Der Sternsteinhof. Ludwig Anzengruber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Anzengruber
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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geschlossener Türe am Fenster, als die beiden in das Vorgärtchen traten. Sie beeilte sich ihnen entgegen.

      »Bist allein,« sagte die Resl.

      »Ja, mein Muckerl is in‘s Wirtshaus.«

      »Ich weiß.«

      »Tut euch setzen. Sepherl, nimm dir den Sessel aus dem Eck dort. Is recht schön, daß ihr euch wieder einmal anschau‘n laßt«

      »Freut uns, wann wir dir nit ung‘legen kommen. Heut‘ is a schöner Tag und ‚n Weg von uns her kann mer wohl für ein‘ klein‘ Spaziergang rechnen. Es wär‘ auch gar nit unlustig zu gehen, tat‘ nur der Bach nit sein, der stinkt so viel.«

      »Ja, so viel stinken tut er,« sagte Sepherl mit dünner Stimme und wunderte sich hinterher, das heißt, sie machte große Augen, sei es über die üble Eigenschaft des Baches, oder weil sie, ungefragt, dazwischen gesprochen.

      »Dich sieht mer aber fast gar nit außer Haus, Kleebinderin?«

      »Ich komm‘ so viel schwer ab. Weißt ja, Matzner Resl, mein Muckerl arbeit‘t heim. Feldarbeit braucht kein Nachräumen, aber Stubenarbeit braucht‘s, man glaubt nit damit fertig z‘werden. Ja, er schafft aber auch fleißig die ganze Woche über. No, wollt‘ er sich heut‘ einmal lustig machen, hab‘ ich mir gedacht, soll er.«

      »Hast recht, Kleebinderin. Ich kann nit anders sagen, als daß du recht hast. Er is a braver Bub‘ und gönnt dir, als seiner Mutter, ja auch alles Gute.«

      »Das tut er. Der liebe Gott mag ihm‘s lohnen.«

      »Amen!« sagte die alte Resl, dann deutete sie nach der oberen Lade eines breiten Wäscheschrankes. »Gelt, jetzt is wohl wieder Geld da d‘rein, wie der alte Kasten schon seit viel Jahr‘ nimmer beisamm‘ g‘seh‘n hat?«

      »Es is schon ein‘s d‘rein,« sagte die Kleebinderin, vom Ellbogen auf die Hände dazu beteuernd schüttelnd, »ich sag‘ nit, daß kein‘s d‘rein wär‘, aber so viel, wie du vermeinst, mein‘ liebe Matznerin, wohl nit! Mußt ja bedenken, daß aus ‚n harten Zeiten her noch Schulden zu zahlen waren, und was ‚s Arbeitszeug kost‘t und d‘Farben, wie hoch d‘Fracht z‘steh‘n kommt und was ein‘m d‘Steuer abbricht, Jesus, du mein!« Sie beugte sich, beide Hände auf die Knie gestützt, vor und sprach zur Diele hinab. »Kannst mir‘s glauben, wann d‘besten Freund‘ kämen, nit ein‘ Heller hätten wir zu verleihen.«

      »Mein‘ liebe Kleebinderin, wer so gut als ich weiß, wie ein‘m nach nothafter Zeit jeder z‘ruckg‘legte Groschen anlacht, dem leid‘t ‚s d‘Freundschaft nit, daß er davon borgen kommt. Mußt also nit meinen, ich hätt‘ an dein‘ Geldtruhen klopfen woll‘n.«

      »Glaub‘s eh nit, bist ja von je a Sparmeisterin g‘west.«

      »Mußt auch nit glaub‘n, ich vermut‘ gar so viel bei dir. Gott sei Dank, rechnen hab‘ ich noch nit verlernt. Es is wahr, ös habt‘s jetzt ein schön‘s Einkommen, und der Muckerl is rechtschaffen fleißig, aber dafür will er halt auch sein‘ Aufheiterung haben, wie ja billig is; doch das leucht‘ ein‘m ein, daß du kein Haus sparen kannst, bei dem Aufwand, den er macht.«

      »Mein Muckerl?« »Na ja, und es wird ihm ‚s auch niemand verdenken, daß er sein jung‘ Leben g‘nießt und sich wie andere Bursche mit‘n Schatz in‘s Wirtshaus setzt.«

      »Mein Muckerl? Mit ein‘ Schatz?«

      »Und sauber is die Zinshofer Helen‘, da laßt sich nix sag‘n.«

      »Die Zinshofer Dirn?«

      »Und gegen d‘Armut, die ‚s plagt, kommt ja der Muckerl auf. Schand‘ macht‘s ihm keine, sie kann sich seh‘n lassen neben ihm, wie er‘s jetzt h‘rausputzt hat von Kopf bis zun Füßen.«

      »Von Kopf bis zun Füßen, sagst? O, der scheinheilige Lotter! Und ich wüßt‘ um die ganze G‘schicht nit einmal von Füßen an, wenn nit das kecke Mensch, um mich z‘ärgern, die Schuh‘ und Strumpf g‘wiesen hätt‘, die er ihr kauft hat.«

