Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Sealsfield
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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hören. Der Champagnerdunst, der sich leicht über seine Stirn hingelagert hatte, war mit einem Mal verschwunden. Er wollte nicht impoli sein.

      »Ruhig, lieber Neffe!« mahnte Papa Menou. »Sie haben diese Lehre verdient. Sie waren wirklich impoli! Setzen Sie sich!«

      Und der Brausekopf setzte sich, die anderen gleichfalls. Der sonst so stille Richard Moreland nahm eine Rednermiene an. Howard kam das Ganze, so ernst es war, jetzt ein wenig drollig vor.

      »Unsere Sklaven wurden uns wirklich aufgedrängt«, begann Richard. »Wir sind daher für die Entstehung dieses Übels bei uns nicht verantwortlich. Sie wissen, daß wir noch vor weniger denn sechzig Jahren unter der Krone von Großbritannien standen. Diese nahm das Recht für sich in Anspruch, den Handel ihrer Kolonien zu regeln, und übte es in einem Umfang, der zugleich darauf berechnet war, die Kolonien so lange wie möglich in Abhängigkeit vom Mutterland zu erhalten. Alle Parlamentsakten weisen dies nach, indem sie einzig dahin abzielten, den Handel der in Großbritannien wohnenden Untertanen zu begünstigen und den der Kolonisten in Amerika zu beschränken oder ganz zu verhindern. Diese hatten keine Seeschiffe und durften keine haben, bloß Küstenschiffe waren ihnen gestattet: die See- und Kauffahrteischiffahrt war den in den vereinigten drei Königreichen wohnenden Untertanen Seiner britischen Majestät vorbehalten, die allein das Monopol hatte, solche Waren ein- und auszuführen, wie sie die Regierung erlaubte. Ein Zweig dieses erlaubten Handels wurde bald, nachdem die Kolonien einigen Wohlstand erreicht hatten, die Einfuhr afrikanischer Negersklaven. Die erste Einfuhr erfolgte im Jahre 1620 mit Bewilligung der britischen Regierung durch ein holländisches Schiff. Dann aber riß die Regierung sogleich diesen Handel ganz an sich und erlaubte ihn hinfort bloß britischen Schiffen, in britischen Seehäfen ausgerüstet und Briten gehörig. Mit einem Wort, sie erhob ihn zum Monopol, und dagegen konnten und durften die Kolonisten im allgemeinen nichts einwenden. Aber sehr viele wandten sich gegen die Einfuhr der Afrikaner.«

      Richard machte eine kleine Pause und fuhr dann fort:

      »Die schwarzen Afrikaner wurden gleich anderen Handelsartikeln wie Tee, Zucker und Gewürze auf offenem Markt feilgeboten und losgeschlagen. Die Kolonisten fürchteten, diese Einfuhr müsse die Sklaverei in ihrem Lande einwurzeln. Daher verursachte die Ankunft der ersten Sklavenschiffe auch allgemeinen Alarm. Man beschloß Vorstellungen beim britischen Parlament gegen diesen Menschenhandel, man flehte die Krone an, die Kolonien mit der Einfuhr der Afrikaner und damit der Sklaverei zu verschonen. Massachusetts, Pennsylvania, Maryland, Virginia taten es, andere folgten diesem Beispiel. Ich will nur Georgia anführen, die jüngste und letzte der unter Englands Herrschaft gegründeten Kolonien. Ihre Entstehung fällt in die letzten Jahrzehnte der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ihr Gründer und erster Gouverneur war der treffliche Oglethorpe. Kaum war die Kolonie gegründet, als auch bereits britische Sklavenschiffe in den Seehäfen Georgias eintrafen und mit Bewilligung der britischen Regierung ihren Markt eröffneten. Vergebens erhoben der Gouverneur und der gesetzgebende Rat Einspruch — sie wurden abgewiesen. Sie reichten neue, dringendere Bittschriften ein, ein zweites, drittes, viertes Mal, zehnmal hintereinander. Die endliche Antwort war, daß der Gouverneur abgesetzt und der Rat mit einem Verweis entlassen wurde. Und die Sklaveneinfuhr erfolgte stärker als je.«

      »Aber mußten die Kolonisten diese Sklaven kaufen?« fragte d‘Ermonvalle.

