Der Schut. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Beutel drei tüchtige Fingerspitzen Rauchtabak und schob ihm denselben in den Mund. Er mußte ihn kauen, um den schrecklichen Geschmack los zu werden. Die Folgen dieses verhängnisvollen Schluckes waren um so außerordentlicher gewesen, als der Fischtran ein greisenhaftes Alter besaß, wie ich nachher von der Frau erfuhr.

      Sie hatte sich zuerst über den gewaltsamen Raub des vermeintlichen Raki erbost. Durch die Wirkung des ungewöhnlichen Getränkes aber fühlte sie sich ausgesöhnt, und nun brachte sie, was sie vorher verheimlicht hatte — eine halbvolle Flasche wirklichen Raki, welcher der Hadschi mit großer Hingebung zusprach, denn es war selbst dem Tabak nicht gelungen, den ranzigen Fischtran vollständig zu überwältigen.

      Dann schlenderte er wie absichtslos beiseite, aber bevor er hinter dem Gasthof verschwand, gab er mir einen heimlichen Wink, ihm zu folgen. Nach einer kleinen Weile spazierte ich ihm nach.

      »Sihdi, ich habe dir etwas mitzuteilen, wovon die Andern nichts wissen dürfen,« sagte er. »Die Frau behauptete, weder eine Speise noch ein Getränk zu haben; ich aber schenkte ihr keinen Glauben, denn in einem Konak muß stets etwas vorhanden sein. Darum suchte ich überall, obgleich sie das nicht dulden wollte. Zuerst fand ich die Flasche des Unheiles und der Umstülpung des Magens. Sie wollte sie mir nicht geben, aber ich nahm sie mit Gewalt, denn ich verstand nicht die Worte, welche sie sagte. Dann kam ich an einen Kasten. Ich öffnete ihn und fand ihn mit Kepek (* Kleie.) gefüllt. Aber diese Kepek roch so eigentümlich, so verlockend! Diesen Geruch habe ich noch nicht vergessen, weil ich ihn erst gestern richtig kennen gelernt habe.«

      Er holte Atem. Ich wußte bereits, was kommen würde. Er hatte einen Schinken entdeckt; das war sicher.

      »Glaubst du wirklich, Sihdi, daß der Prophet den Erzengel richtig verstanden hat in Beziehung auf das Schweinefleisch?« hob er wieder an.

      »Ich glaube, daß Mohammed entweder nur geträumt oder sich die Erscheinung des Engels nur eingebildet hat. Durch sein eigenartiges Leben und sein regelloses Grübeln ist seine Phantasie in krankhafter Weise erregt worden. Er hat Chajalar (* Halluzinationen.) gehabt, die ihm Dinge vorspiegelten, welche nicht vorhanden waren. Er sah Erscheinungen, die es in Wirklichkeit nicht gab; er hörte Stimmen, die seinem eigenen Gehirn entstammten. Und übrigens bin ich überzeugt, daß er das Verbot des Schweinefleisches nach dem Vorbild Musas (** Moses.) ausgesprochen hat.«

      »Herr, du machst mir das Herz leicht. Denke dir: durch den Geruch verleitet, griff ich tief in die Kleie. Ich fühlte harte Gegenstände, große und kleine, und zog sie hervor. Es waren Würste und ein Schinken. Ich tat sie in den Kasten zurück, denn die Frau klagte, daß ich sie berauben wolle, und sagen, daß ich sie dafür bezahlen würde, das durfte ich doch nicht. Du würdest meine Seele mit Dankbarkeit erfüllen, wenn du jetzt zu ihr gehen wolltest, um ihr eine Wurst und auch ein Stück von dem Schinken abzukaufen. Wirst du mir heimlich diesen Gefallen tun? Die Andern dürfen natürlich nichts wissen und ahnen.«

      Man denke, daß der kleine Hadschi sich mit großer Vorliebe einen Sohn oder Anhänger des Propheten zu nennen pflegte. Und jetzt verlangte er von mir, Schinken und Wurst heimlich für ihn einzukaufen! Dennoch war mein Erstaunen über seinen Wunsch keineswegs sehr bedeutend. Hätte ich ihm während der ersten Monate unserer Bekanntschaft zugemutet, von dem Fleisch eines Chansir el hakihr, eines »verächtlichen Schweines« zu essen, so hätte ich jedenfalls die Ausdrücke seines höchsten Zornes zu hören bekommen und auf seine fernere Begleitung verzichten müssen. Die Berührung einer einzigen Schweinsborste verunreinigt den Moslem und verpflichtet ihn zu sorgfältigen Waschungen. Und jetzt wollte Halef das Fleisch des verachteten Tieres gar in seinem Körper aufnehmen! Ohne es zu ahnen, war er durch sein Zusammenleben mit mir nicht nur in bezug auf seine Anschauungen, sondern auch betreffs der Befolgung vorgeschriebener Regeln ein sehr lässiger Bekenner des Islam geworden.

