Unser Unternehmen war glücklich, aber auch unglücklich verlaufen. Ich hatte Old Surehand befreit und dazu den Anführer der Comantschen gefangen genommen, dafür aber Old Wabble verloren. Was war aus diesem geworden? Old Surehand glaubte nicht an seinen Tod. Er behauptete:
»Lernt diesen alten Boy erst richtig kennen, Mesch‘schurs! Er ist ein Original ersten Ranges und durch nichts umzubringen. Ich wette, er sitzt irgendwo an einem sichern Orte und lacht sich in das Fäustchen. So einen Pfiffikus muß man studiert haben, um ihn richtig zu beurteilen. Er weiß aus dem größten Unglücke ein noch viel größeres Glück zu machen, und es sollte mich gar nicht wundern, wenn er jetzt plötzlich käme und auch einen oder gar mehrere Gefangene brächte.«
»Wenn er nicht selbst gefangen ist,« warf ich ein.
»In diesem Falle kann ihm geholfen werden. Wir wechseln ihn gegen den Häuptling aus.«
»So wollt Ihr diesem nicht ans Leben?«
»Behüte! Es ist nicht meine Mode, mich als Mörder aufzuspielen. An mir hat er‘s freilich nicht verdient, aber wenn es auf mich ankommt und dem alten Wabble nichts geschehen ist, lassen wir den Roten laufen.«
»Bin ganz einverstanden, Sir. Aber schaut, da sehe ich Köpfe auf dem Wasser!«
Es war so, wie ich sagte. Die meisten Comantschen hatten von der Verfolgung abgelassen; andre hatten sie fortgesetzt und kamen nun angeschwommen. Sie wurden durch drohende Zurufe und einige Schüsse zurückgetrieben, Dann mußte ich den Gefährten erzählen, wie wir auf die Insel gelangt und dann zu zweien herübergeschwommen waren.
Ich hatte diesen Bericht noch nicht vollendet, als wir ein Geräusch drin in den Büschen hörten. Wir lauschten. Die Zweige raschelten und knackten wie von großen Tieren, vielleicht Pferden; dann erklang eine befehlende Stimme:
»Bücke dich hübsch aufs Pferd nieder, Rothaut, sonst rennst du dir die Nase ein; th‘is clear!«
»Old Wabble!« sagte Old Surehand. »Ihr werdet sehen, Mesch‘ schurs, daß er meine Prophezeiung ganz wörtlich erfüllt.«
Und wirklich, da kam er aus dem Gebüsch heraus, hinter sich her ein Pferd ziehend, auf welchem ein Indianer festgebunden war. An diesem Pferde hingen hintereinander noch zwei, welche beladene Packsättel trugen.
»Da bin ich auch wieder,« sagte er lachend. »Habe Euch was mitgebracht, was sehr gut zu gebrauchen ist. Ah, good evening, Mr. Surehand! Auch schon da? Habe es mir doch gedacht, daß ich nicht dabei zu sein brauchte. Euch frei zu machen, dazu war Mr. Shatterhand Mann genug.«
»Wo habt Ihr denn gesteckt, Mr. Cutter?« fragte ich. »Wir haben Sorge um Euch gehabt.«
»Sorge? Möchte wissen, weshalb und was mir geschehen sollte! Ich sorge schon für mich selbst, auch noch für andre mit, wie Ihr gleich sehen werdet.«
»Ihr kamt doch nicht auf die Insel!«
»Fällt mir gar nicht ein!«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich ein großer Esel gewesen bin; th‘is clear. Ich habe wunder gedacht, wie gut ich schwimmen und tauchen kann, mit Euch aber kam ich nicht fort. Das Schwimmen hatte ich glücklich überstanden, freilich nur hinüber; wieder herüber, und dabei die Leggins abermals verlieren, das war nicht mein Fall. Und nun gar tauchen! Wenn man nun nicht wieder heraufkommt! Man kann da ganz gut bei lebendigem Leibe ersaufen. Ich blieb also unter dem Floße hängen und ließ die Sache laufen, wie sie wollte. Da plötzlich erhob sich ein Gebrüll, daß mein Dampfer nur so wackelte, und die Roten sprangen in das Wasser; kein einziger blieb am Lande. Sogar die Pferdewächter kamen gerannt und machten sich hinter Euch her. Einer von ihnen mußte bleiben, und den wollte ich mir holen. Ich segelte also ans Land, kroch unter meinem Baldachin heraus, sprang auf ihn zu und gab ihm einen Klapps, daß er sich niedersetzte, ohne mich vorher uni Erlaubnis zu fragen. Ich band ihn mit einem der Riemen, an denen das Fleisch aufgehängt worden war. Dabei kam mir der Gedanke, daß wir auch Proviant brauchen, wenn wir – — ah, will nicht sagen, wohin, wollen. Ich lief also nach dem Weideplatze und holte drei Pferde, eins für den roten Boy und zwei für das Fleisch; Sättel lagen da. Ich habe mich etwas beeilen müssen, um rechtzeitig fertig zu werden; aber es ging alles genau so, wie ich wünschte, und eben als die ersten Indsmen unverrichteter Sache zurückgeschwommen kamen, trollte ich mich mit Boy und Fleisch von dannen. Da habt Ihr mich! Was mit dem Fleische geschehen wird, das kann ich mir denken; aber was wir mit dem Boy machen sollen, darüber mögen andre sich den Kopf zerbrechen.«
»Wir lassen ihn morgen laufen,« meinte Old Surehand.
