentlich ist dieselbe lästig für die Pferde,