Im Lande des Mahdi II. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
frei gegrast hatte, war nicht mehr zu sehen. Es war, die jungen Zweige von den Büschen fressend, zwischen dieselben eingedrungen und von dem einen »Helden dieses Tages« für den Löwen gehalten und er- oder doch wenigstens angeschossen worden.

      Der Zug setzte sich still in Bewegung. Man mußte wieder vorsichtig sein, da man noch nicht wußte, ob der zweite Löwe tot oder nur verwundet war. Je mehr man sich der Stelle näherte, desto langsamer schritt der Fessarah voran; er blieb endlich gar stehen und wendete sich rückwärts an mich:

      »Effendi, du bist doch überzeugt von meiner Heldenhaftigkeit?«

      »Vollständig, denn du hast das größte und berühmteste Tier der Wüste erlegt. Leider aber befürchte ich, daß der Fakir el Fukara dir nicht dafür danken wird.«

      »Das erwarte ich auch gar nicht, da er nicht von meinem Löwen, sondern von dem deinigen bedroht wurde. Er mag seinen Dank also an dich richten. Dieser mein Löwe aber bedrohte den Brunnen mit allen Asakern und Gefangenen, und dies ergiebt für mich einen weit größeren und zahlreicheren Dank als denjenigen, den du nur allein von dem Fakir zu erwarten hast. Jetzt aber komm und schreite du voran! Ich weiß, daß du schärfere Augen hast als ich.«

      »Du irrst. Ich sehe zu Zeiten sehr schlecht, und dann kann es mir leicht passieren, daß ich einen Löwen für ein Kamel halte. Welch eine Kränkung für dich, wenn mir gerade heute und hier ein solcher Irrtum widerführe! Du bist der Sieger; gehe nur du voran!«

      Er mußte sich fügen; aber mit seinem Mute schien es Kap Finisterre zu sein, denn er bewegte sich in einer Weise vorwärts, als ob er auf Eiern gehe, von denen er keins zertreten dürfe. Schon nach sechs oder sieben Schritten blieb er wieder stehen, deutete vorwärts und meldete mit sehr unterdrückter Stimme:

      »Allah kerihm! Dort liegt er. Ich sehe zwei seiner Füße, welche sich bewegen. Effendi, was ist da zu thun?«

      »Nur immer drauf!«

      »Aber er beißt! Er ist noch nicht tot, sondern wohl nur verwundet.«

      »So tritt hinzu, und gieb ihm noch eine Kugel! Freilich verkürzt das deinen Ruhm, da du dann nicht mehr behaupten kannst, ich hätte eine Kugel mehr gebraucht als du.«

      »Auf diesen Ruhm kommt es mir ja gar nicht an. Das will ich dir beweisen. Ich habe nur eine Kugel in meiner Flinte; dein Gewehr aber ist zweiläufig, du bist also weit besser als ich im stande, dem Fresser vollends den Garaus zu machen. Thue es, Effendi; ich räume dir den Vortritt ein!«

      »Meine Bescheidenheit gestattet mir nicht, deinen Wunsch zu erfüllen.«

      »Das ist sehr schön von dir, Effendi, aber – — O Allah, er bewegt die Beine wieder, und hörst du das Schnauben? Er ist zornig. Ich stelle mich hinten an!«

      Er huschte an mir und den Asakern vorüber und suchte hinter denselben Sicherheit vor dem vermeintlichen Löwen.

      Dieser hatte allerdings ein hörbares Lebenszeichen von sich gegeben, aber es war nicht das zornige Schnauben eines angegriffenen wilden Tieres, sondern das schmerzliche Röcheln eines verwundeten Kameles. Auch die Asaker wichen erschrocken zurück, Ich blieb stehen und sagte zu dem Fessarah:

      »Gut, ich bin bereit, an deiner Stelle die Gefahr von euch abzuwenden, aber nur unter einer Bedingung. Ich werde ihn umschleichen und nach dir zu heraustreiben. Dann hast du, wenn er sich auf dich wirft, einen herrlichen Schuß.«

      Ich that einige Schritte, als ob ich dieses Vorhaben ausführen wolle. Da schrie er auf.– »Um Allahs willen, thue das nicht; ich mag nichts davon wissen!«

      »Aha, du fürchtest dich. Nun, so will ich dir zeigen, wie groß die Gefahr ist, welche es dabei giebt. Das sind nicht die Hinterpranken eines Löwen, sondern die Füße eines Kameles.«

      »Du irrst dich, du irrst dich! Deine Augen sind schlecht. Du hast es ja selbst gesagt, daß du zuweilen einen Löwen für ein Kamel hältst!«

      »Und du ein Kamel für einen Löwen. Du sollst sofort den Beweis dafür haben. Ja, dieses Tier war bedeutend höher als der Löwe, welchen ich geschossen habe; es war aber kein Löwe, sondern das Kamel des Fakir el Fukara! Da, schaut her!« Ich ging hin und schob mit dem Gewehre die Zweige auseinander. Da sahen sie das Kamel liegen; es war in das rechte Hinterbein geschossen. Nun war es mit der Angst der Asaker plötzlich vorüber. Sie drängten sich herbei und brachen in ein schallendes Gelächter aus.