      »Jesses! – So ein Unbedacht! – Heilige Mutter Anna! – Hätt‘ ich nur nix g‘sagt!« Die alte Resl legte nach jedem dieser An- und Ausrufe die Hand vor den Mund, aber nur, um sie sofort wieder wegzunehmen, und nach dem letzten faßte sie nach den Händen von Muckerls Mutter. »Mußt mir nit bös‘ sein, Kleebinderin.«

      »Ich muß dir wohl danken,« entgegnete diese niedergeschlagen, »daß du mir noch heut‘ rechtzeitig damit in‘s Haus‘ kommen bist und ich nit morgen vor all‘n Leuten im Ort ein‘ Narren gleichschau‘.«

      »Nimm‘s nit übel, Kleebinderin, daß ich‘s frei bered‘, mir is gleich die Sach‘ nit recht richtig vorkommen, und ich mocht‘ schwer daran glauben, aber sag‘ selber, mußt‘ ich nit? Könnt‘ ich mir denken, du wüßtest um nix? Freilich war mir rätselhaft, wie sich‘s hat schicken mögen, daß dir mit einmal die Zinshoferischen Leut‘ recht sein, die du nie hast leiden mögen!«

      »Nach all dem, heut‘ weniger wie je. Jesses, der gottlos‘ Bub‘!«

      »Aber was wahr is, Kleebinderin, is wahr, d‘Schönste hätt‘ er an ihr.«

      Die Kleebinderin wies mit der Hand alle Schönheit entschieden von sich.

      »Ja, ich an deiner Stell‘ gäb‘ auch nix d‘rauf. Dein Bub‘ is a braver Bub‘, ein guter Bub‘, aber d‘Schönheit plagt ‚n just nit, und neb‘n der Zinshofer Dirn‘ kommt er gar nit auf. Heirat‘ ein Mann z‘tief unter sein‘ Vermögen, is er seiner Wirtschaft feind, heirat‘ er z‘hoch über sein‘ Schönheit, is er‘s seiner Ruh‘.«

      »Mein‘ liebe Matznerin, das is a dalket Reden! Für mein‘ Bub‘n is mer d‘Schönste g‘rad sauber g‘nug und wär‘ d‘Zinshofer Dirn‘ nur anderer Leut‘ Kind, so sorget ich nit.«

      »Verzeihst schon, aber so viel, wie du von dein‘m Muckerl, kann auch die Zinshofer von ihrer Helen‘ halten, denn jede Mutter hat ‚s schönste Kind und die Alte achtet‘ ‚s wohl für kein‘ Gnad‘, die vom Himmel fallt, wenn dein Sohn ihr‘ Dirn‘ zum Weib nähm‘! Mein liebe Kleebinderin (diese Ansprache überzuckerte jedesmal eine bittere Pille, die eine Alte der anderen einzugeben Lust hatte), halt‘ du dein‘ Bub‘n so hoch d‘willst, aber af‘s Kirchdach mußt‘ ‚n nit setzen; wo junge Leut‘ g‘nug af ebenen Boden ohne B‘schwer sich z‘sammfinden mögen, wird ihm kaum einer andern Mutter Kind dorthin nachsteigen. Freilich, ein arm‘s Hascherl wüßt‘ ich, daß sich lang‘ schon einbild‘t, er säß‘ so hoch über alle andern, und sich ‚n gern herunterholet, aber kein‘ Leiter find‘t, die hinanreicht.« Sie streichelte Sepherls Scheitel und tätschelte deren Wange. Die Dirne ward glührot im Gesichte und blickte wieder wundernd auf. Frau Resl erhob sich. »Nun, denk‘ ich, wär‘ g‘nug g‘schwätzt, vielleicht schon all‘s z‘viel; aber wenigstens weißt, woran d‘bist, Kleebinderin und wann d‘dazu schaust, so ließ sich wohl noch verhüten, was dir etwa nit in ‚Kram taugt. No, nix für ungut. B‘hüt‘ Gott!«

      »B‘hüt‘ Gott! kommt gut heim. Völlig verwirrt hat mich euer Reden. Gute Nacht!«

      »Gute Nacht, Kleebinderin!«

      Auf der Straße fragte die Dirne mit leiser, klagender Stimme: »Nun sag mir, mußten g‘rad‘ wir ihm ‚n Verdruß in‘s Haus tragen?«

      »Du Tschapperl, du! Hätten wir ihm den ersparen können?! Ich wollt‘ mir nur niemand bei der Kleebinderin zuvorkommen lassen; sie sollt‘ seh‘n, daß alte Freundschaft die erste am Platz is, und sie sollt‘ hören, was mich schon lang‘ druckt, zu sagen, nit meinetwegen, sondern dein‘twegen.«

      Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Morgen weiß er‘s, daß wir da waren, und dann schaut er mich mit kein‘ guten Aug‘ mehr an.«

      »Bisher hat er dich mit gar kein‘m ang‘schaut! Is dir so um sein Anschau‘n, kannst ja z‘frieden sein, wann er derweil auch nur böse Augen in dir stecken laßt. Kommt Zeit, kommt Rat.«

      Beide schritten längs des Baches dahin, von dem nun in der Abendkühle eine widerlich riechende