»Habe nichts dagegen. Ist er herzu geritten, mag er hinzu laufen! Aber sein Häuptling, wie ist denn der in Eure Hände geraten?«
»Mr. Shatterhand hat ihn gefangen genommen.«
»Etwa auf der Insel?«
»Nein, sondern bei der Verfolgung auf dem See.«
»Also eine Seeschlacht. Müßt mir nachher erzählen, wie das zugegangen ist. Laßt Ihr den auch laufen?«
»Ja.«
»Schade! Er paßt besser zum Hängen als zum Laufen. Aber gebt ihn ja nicht eher frei, als bis Eure Waffen und alles, was die Indsmen Euch abgenommen haben, Euch wieder ausgeliefert worden ist. Ich bin nie ein Indianerfreund gewesen; sie taugen alle nichts und halten es für Schwäche, wenn man nachsichtig mit ihnen ist. Wenn er vorhin samt seinen hundertfünfzig Comantschen da im See ertrunken wäre, so hätte die übrige Menschheit nichts verloren; th‘is clear!«
Zweites Kapitel: In der Oase
Zwischen Texas, Arizona, Neu-Mexiko und dem Indianer-Territorium, oder noch anders ausgedrückt, zwischen den Ausläufern des Ozarkgebirges, der untern und der obern Sierra Guadelupe und den Gualpabergen, rings eingefaßt von den Höhen, welche den obern Lauf des Rio Pecos und die Quellen des Red River, Sabine, Trinidad, Brazos und Colorado umgrenzen, liegt eine weite, furchtbare Strecke Landes, welche die »Sahara der Vereinigten Staaten« genannt werden könnte.
Wüste Strecken dürren, glühenden Sandes wechseln mit nackten, brennend heißen Felslagerungen, die nicht imstande sind, auch nur der allerdürftigsten Vegetation die kärgsten Bedingungen des kürzesten Daseins zu erfüllen. Schroff und unvermittelt folgt die kalte Nacht auf die Hitze des Tages; kein einsamer Dschebel[20], kein grünendes Wadi[21] unterbricht wie in der Sahara die tote, einförmige Wüste; kein stiller Bir[22] lockt mit der belebenden Feuchtigkeit eine kleine Oase hervor; sogar der durch den Steppencharakter vermittelte Uebergang von den reich bewaldeten Berggebieten zum leblosen, sterilen Sandmeere fehlt gänzlich, und der Tod tritt dem Auge überall unverhüllt in seiner fürchterlichsten Gestalt entgegen. Nur hier und da steht – man weiß nicht, durch welche Kraft hervorgerufen und erhalten – ein einsamer, lederartiger Mezquitestrauch, gleichsam zum Hohne für den nach einem grünen Punkte sich sehnenden Blick, und ebenso erstaunt trifft man zuweilen auf eine wilde Kaktusart, die entweder nur in einzelnen Exemplaren steht oder Gruppen bildet oder auch weite, ausgedehnte Flächen eng bestandet, ohne daß man sich ihr Dasein enträtseln und erklären kann. Aber weder der Mezquite, noch der Kaktus gewährt einen erfreulichen, wohlthuenden Anblick; graubraun ist ihre Farbe und unschön ihre Gestalt; sie werden von dickem Sandstaube bedeckt, und wehe dem Pferde, dessen Reiter so unvorsichtig ist, es in eine solche Kaktuswildnis zu lenken! Es wird von den spitzen, haarscharfen und stahlharten Stacheln so an den Füßen verwundet, daß es nie wieder richtig laufen lernt; der Reiter muß das arme Tier sofort aufgeben, und wenn er es nicht tötet, so verfällt es dem elenden Schicksale, langsam umzukommen.
Trotz aller Schrecken, welche diese Wüste bietet, hat es doch der Mensch gewagt, sie zu betreten. Es führen Straßen durch sie, hinauf nach Santa Fé und Fort Union, hinüber nach dem Paso del Norte und hinunter in die grünenden Prairien und wohlbewässerten Wälder von Texas. Aber bei diesem Worte »Straße«