      »Welch ein Löwe, welch ein grausiges Untier!« rief einer von ihnen. »Hätte die Kugel des Fessarah ihn nicht niedergestreckt, so würde dieser Menschenfresser uns alle verschlingen. Ja, der Fessarah hat uns aus einer entsetzlichen Gefahr befreit; er hat uns allen das Leben gerettet; er ist der berühmteste Löwenjäger im ganzen Lande. Erhebt eure Stimmen, ihr Männer, um ihn zu preisen! Ruft dreimal Heil, Heil, Heil über ihn!«

      »Heil, Heil, Heil!« lachten und jubelten sie.

      Der Gepriesene antwortete nicht und entzog sich den weiteren Huldigungen, indem er davonrannte und sich in das Gebüsch versteckte. Das Kamel konnte nicht auf, denn der rechte Schenkelknochen war ihm zerschmettert; es mußte getötet werden. Eben kehrte sein Besitzer, der Fakir el Fukara, aus dem Walde zurück. Er kam zu mir, gab mir die Hand und sagte, so daß alle es hörten:

      »Effendi, verzeihe mir, daß ich dich stehen ließ, ohne dir zu danken! Es war zu schrecklich. Ich hatte zu viel gewagt. Meine Glieder klapperten, und meine Seele zitterte mir im Leibe. Der Fresser hatte es auf mich abgesehen, und ohne dich wäre ich von ihm zerrissen worden. Das Entsetzen hatte mir die Sprache geraubt, so daß ich dir kein Wort sagen konnte. Ich entwich in das Dunkel des Waldes, um im stillen Allah zu preisen. Nun kann ich wieder reden und sage dir Dank. Du bist mein Freund und Bruder; die Feindschaft, mit welcher ich dich betrachtete, ist verschwunden, und ich wünsche, dir den Beweis geben zu können, daß meine Gesinnung gegen dich sich vollständig umgewandelt hat. Willst du mir verzeihen?«

      »Gern,« antwortete ich, indem ich ihm die Hand schüttelte.

      »So sage mir, wie ich dir dienen und dir einen großen Gefallen erweisen kann!«

      »Dessen bedarf es nicht. Du wußtest es nicht, was es heißt, von dem Herrn mit dem dicken Kopfe angegriffen zu werden; ich habe es dir gezeigt und bin nun befriedigt. Würdest du es noch einmal wagen, dich einem Löwen entgegenzustellen?«

      »Niemals, nie! Bei seinem Anblicke erstarrt einem das Blut im Leibe, und es ist, als ob einem alles Fleisch von den Knochen falle.«

      »Das ist die Furcht, die Angst. Warum bin denn ich ganz ruhig geblieben? Hätte auch ich mich gefürchtet, so wäre es sehr schlimm geworden.«

      »Ja, Effendi, es ist mir unbegreiflich, wie du es wagen konntest, den Löwen zu veranlassen, sich von mir zu wenden, um sich auf dich zu werfen und obendrein, nachdem ich mich so feindselig gegen dich verhalten hatte! Schreibt dir das etwa dein Glaube vor?«

      »Nein, ein guter Christ wird allerdings seinem ärgsten Gegner gern verzeihen, denn Christus, der Sohn Gottes, hat uns sogar geboten, unsere Feinde zu lieben; aber daß ich, um einem Moslem das Leben zu retten, mich selbst von dem Löwen zerreißen lassen soll, das gebietet mir mein Glaube nicht. Ich habe hier weniger als Christ als vielmehr als Mann gehandelt, als ein Schütze, ein Jäger, den selbst der Würger der Herden nicht aus der Fassung bringen kann. Als unerschrockener Mann habe ich den Löwen erschossen; als Christ bin ich bereit, mich mit dir zu versöhnen. Das ist es.«

      »Es bleibt sich gleich, ob du mich als Mensch oder als Christ errettet hast. Ich habe dir das Leben zu verdanken und bitte dich, mir zu sagen, wie ich diese große Schuld wenigstens einigermaßen abtragen kann.«

      »Es ist von keiner Schuld die Rede. Ich hätte das Tier auf alle Fälle erlegt; daß ich es von dir ablenken mußte, um gut zum Schuß zu kommen, das war nur ein Zufall, welcher dich zu nichts verpflichtet. Ich werde mir das Fell des Löwen nehmen und bin mit diesem Lohne vollständig zufrieden.«

      »Das ist mir nur dann begreiflich, wenn ich annehme, daß du nur aus Stolz den Dank eines Mannes, welcher dich beleidigt hat, verschmähst. Aber auch ich habe mein Ehrgefühl, welches mir verbietet, mich gänzlich abweisen zu lassen. Ich werde nachdenken und hoffe, eine Gelegenheit zu finden, dir einen Dienst zu leisten, den du anzunehmen gezwungen bist. Du weißt