»Ein herrliches Bild«, sprach er endlich mit Feuer und Rührung, »schwebt meinem trüben Blicke vor. Es ist ein Engelsbild, das mich liebend umschlang, als mich das Ungetüm in seinen Rachen faßte. Es kam, als mich die Nacht des Todes umfing, und wärmte mich, als Fieberfrost meine Glieder schüttelte. Es hat mich gepflegt und heilenden Balsam auf meine Wunde gegossen. Wahrlich Miß, wäre es nicht heller Tag, ich glaubte zu träumen.« Sie hatte schweigend ihr Auge auf die Erde geheftet. »Sie sind es denn,« fuhr der Jüngling fort, »der ich mein Leben, meine Gesundheit danke, die mich gepflegt, die mich liebreich gewartet?«
»Der Arm Rosas ist schwach, mein Bruder,« fiel sie ein, ihm mild und vertrauensvoll ins Äuge blickend, »sie würde ihren Bruder nicht aufrechterhalten haben können. Es ist Canondah, die dich aus dem Rachen der Wasserschlange gerettet. Es ist sie, die dich in die Baumhöhle, in dieses Wigwam getragen. Sie ist es, die Winondah vermochte, das Fieber zu vertreiben.«
»Die Indianerin!« rief der Jüngling. »Dieselbe, die mich so unbarmherzig auf die Folter spannt, jeden meiner Schritte belauert?«
Der Blick des Mädchens ruhte beinahe wehmütig auf ihm. »Canondah ist die Tochter des Miko, sie ist die Mutter der Oconees, sie ist der Trost und die Hoffnung aller; aber der Miko und sein Volk sind rot«; sprach das Mädchen bedeutsam und unwillkürlich schaudernd.
»Ich verstehe«; sprach der Brite.
»Sie sind sehr gut, aber sie haben vieles von unsern weißen Brüdern gelitten.«
»Den Yankees?« versetzte der Jüngling. »Aber wie kommen Sie, Miß, hierher; darf ich bitten, mir hierüber Aufklärung zu geben?«
»Der Miko nahm Rosa aus der Hütte des weißen Zwischenhändlers.«
»Aber wer ist dieser Miko, dieses Dörfchen hat doch gar keinen wilden Anstrich. Beinahe alles, was man bei uns sieht. – Wo sind denn die Männer?«
»Sie sind mit dem Häuptlinge auf die Herbstjagd ausgezogen.«
Die Augen des Briten zuckten, seine Miene heiterte sich auf. »Können Sie mir sagen, teure Miß, wo wir sind?« fuhr er zutraulich fort, ihre Hand ergreifend. Es schien beinahe, als ob das Zartgefühl des Mädchens das Selbstische, das in seiner Frage lag, geahnt hätte. – Sie sah ihn mit ihren klaren Augen forschend an und sprach: »Wir sind weit von den Weißen. Weit vom großen Flusse gegen die untergehende Sonne. Wir hatten vierzig Tage diesen überschritten und noch immer waren wir nicht am Ziele.«
Der junge Mann schüttelte sein Haupt. »Verzeihen Sie, das kann nicht sein. Ich war bloß acht Tage von dem Blockhause des Piraten weg, und die Golfströmung konnte mich unmöglich so weit vom Mississippi weggetrieben haben. – Wissen Sie nicht den Namen dieses Flusses?«
Sie verneinte es. »Am jenseitigen Flusse oberhalb wohnen die Coshattaes und weiter oben die Sabineindianer.«
»Sabine? dann sind wir am Sabine.«
»Der andere Fluß mag so heißen. Hier«, fuhr sie fort, »sind wir ringsum eingeschlossen. Nur auf dem Strome oder von jenseits gelangt man zu uns. Auf dieser Seite würde auch der Wolf vergebens zu uns zu dringen versuchen. Mein Bruder muß nicht auf Flucht denken.«
Der junge Mann war in tiefes Nachdenken versunken. »Sabine,« murmelte er, »das ist die Grenze der Vereinigten Staaten gegen Mexiko. Zu Lande höchstens vierhundert Meilen, nicht unmöglich —.«
»Mein Bruder«, wiederholte sie, »muß nicht auf Flucht denken. Der Miko ist gut, wenn du«, fuhr sie zögernd fort, »ein Feind der Yankees bist. – Er wird dir mit Freuden die Hand reichen, wenn —«
»Wenn?« fragte der Jüngling gespannt.
»Wenn du nicht als Späher gekommen bist«; fuhr sie zögernd heraus.
»Späher, Spion? Pfui! – Wie können Sie, Miß, so Arges von mir denken?«
Das jungfräuliche Kind hatte ihn mit den klaren, ruhigen Augen kindlicher, aber tief dringender Unschuld angesehen.
