»Ihr behauptet, daß auch diese noch leben?« fragte er. – »Ja.« – »Und diese Behauptung ist wahr?« – »Ja.« – »Nun, so ist die Sache sehr einfach. Sie sind eben damals nicht ertrunken.«
Da fuhr Cortejo zornig auf:
»Wollt Ihr Euch etwa gar noch über mich lustig machen?« – »Fällt mir nicht ein. An Euch und dieser ganzen Angelegenheit ist nicht das mindeste Lustige zu bemerken.« – »Das denke ich auch. Die Sache ist nicht lustig, sondern geradezu höchst gefährlich. Aber warum habt Ihr diese Menschen denn damals nicht umgebracht?« – »Erstens war ich von Euch zu schlecht bezahlt worden und …« – »Zu schlecht?« fiel Cortejo ein. »Seid Ihr verrückt?« – »Ich bin sehr bei Sinnen. Und sodann konnten mir diese Leute ja nichts mehr nützen, wenn sie tot waren.« – »Ah! Welchen Nutzen suchtet Ihr denn damals?« – »Das kann ich Euch aufrichtig sagen. Spitzbuben pflegen nicht immer ehrlich zu sein.« – »Das merke ich.« – »Wir beide sind Spitzbuben.« – »Donnerwetter!« – »Darum lag der Gedanke nahe, daß einmal die Zeit kommen könne, wo Ihr den Dank an mich vergessen würdet. Für diesen Fall hob ich mir meine Gefangenen auf.« – »Ihr habt sie also wirklich nach einer Insel gebracht?« – »Ja.« – »Wo liegt diese Insel?« – »Im großen Ozean.« – »Wie dumm. Wo die Schiffahrt jetzt dort so frequent ist?« – »Dumm? Ihr irrt da sehr. Die Insel war nur mir bekannt. Kein anderer Fuß hatte sie betreten.« – »Ihr seht aber jetzt, daß sie doch bekannt gewesen sein muß.« – »Nein, das sehe ich nicht.« – »Nun, die Gefangenen sind doch entkommen.« – »Vielleicht haben sie sich ein Floß gebaut.« – »Ah! Daran hattet Ihr damals gar nicht gedacht.« – »O doch. Es gab keinen einzigen Baum auf der Insel. Vielleicht ist dieses Eiland von einem anderen entdeckt worden. Er hat die Leute vorgefunden und mit nach Mexiko genommen.« – »Und das sagt Ihr so ruhig?« – »Soll ich mir eine Kugel durch den Kopf jagen?« – »Das allerdings nicht. Aber Euch selbst ohrfeigen, das könntet Ihr. Ihr habt so unverantwortlich leichtsinnig gehandelt, wie ich es gar nicht für möglich gehalten hätte. Wenn einer allein entkommen wäre! Aber alle! Aus welchen Personen bestand denn diese ganze Gesellschaft?« – »Aus Sternau …« – »Hole ihn der Teufel! Eigentlich ist er an allem schuld.« – »Mariano …« – »Der Schwindler!« – »Die beiden Häuptlinge …« – »Der Apache und der Mixteka?« – »Ja. Ferner die Gebrüder Helmers und die beiden Mädchen.« – »Ihr meint Emma Arbellez und ihre Indianerin?« – »Ja.« – »Nun, diese alle sind jetzt wieder da. Don Ferdinando ist zu ihnen gestoßen.« – »Eine verfluchte Geschichte ist es allerdings.« – »Ihr habt sie Euch selbst eingebrockt.« – »Sogar gefährlich«, meinte Landola nachdenklich. – »Ja. Aber wißt Ihr, was das Gefährlichste daran ist?« – »Nun, was?« – »Daß sie sich im Hauptquartier des Juarez befinden.« – »Da schlage allerdings der Teufel drein! Juarez läßt nicht mit sich spaßen. Wenn er sich ihrer annimmt, so haben wir alles zu befürchten.« – »Das ist es eben. Nun könnt Ihr sehen, wie Ihr Euren Fehler wieder gutmacht.« – »Hm. Haltet Ihr dies für so schwer?«
– »Was denn sonst?«
Landola schritt einige Male im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor Cortejo stehen und sagte:
»Wie man es nimmt, es ist schwer, aber auch leicht. Schwierig ist es, aber auf die leichte Achsel muß man es nehmen.« – »Was soll das heißen?« – »Es ist ein leichtes Gewissen dazu erforderlich.« – »Ah! Ihr meint …« – »Ich meine, daß man hinübergehen muß, um das zu tun, was man früher unterlassen hat.« – »Sie aus dem Weg räumen?« – »Ja.« – »Hm. Etwa sie weder auf eine wüste Insel schaffen?« – »Alle Teufel! Diesmal sicherlich nicht.« – »Also sie wirklich töten?« – »Unbedingt.« – »Wer soll das übernehmen?« – »Ich.« – »Ihr? Das will überlegt sein.« – »Wieso?« – »Ich sehe mich gezwungen, in dieser Angelegenheit sehr vorsichtig zu handeln.« – »Ich auch.« – »Ich werde nur dann einen Handel abschließen, wenn ich überzeugt bin, nicht betrogen zu werden.