Durch das Land der Skipetaren. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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wie sein fortgesetztes Geschrei.

      Gern gestehe ich, daß ich der Sache nicht gar sehr sympathisch gegenüberstand. Prügel auszuteilen, ist nichts Aesthetisches; auch waren wir hier fremd und konnten nicht wissen, wie die anwesenden Einheimischen sich dazu verhalten würden. Es waren ihrer viele da, und es kamen immer mehr. Aber dieses unwürdige Oberhaupt hatte sich überhaupt sehr feindselig gegen uns verhalten; sein Handeln war ungesetzlich gewesen, und nun gar seine Beschuldigung, daß wir die Brandstifter seien, war eine so freche, daß ihm ein Denkzettel gar nichts schaden konnte. Vielleicht wirkten die Hiebe dahin, daß er später ein besserer Ausleger der Paragraphen des Gesetzes wurde.

      Was die Leute betraf, welche sich neugierig herbeidrängten und einen Kreis um uns schlossen, so fürchtete ich sie nicht. Der Kodscha Bascha hatte wahrscheinlich keinen Freund, der sich für ihn hätte opfern mögen.

      Er wurde also in die bezeichnete Lage gebracht. Osko hielt ihn an den Schultern nieder, und Omar kniete ihm auf die Beine. Als nun der kleine Halef seine Peitsche aus dem Gürtel nahm, ließ sich doch eine laute Stimme vernehmen.

      »Wollt ihr es dulden, daß unser Oberhaupt geprügelt werde? Verteidigt den Kodscha Bascha!«

      Von einigen Gleichgesinnten, die sich zu dem Sprecher drängten, ward ein drohendes Murmeln erhoben. Sie schoben sich näher heran.

      Ich schritt langsam auf sie zu, stieß den Kolben des Gewehres auf den Boden, legte die Arme gekreuzt auf die Mündung und sah ihnen in die Gesichter, ohne ein Wort zu sagen. Sie wichen zurück.

      »Hakk, tamam, wuryniz onu, kesyniz onu – recht so, recht so, haut ihn, haut ihn!« riefen mehrere uns freundliche Stimmen.

      Halef nickte überaus huldvoll nach der Seite hin, von welcher die Stimmen erschollen waren, und begann sein mildtätiges Werk. Er gab sich demselben mit rührendem Eifer hin. Als er seine Peitsche aus Nilpferdhaut wieder in den Gürtel steckte, gab er dem Bestraften folgenden guten Rat:

      »Nun bitte ich dich, in den nächsten Tagen dich ja auf nichts Hartes zu setzen. Das könnte den Glanz deiner Augen, die Schönheit deines Angesichtes, die Harmonie deiner Züge und die Feierlichkeit deiner Rede beeinträchtigen. Du darfst die Wirkung unserer edlen Tat nicht stören und wirst dann von deiner gegenwärtigen Jugend an bis in das späte Alter hinein die Fremden segnen, deren Erscheinen dir so gnadenreich geworden ist. Wir hoffen, daß du den heutigen Tag alljährlich mit andächtiger Feier begehen wirst, und wir werden zu derselben Zeit deiner stets in ganz besonderer Zuneigung gedenken. Erhebe dich und gib mir den Kuß des Dankes, der mir gebührt!«

      Ein lautes Gelächter erscholl nach dieser in hohem Ernst vorgetragenen Rede.

      Der Kodscha Bascha, von Osko und Omar nun losgelassen, stand langsam auf und legte seine beiden Hände auf die von Halef bereits näher beschriebene Körpergegend. Als der Kleine sich ihm nahte, fuhr er ihn wütend an:

      »Mensch, Kerl, Hund! Was hast du getan! Du hast den Leib der Obrigkeit entweiht. Ich werde dich und die Deinen in Fesseln legen lassen – —«

      »Ereifere dich nicht!« unterbrach ihn der Kleine. »Wenn du es eine Entweihung nennst, daß du nur zwanzig bekommen hast, so wollen wir den Fehler auf der Stelle verbessern. Legt ihn noch einmal nieder!«

      »Nein, nein!« schrie der Bedrohte. »Ich gehe, ich gehe!«

      Er wollte sich eiligst entfernen; da aber ergriff ich ihn am Arm.

      »Bleib, Kodscha Bascha! Ich habe ein Wort mit dir zu reden!«

      »Gar nichts hast du mit mir zu reden, gar nichts!« rief er, indem ich ihn in den Kreis zurückzog. »Ich mag von euch nichts mehr wissen. Ich habe genug von euch!«

      »Das ist freilich sehr wahrscheinlich, aber ich will etwas von dir wissen, und darum wirst du noch einige Augenblicke bleiben. Nimm deine Hände da hinten weg! Es ziemt sich nicht, sie dort zu haben, wenn man mit einem Effendi spricht.«

      Er versuchte, diesem Befehl nachzukommen, aber es wurde ihm so schwer, daß er abwechselnd bald die rechte, bald die linke Hand eine retrograde Bewegung machen ließ.