      »Man konnte sie nicht, wie später zu Boston die Teekisten, in die See werfen«, versetzte Richard. »Und wenn Sie die menschliche Natur nur einigermaßen kennen, so werden Sie einsehen, daß es in jeder bürgerlichen Gesellschaft Gewinnsüchtige gibt, die wohl ihren Vorteil, nicht aber ihre Pflichten im Auge haben. Andere kauften die Schwarzen aus humaneren Gefühlen, um sie dem herzzerreißenden Elend auf den Sklavenschiffen und in den Marktställen zu entreißen. Der üble Erfolg Georgias schreckte übrigens die übrigen Kolonien keineswegs von der Erneuerung ihrer Vorstellungen ab. In den nördlichen Kolonien legte man wirklich nach Kräften der Einfuhr und dem Ankauf Hindernisse entgegen, aber den südlichen, wo die Verfassungen den von der Krone eingesetzten Gouverneuren mehr Gewalt gaben, wurden diese Sklaven den Kolonisten geradezu aufgedrängt. Das Übel wurde allgemein und so tief gefühlt, daß eben dieser Sklavenhandel mit eine der Ursachen wurde, die endlich zur Revolution führten. So finden Sie im ursprünglichen Entwurf der Unabhängigkeitserklärung, entworfen von Jefferson, Adams, Livingston, Sherman und Franklin und aufgesetzt von Jefferson, einen Artikel, der unter den vielen Beschwerden, welche die Kolonisten zur Ergreifung der Waffen und Abschüttlung des englischen Jochs bestimmten, auch die anführt: daß der König von England ein fremdes Volk seiner Heimat entrissen, über weite Seen geschleppt, es in die nordamerikanischen Kolonien als Leibeigene verkauft und so mit fremden Völkern, einer fremden Rasse, einen blutigen Markt eröffnet, ja sich nicht entblödet habe, dieselben Leibeigenen, die unter seiner Sanktion als solche an die Kolonisten verkauft wurden, zur Empörung gegen ihre Herren und Besitzer aufzurufen. Dieser Artikel wurde zwar bei der Veröffentlichung der Unabhängigkeits-Urkunde ausgelassen, weil einige Mitglieder des Kongresses aus den südlichen Staaten Bedenken äußerten und bei einem so wichtigen Dokument die Übereinstimmung aller jeder anderen Rücksicht voranging, aber die Empörung gegen die Barbarei der Regierung sprach sich deshalb nicht weniger stark in eben diesen südlichen Staaten aus.«

      »Das stellt wirklich die Sachlage aus einem ganz neuen Gesichtspunkt dar«, bemerkte d‘Ermonvalle, der aufmerksam zugehört hatte. »Aber eine Frage noch: Was tat Ihr Kongreß, Ihre eigene Regierung, nachdem sie die Herrschaft Großbritanniens abgeschüttelt hatte, in der Angelegenheit der unglücklichen Schwarzen?«

      »Ihre Frage ist nur natürlich. Die Kolonien trafen bereits vor dem Ausbruch der Feindseligkeiten mit Großbritannien Maßregeln, um dem Sklavenhandel Einhalt zu tun. 1774 kam der sogenannte Kontinentalkongreß von Philadelphia zu dem einmütigen Entschluß, daß mit Ausgang Dezember desselben Jahres kein Sklave mehr eingeführt oder zum Verkauf angeboten werden solle. Denselben Beschluß hatten früher schon die Kolonialversammlungen von New York und Delaware gefaßt. Daß diese Beschlüsse nicht ganz die beabsichtigten wohltätigen Folgen hatten, war einzig den unvermeidlichen Wirren zuzuschreiben, die nach unserer — wie nach jeder anderen — Revolution einbrachen. Sie haben vielleicht von der Föderal-Regierung gehört, die nach Beendigung des Unabhängigkeitskampfes errichtet wurde. Sie war so schwach, daß sie sich nach wenigen Jahren von selbst auflöste. Die dreizehn unabhängig gewordenen Staaten bildeten einen losen Staatenbund ohne Zusammenhang nach innen, ohne Macht nach außen, da jeder der neuen Staaten nicht bloß volle Souveränität innerhalb seiner Grenzen, sondern auch in bezug auf auswärtige Nationen forderte. Die Notwendigkeit einer kräftigen Zentralregierung wurde aber immer deutlicher erkannt. Im Jahre 1787 trat eine Konvention zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung zusammen, im Jahre 1789 gelangte auch die neue Verfassung mit George Washington als Präsidenten zur Wirksamkeit. Es wäre zu wünschen gewesen, daß der Zentralregierung auch die Gewalt über die Sklavenfrage erteilt worden wäre. Dieses geschah jedoch nicht, weil die einzelnen Staaten diese Frage als eine Eigentumsfrage betrachteten. Die Mehrzahl von ihnen hielt nun wirklich Sklaven, bloß die Neu-England-Staaten hatten die Sklaverei inzwischen abgeschafft. Die Majorität der Stimmen im Kongreß war bei den sklavenhaltenden Staaten, die allmählich an das Übel gewöhnt waren und über diese Frage um so mehr für sich abzuurteilen wünschten, als sie den größten Teil ihres Vermögens auf den Ankauf ihrer Sklaven verwendet hatten. Unsere großen Staatsmänner — Washington, Jefferson, Franklin, Adams, Hamilton, Morris — mußten in diesem wie in manchen anderen Punkten nachgeben, um nicht das große Lebensprinzip des werdenden Staates selbst zu gefährden. Handelte es sich doch darum, ob die freigewordenen Kolonien dreizehn kleine uneinige Republiken oder ein großer mächtiger Staat werden sollten. Doch hat selbst diese Konvention die Sklavenfrage nicht ganz vergessen, ja sie hat mehr getan als alle Regierungen Europas damals zusammengenommen. Es wurde nämlich der Beschluß gefaßt und zum Gesetz erhoben, daß zwar den sklavenhaltenden Staaten ihr Besitz, so wie er ihnen von der Krone Englands garantiert wurde, auch ferner gewährleistet und die Lösung dieser schwierigen Frage ihnen überlassen werden sollte, daß aber der Sklavenhandel innerhalb von siebzehn Jahren gänzlich aufhören, ja jeder amerikanische Bürger, im Sklavenhandel nach dieser Zeit betroffen, als Seeräuber angesehen und bestraft werden müßte. Das geschah, als England und die übrigen europäischen Länder kaum eine Ahnung von der Unmenschlichkeit des Sklavenhandels zu haben schienen.«

      Richard