« – »Ich ebenso.« – »Ihr gebt zu, daß jetzt davon die Rede ist, eine Unterlassungssünde von Euch wiedergutzumachen.« – »Es mag so sein.« – »Ihr gebt ferner zu, daß auch Euch daran liegen muß, daß diese Menschen unschädlich gemacht werden.« – »Ich will auch dies für jetzt nicht in Abrede stellen.« – »Und Ihr sagt, daß Ihr selbst dieses Unschädlichmachen übernehmen wollt?« – »Ja.« – »Nun, so werdet Ihr aus den oben angeführten zwei Gründen diese Arbeit jedenfalls unentgeltlich besorgen.« – »Fällt mir nicht ein.« – »Nicht? Warum nicht?« – »Einfach, weil ich mir dabei etwas verdienen will.« – »Ihr habt Euren Lohn bereits weg.« – »Das mag sein. Allein erstens war er zu karg, und zweitens liegen die Sachen jetzt ganz anders.« – »Das ist ganz allein Eure Schuld.« – »Die Arbeit wird schwieriger.« – »Eure Schuld.« – »Die Mitwisser haben sich vermehrt.« – »Eure Schuld.« – »Es müssen also viel mehr Personen stumm gemacht werden.« – »Allein Eure Schuld.« – »Vielleicht muß man sogar Juarez zum Schweigen bringen.« – »Eure Schuld.« – »Geht zum Satan mit diesem ›Eure Schuld‹! Es versteht sich ganz von selbst, daß es eine Riesenaufgabe ist, nach Mexiko zu gehen und so viele Personen umzubringen.« – »Das mag sein.« – »Das tut man nicht gratis.« – »Na, ich will Euch einmal fragen, wieviel Ihr verlangt.« – »Wieviel bietet Ihr?« – »Ich biete nichts. Der Verkäufer hat zu fordern.« – »Wißt Ihr noch, wieviel Ihr mir damals zahltet?« – »Ja.« – »Es waren hunderttausend Dollar.« – »Das stimmt.« – »Gebt Ihr jetzt zwei mal hunderttausend?« – »Nein.« – »Gut, so sind wir fertig.«
Landola drehte sich um und machte Miene, die Stube zu verlassen.
»Oho!« meinte Cortejo. »So rechnen wir nicht!«
Da wandte sich der Kapitän wieder zurück und fragte: »Wieso?« – »Ihr seid verpflichtet, Euren Fehler wiedergutzumachen.« – »Wollt Ihr mich etwa dazu zwingen?« – »Nein. Wir haben beide alle Veranlassung, uns nicht zu reizen, aber wir dürfen auch nicht unverständig sein.« – »Nun wohl. Warum seid denn Ihr da unverständig?«
Cortejo tat, als ob er ihn nicht verstehe, und fragte:
»Unverständig? Ich? Inwiefern denn?« – »Insofern, als Ihr mir nichts geben wollt.« – »Wer hat Euch denn dies gesagt?« – »Ich sehe es ja.« – »Pah! Ich bin zu einer Gratifikation bereit, aber zwei mal hunderttausend Dollar sind mir denn doch zu viel.« – »Nun, wieviel bietet Ihr?« – »Fünfzigtausend.« – »Unsinn!« – »Mehr kann ich nicht geben.« – »Wie? Ihr könnt nicht? Seid Ihr so arm? Ich denke, daß Euch die reiche Grafschaft Rodriganda gehört.« – »Das ist richtig. Ihr versteht mich falsch. Wenn ich sage, daß ich nicht mehr als fünfzigtausend geben kann, so meine ich nicht, daß ich arm bin, sondern daß ich überhaupt nicht mehr geben mag.« – »Warum?« – »Weil Ihr die Arbeit nicht allein machen werdet, könnt Ihr auch nicht den vollen Lohn erhalten.« – »Ah! Wer soll sich denn noch mit beteiligen?« fragte Landola sehr erstaunt. – »Ich«, antwortete Cortejo. – »Ihr?« rief Landola noch erstaunter als vorher. »Ihr wollt die Arbeit mit tun? Wie habe ich das zu verstehen?« – »Nun, sehr einfach. Ihr geht nach Mexiko, nicht wahr?« – Ja.« – »Ich gehe mit.«
Landola trat einen Schritt zurück und fragte, beinahe betroffen:
»Ihr?«
Cortejo nickte.
»Ihr wollt mitgehen?« – »Ja.« – »Nach Mexiko?« – »Ja doch!« – »Das ist unmöglich! Das kann ich gar nicht glauben!« – »Warum nicht?« – »Ihr könnt hier ja nicht abkommen. Man braucht Euch zu nötig.« – »Wer sagt Euch das?« – »Ich denke es mir.« – »Nun, so will ich Euch eines anderen und Besseren belehren. Don Alfonzo wird mir gern einen Urlaub geben, wenn es sich darum handelt, ihm seine Besitzungen zu erhalten.« – »Aber was wollt Ihr in Mexiko?«
Cortejo machte ein sehr eigentümliches Gesicht.
»Zunächst liegt mir daran, meinen lieber Bruder Pablo einmal zu besuchen«, sagte er. – »Warum jetzt?« – »Sodann«, fuhr Cortejo unbeirrt fort, »möchte ich meine liebe Nichte Josefa einmal kennenlernen.« – »Aber warum soll dies