      »Nun?« fragte er, als ich nicht gleich antwortete. »Muß ich zweifeln, ob du meine Bitte erfüllen wirst, Sihdi?«

      »Nein, Halef. Wenn der Drache Ischtah (* Appetit.) in deinem Körper wütet, so muß ich dich, da ich dein Freund bin, von diesem Uebel erlösen. Du sollst nicht ewig die Qualen erdulden, welche er dir bereitet. Ich werde also mit der Frau sprechen.«

      »Tue das, ja tue es! Denn es steht geschrieben, daß Allah jede Wohltat, welche ein Mensch dem andern erweist, tausendfach vergelten wird.«

      »So meinst du, daß Allah mich tausendfältig belohnen werde dafür, daß ich dir von dem Fleisch des Schweines kaufe?«

      »Ja, denn er hat dem Propheten nicht den Befehl gegeben, den Genuß dieser Speise zu verbieten, und wird sich also darüber freuen, daß ich diesem unschuldigen Tier die wohlverdiente Ehre erweise.«

      »Ich glaube aber nicht, daß das Schwein es als eine große Ehre empfinden wird, zu Wurst und Schinken verarbeitet zu werden.«

      »Das ist ja aber seine Bestimmung, und jedes Geschöpf, welches seine Bestimmung erfüllt, ist glücklich zu preisen. Der Prophet sagt, das Sterben sei Glück; also ist das Schlachten des Schweines das Beste, wonach es sich sehnen kann. Nun gehe zur Frau; laß aber die Andern ja nicht sehen, was du bringst. Ich werde von der andern Seite des Hauses zu ihnen zurückkehren, denn sie brauchen gar nicht zu wissen, daß wir hier miteinander gesprochen haben.«

      Er ging. Ich sah, daß das Haus auch von hinten eine Türe hatte, und trat durch dieselbe ein.

      Es hatte bisher den Anschein gehabt, daß sich die Wirtin allein daheim befände. Darum wunderte ich mich, als ich jetzt zwei Stimmen vernahm. Ich blieb stehen, um zu horchen. Der Konakdschi war es, welcher mit der Frau sprach, und zwar verstand ich alles ziemlich genau. Die Wirtin bediente sich zwar ihrer Mundart, gab sich aber Mühe, von ihm verstanden zu werden, was natürlich auch mir zu gute kam.

      »Also sie sind hier eingekehrt,« sagte er. »Haben sie dir nicht gesagt, daß auch wir kommen würden?«

      »Ja, doch nicht, daß du auch dabei sein würdest. Sie erzählten mir, daß deine Begleiter sehr böse Menschen seien. Darum wollte ich ihnen nichts zu trinken geben.«

      »Das war falsch von dir. Grad weil sie so gefährliche Leute sind, muß ich mit ihnen freundlich sein, und auch du darfst nicht merken lassen, daß du sie durchschaust. Hast du vielleicht einen Auftrag an mich auszurichten?«

      »Ja. Du sollst durchaus nicht hier übernachten, selbst dann nicht, wenn ihr erst spät hier ankommen würdet. Du sollst vielmehr mit ihnen bis zu Junak reiten.«

      »Wird dieser daheim sein?«

      »Ja. Er war erst vorgestern hier und erzählte, daß er sein Haus für einige Zeit nicht verlassen werde.«

      »Befanden sich die Reiter alle wohl?«

      »Nein. Der alte Mann, welcher den Arm gebrochen hatte, wimmerte unaufhörlich. Sie mußten ihm den Verband abnehmen, um den Arm mit Wasser zu kühlen. Als er wieder zu Pferd stieg, hatte er das Sowuk sarsmaki (* "Kaltes Schütteln", Fieber.) und wankte im Sattel. Wirst du mit diesen Fremden lange hier rasten?«

      »Wir werden gleich wieder aufbrechen. Sie dürfen auch nicht wissen, daß ich mit dir von den Reitern und von Junak gesprochen habe; darum will ich gehen.«

      Ich hörte, daß er sich entfernte, und trat selbst auch für eine Minute aus dem Hause. Das Weib sollte nicht denken, daß ich etwas gehört habe.

      Wer war dieser Junak? Der Name ist serbisch und bedeutet so viel wie das deutsche Wort Held, welches ja auch als Name gebraucht wird. Wahrscheinlich war der Kohlenhändler gemeint, welcher mit den Erzeugnissen des Köhlers Scharka hausieren zu fahren pflegte!

      Als ich dann lauten Schrittes wieder eintrat, kam mir die Frau entgegen, und ich teilte ihr meinen Wunsch mit. Sie zeigte sich zur Erfüllung desselben bereit, erkundigte sich jedoch, indem sie mich mißtrauisch betrachtete:

      »Aber, Herr, hast du auch Geld? Verschenken kann ich nichts.«

      »Ich habe Geld.«

      »Und wirst du mich bezahlen?«

      »Natürlich!«

      »Das ist nicht so natürlich, wie du meinst. Ich bin eine Christin und darf dieses Fleisch essen. Auch an Andere,