»Mein Bruder,« sprach sie mit naiver Einfalt und einer Miene, die um Aufklärung zu bitten schien, »mein Bruder sagt, daß sein Volk nicht im Kriege gegen den Häuptling der Salzsee begriffen, und es ihn doch an einen Baum hängen würde, im Fall es ihn in seine Hände bekäme.«
Ein unwillkürlich ironisches Lächeln überflog den Mund des Briten bei Anhörung dieser sonderbaren Rede; aber ein Blick auf das Mädchen, das in edler Einfalt und natürlicher Würde vor ihm stand, machte ihn über seine Gemeinheit erröten. »Wir sind, und wir sind nicht im Kriege mit dem Seeräuber, liebe Miß«, sprach er. »Nicht im Kriege, weil der eigentliche Krieg bloß zwischen zwei Nationen, die legitime Regierungen haben, geführt werden kann; was Sie aber den Häuptling nennen, ist bloß ein Seeräuber, ein Seedieb, ein Elender, der mit dem Auswurfe des menschlichen Geschlechtes Schiffe plündert, Weiber, Kinder und Männer ermordet. Gegen solche Räuber ziehen wir nicht in den Krieg; wir senden aber Schiffe aus, sie aufzusuchen und einzufangen, und dann werden sie zum Lohne ihrer Verbrechen gehängt.«
Der junge Mann hatte nicht bemerkt, wie das Mädchen während seiner Erklärung leichenblaß geworden war. »Der Häuptling der Salzsee ein Dieb?« fuhr sie erschrocken heraus.
»Wissen Sie dies nicht?« erwiderte er. »Er ist schlechter als ein Dieb. Er ist ein Räuber, ein Mörder, mit einem Worte ein Seeräuber.«
Erst jetzt bemerkte er mit Verwunderung den Eindruck, den seine Worte auf sie gemacht hatten. Sie war totenblaß geworden. Zitternd bedeckte sie mit beiden Händen das Gesicht, sie schwankte und eilte der Türe der Hütte zu. Ehe sie jedoch diese erreicht hatte, sank sie bewußtlos auf der Schwelle nieder. Er war herzugerannt, um die liebliche Gestalt vom Sinken zu bewahren, als ein Schrei des Entsetzens sich hören ließ und die Indianerin mit einem Sprunge an seiner Seite stand. Ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen, umfaßte sie ihre Freundin mit beiden Armen, drückte einen zärtlichen Kuß auf ihre Lippen und trug sie in ihre Wohnung.
Der junge Brite hatte den beiden Mädchen mit der Miene eines Mannes nachgesehen, der einer fürchterlichen Entdeckung auf die Spur gekommen. Sein Auge hing mit Scheu an der Türe, als ob sie ein schauderhaftes Geheimnis verschlösse. Unwillkürlich wandten sich seine Schritte zuerst langsam und dann schneller und schneller, als ob er der furchtbaren Entwicklung entfliehen wollte, die der befremdenden Szene folgen müsse. Verstört eilte er in seine Hütte und warf sich auf das Lager. Es lag etwas Gräßliches in dem namenlosen Schmerze, der in dem Busen des Mädchens bei seiner Erklärung rege geworden. Ein erschütterndes Geheimnis! Diese Teilnahme in einem solchen Wesen für einen solchen Menschen – war grauenhaft.
Dem Selbstgespräch machte die eintretende Indianerin ein Ende. Ernst und prüfend schritt sie auf ihn zu. Ihr Blick war beinahe feierlich. Sie hob ihre Hand auf und winkte ihm, als sie bemerkte, daß die Speisen noch unberührt standen. Er war aufgestanden, um ihr entgegenzukommen.
»Mein Bruder muß essen,« sprach sie; »wenn er es getan hat, dann will ihm seine Schwester etwas in das Ohr wispern.« Mit diesen Worten ließ sie sich am entgegengesetzten Ende des Ruhelagers nieder.
»Ich habe keinen Hunger, meine Schwester,« erwiderte der junge Mann, »und bin bereit, dich anzuhören. Wie ist›s der weißen Rosa?« fragte er in sichtbarer Verlegenheit.
»Meine Schwester«, erwiderte die Indianerin, »ist krank; aber sie ist nicht krank wie mein Bruder, sie ist krank im Herzen. Mein Bruder kann die weiße Rosa gesund machen. Sie ist Canondah sehr lieb, mehr als ihr Leben.«
Sie zitterte, sie suchte augenscheinlich nach Worten, allein sie konnte keines hervorbringen. Sie war sichtlich sehr angegriffen. Ihr Busen hob sich, ihr ganzes Wesen drückte die innigste Teilnahme für ihre Freundin aus. Der Jüngling sah sie mit Verwunderung an.
»Will mein Bruder sie gesund machen?« fragte sie leise.
»Und