Sämmtliche Werke 4: Mirgorod. Gogol Nikolai Vasilevich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gogol Nikolai Vasilevich
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Классическая проза
Год издания: 0
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eingesalzen usw., daß es wahrscheinlich den ganzen Hof überschwemmt hätte (Pulcheria Iwanowna liebte es, sich über ihren Bedarf hinaus noch einen Reservevorrat anzulegen; wenn nur nicht die größere Hälfte all dieser schönen Dinge von den Dienstmädchen verzehrt worden wäre. Sie schlichen sich in die Vorratskammern und aßen sich dort so voll, daß sie danach den ganzen Tag lang stöhnten und über Leibweh klagten.)

      In den Ackerbau und die andern wirtschaftlichen Ressorts hatte Pulcheria Iwanowna nur einen geringen Einblick. Der Verwalter und der Dorfälteste bestahlen sie gemeinsam ganz unbarmherzig. Diese beiden hatten die Gewohnheit angenommen, im herrschaftlichen Walde ganz wie in ihrem eigenen zu schalten: sie ließen eine Menge von Schlitten herstellen und verkauften sie dann auf dem nächsten Markte; außerdem verkauften sie den benachbarten Kosaken, welche Balken für ihre Mühlen brauchten, die dicken Eichenstämme. Einmal wollte Pulcheria Iwanowna ihren Wald inspizieren. Es wurde auch eine Kutsche mit einer riesigen Schutzdecke angespannt, als jedoch der Kutscher die Leinen anzog und die Pferde, die noch in der Miliz gedient hatten, davontrabten, da erfüllte die Kutsche die Luft mit ganz merkwürdigen Tönen, sodaß man plötzlich Flöten, Schellen und Trommeln zu hören glaubte: jeder Nagel, jede eiserne Klammer stöhnte so laut, daß man es sogar bei den über zwei Werst entfernten Mühlen hören konnte, wie die Herrschaften ausfuhren. Die furchtbare Verwüstung im Walde konnte Pulcheria Iwanowna natürlich nicht entgehen: sie sah daß viele Eichen fehlten, die ihr schon in ihrer Jugend als hundertjährige Bäume bekannt gewesen waren. Sie wandte sich daher an den anwesenden Verwalter, und fragte: „Nitschipor, wie kommt es, daß so wenig Eichen da sind? Paß mal auf, daß dir die Haare auf deinem Kopf nicht ausgehen!“

      „Warum?“ antwortete der Verwalter wie gewöhnlich, „sie sind verschwunden, glatt verschwunden. Der Blitz hat sie getroffen, die Würmer haben sie gefressen – sie sind verschwunden, gnädige Frau, – ganz verschwunden.“

      Pulcheria Iwanowna begnügte sich vollkommen mit dieser Antwort. Als sie jedoch nach Hause kam, befahl sie, die Zahl der Wächter bei den spanischen Kirschen und bei den großen Winterbirnen zu verdoppeln.

      Diese würdigen Herren, der Verwalter und der Dorfälteste, hielten es auch für ganz überflüssig, dem herrschaftlichen Speicher alles Mehl zukommen zu lassen, und meinten, daß die Herrschaft schon an der Hälfte genug hätte: zu guter Letzt bestand diese Hälfte gar nur aus allerhand verschimmelten und feuchten Resten, die auf den Märkten nicht verkauft worden waren. Gewiß stahlen der Verwalter und Dorfälteste außerordentlich viel, und das Gesinde, von der Wirtschafterin abwärts bis hinab zu den Schweinen, vertilgten eine schreckliche Menge von Äpfeln und Pflaumen – diese Tiere stießen nämlich mit ihren Rüsseln oft gegen die Bäume, um sich einen ganzen Fruchtregen herabzuschütteln – gewiß pickten die Sperlinge und Krähen sehr viel an – gewiß beschenkten die Knechte und Mägde ihren Verwandten in den andern Dörfern auf das reichlichste (sie holten sogar ganze Stücke Leinwand und alter Hausgewebe aus dem Speicher). Auch fand außerordentlich viel den Weg ins allgemeine Reservoir d. h. zum Gastwirt, und auch die Gäste, die phlegmatischen Kutscher und Diener mochten nicht wenig wegstehlen: jedoch die fruchtbare Erde brachte alles in solcher Überfülle hervor, und Afanassji Iwanowitsch und Pulcheria Iwanowna hatten so wenig Bedürfnisse, daß diese verheerenden Räubereien in der Wirtschaft vollkommen unbemerkt blieben.

      Unsere beiden alten Leutchen liebten vor allen nach Art der Gutsbesitzer aus der alten Zeit auch sehr – zu essen. Kaum brach die Morgenröte an, (sie standen immer sehr zeitig auf), und kaum begannen die Türen ihr vielstimmiges Konzert, – da saßen die beiden auch schon bei Tisch und tranken Kaffee. Nach dem Kaffee ging Afanassji Iwanowitsch gewöhnlich in den Flur, schwenkte sein Taschentuch und rief: „Ksch, Ksch! Marsch! fort von der Treppe ihr Gänse!“ Im Hofe traf er meist den Verwalter und ließ sich gewohnheitsmäßig mit ihm in ein Gespräch ein, ließ sich mit der größten Ausführlichkeit von allen Arbeiten erzählen und gab dann Anweisungen und Befehle, die jeden durch die gediegene Wirtschaftskenntnis, von der sie zeugten, in Staunen gesetzt hätten; ein Neuling hätte es sich sicher nicht träumen lassen, daß man einem so aufmerksamen Hausherrn etwas stehlen könne. Aber der Verwalter war ein geriebener Herr: er wußte, welche Antworten er geben mußte, noch besser aber verstand er sich auf das Wirtschaften.