      »Du hast uns als Brandstifter bezeichnet. Welchen Grund hast du dazu?« fragte ich ernst.

      Diese Erkundigung verursachte ihm sichtlich Unbehagen. Blieb er bei seiner Behauptung, so konnten sich die Hiebe leicht wiederholen. Widersprach er sich aber, so stand er als Lügner da. Er kratzte sich also, während er die Rechte jenseits der Hüften hatte, mit der Linken den kahlen Scheitel und antwortete diplomatisch:

      »Ich dachte es.«

      »Und warum dachtest du es? Ein Kodscha Bascha muß einen jeden seiner Gedanken erläutern können.«

      »Weil ihr vor uns hier gewesen seid. Wir sahen es brennen und eilten herbei. Als wir hier ankamen, befandet ihr euch schon da. Ist das kein Grund zum Verdacht?«

      »Nein, denn wir können ja ebenso wie ihr herbeigeeilt sein, weil wir es brennen sahen. Aber besinne dich! Sind wir wirklich vor dir hier gewesen?«

      »Natürlich! Ihr habt mich ja hier ankommen sehen.«

      »Und ich denke, du warst vor uns da.«

      »Unmöglich!«

      »O doch! Wir sahen dich von hier kommen.«

      »Das ist ein großer Irrtum von dir.«

      »Gewiß nicht. Wir haben dich erkannt.«

      »Herr, du täuschest dich. Ich war daheim und schlief. Da erwachte ich durch ein großes Geschrei. Ich erhob mich, blickte aus der Türe und sah das Feuer auf dem Berg und eilte herbei, denn als Obrigkeit bin ich dazu verpflichtet.«

      »Bist du als Obrigkeit auch verpflichtet, flüchtige Verbrecher zu warnen?«

      »Ich verstehe dich nicht.«

      »Lüge nicht! Wo sind die vier Gefangenen, welche dir anvertraut worden sind?«

      »Selbstverständlich im Gefängnisse.«

      »Sind sie gut bewacht?«

      »Doppelt. Ein Knecht steht vor der Türe und ein anderer vor dem Hause.«

      »Wie viele Knechte hast du?«

      »Diese zwei.«

      »Was hat denn dieser hier oben zu suchen?«

      Derjenige nämlich, welcher vorhin sich für den Kodscha Bascha geäußert hatte, stand ganz in der Nähe. Ich hatte in ihm gleich den Knecht erkannt, dem die Bewachung der Gefangenen anvertraut worden war, und zog ihn jetzt unter den übrigen hervor.

      Der Beamte spielte den zornigen.

      »Was hast du hier zu stehen?« schrie er den Knecht an. »Willst du augenblicklich fort, heim auf deinen Posten!«

      »Laß ihn!« sagte ich. »Es gibt nichts mehr zu bewachen. Die Gefangenen sind frei.«

      »Frei?« fragte er, indem er sich den Anschein gab, erschrocken zu sein.

      »Verstelle dich nicht! Du weißt es noch viel besser als ich. Du selbst hast sie freigelassen und dafür eine bedeutende Summe von dem Mübarek erhalten.«

      Jetzt brachte er zum erstenmal die beiden Hände zugleich nach vorn. Er schlug sie zusammen und schrie:

      »Was sagst du? Wessen beschuldigst du mich? Wer bist du, daß du es wagst, einen Kodscha Bascha zum Verbrecher zu stempeln? Geld hätte ich erhalten? Frei hätte ich die Gefangenen gelassen? Ich werde dich arretieren und mit der ganzen Strenge des Gesetzes gegen dich verfahren – — nein, nein, fort, laß mich!«

      Diese letzten Worte galten Halef, der ihn beim Arme ergriff und, die Peitsche erhebend, in drohendem Tone fragte:

      »Soll ich dir auch noch andere Gegenden gerben? Weißt du noch immer nicht, daß wir auf diese Weise nicht mit uns verhandeln lassen? Sagst du noch ein einziges Wort, welches meinem Ohre nicht behagt, so wird meine Peitsche sich über dich ergießen, wie ein Hagel, der durch die Dächer schlägt!«

      Ich wendete mich an die Leute und erzählte ihnen, was ich von der Nebatja erfahren hatte, ohne aber ihren Namen zu nennen. Ich fügte dazu, daß der Kodscha Bascha uns dann begegnet sei und