      Dann ging Afanassji Iwanowitsch ins Haus zu Pulcheria Iwanowna zurück und fragte: „Pulcheria Iwanowna, wie denken Sie, wäre es nicht Zeit, einen kleinen Imbiß nehmen?“

      „Was könnte man jetzt wohl essen, Afanassji Iwanowitsch? Vielleicht ein paar in Schmalz gesottene Pfannkuchen? Oder kleine Mohnkuchen? Oder ein paar gesalzene Pilze?“

      „Meinetwegen – Pilze oder auch Mohnkuchen,“ antwortete Afanassji Iwanowitsch, und plötzlich deckte sich der Tisch mit einem Tischtuch, Pilzen und Mohnkuchen.

      Eine Stunde vor dem Mittagessen nahm Afanassji Iwanowitsch wieder einen Imbiß, trank aus einem alten silbernen Becherchen einen Schnaps und aß ein paar Pilze, getrocknete Fischchen und dergleichen. Um zwölf Uhr setzte man sich zu Tisch. Außer den verschiedenen Schüsseln und Saucièren standen auf dem Tisch noch zahlreiche Töpfchen, die sorgfältig zugedeckt und verklebt waren, damit die zahlreichen angenehmen Erzeugnisse der alten, wohlschmeckenden Küche nicht ihr Aroma verlören. Beim Mittagstisch drehte sich die Unterhaltung gewöhnlich um Gegenstände, die eng mit der Mahlzeit verknüpft waren.

      „Mir scheint,“ sagte zum Beispiel Afanassji Iwanowitsch, „daß diese Grütze etwas angebrannt ist. Meinen Sie nicht auch, Pulcheria Iwanowna?“

      „Nein, Afanassji Iwanowitsch, nehmen Sie nur etwas mehr Butter, so wird sie nicht mehr angebrannt schmecken, oder hier, gießen Sie etwas Pilzsauce darüber – “

      „Hm! vielleicht haben Sie recht,“ sagte Afanassji Iwanowitsch und reichte seinen Teller hin. „Ich will es mal versuchen.“

      Nach dem Mittag legte sich Afanassji Iwanowitsch auf ein Stündchen nieder. Hierauf brachte ihm Pulcheria Iwanowna eine angeschnittene Wassermelone und sagte: „Afanassji Iwanowitsch, versuchen Sie einmal, sehen Sie nur, was das für eine schöne Melone ist.“

      „Lassen Sie sich nicht dadurch täuschen, daß sie in der Mitte so schön rot ist, Pulcheria Iwanowna,“ sagte Afanassji Iwanowitsch, indem er sich eine gute Portion vorlegte, „es kommt vor, daß Melonen rot und doch schlecht sind!“

      Die Melone wurde sofort verzehrt. Hierauf aß Afanassji Iwanowitsch noch einige Birnen und machte mit Pulcheria Iwanowna einen Spaziergang durch den Garten. Wenn sie wieder nach Hause kamen, besorgte Pulcheria Iwanowna ihre Geschäfte und er setzte sich vor die Tür und sah zu, wie der Speicher dem Beschauer bald sein Innerstes preisgab, bald wieder verbarg, und wie die Dienstmädchen sich unaufhörlich stoßend und drängend, allerhand Kram in Holzkisten, Sieben, Mulden und sonstigen Obstbehältern hin- und hertrugen. Nach einer Weile schickte er nach Pulcheria Iwanowna, oder er ging selbst zu ihr hin und sagte: „Was sollte ich jetzt wohl essen, Pulcheria Iwanowna?“

      „Ja, was könnte man wohl essen …!“ meinte Pulcheria Iwanowna, „soll ich Ihnen vielleicht Quarkkuchen mit Beerenfüllung bringen lassen, die ich eigens für Sie aufbewahren ließ?“

      „Ja, das wäre ausgezeichnet,“ sagte Afanassji Iwanowitsch.

      „Oder vielleicht wollen Sie etwas rote Grütze essen?“

      „Auch das läßt sich hören,“ antwortete Afanassji Iwanowitsch, und gleich darauf wurde all dieses hereingebracht und, wie zu erwarten war, mit Appetit verzehrt.

      Vor dem Abendbrot versorgte sich Afanassji Iwanowitsch noch mit diesem oder jenem. Um ½10 Uhr setzte man sich zum Abendbrot. Darauf ging man sofort schlafen, und eine allgemeine Stille senkte sich auf diesen tätigen und doch ruhevollen Erdenwinkel herab.

      Das Schlafzimmer Afanassji Iwanowitschs und Pulcheria Iwanownas war so warm, daß ein anderer kaum einige Stunden in ihm hätte zubringen können; aber Afanassji Iwanowitsch schlief noch eigens auf der Ofenbank, um es wärmer zu haben, obgleich die Hitze ihn des Nachts einige Male zwang, aufzustehen und im Zimmer auf und ab zu laufen. Hin und wieder stöhnte er leise im Gehen.

      Gewöhnlich fragte dann Pulcheria Iwanowna: „Warum stöhnen Sie so, Afanassji Iwanowitsch?“

      „Weiß Gott, Pulcheria Iwanowna,“